Wir müssen mehr Medizinstudenten finden, die als Ärzte nicht nur in attraktiven Großstädten arbeiten wollen

„Wir alle investieren mit unseren Steuergeldern in die Ärzte von morgen, dann sollten wir auch jene ausbilden, die uns als Gesellschaft etwas zurückgeben“, so Prof. Dr. Michael Albrecht, Medizinischer Vorstand des Uniklinikums.

 

Wie zufrieden sind Sie mit der Ausbildung der Ärzte? 

Albrecht: Im Großen und Ganzen haben wir eine hervorragende Arztausbildung. Das Problem ist, dass die Medizin unglaublich schnelllebig ist. Die Gefahr besteht also, dass in fünf Jahren viel Gelerntes veraltet ist. Wenn man dann nur auf den Inhalt des Studiums achtet, funktioniert das langfristig nicht. Noch wichtiger ist, dass die zwischenmenschliche Arbeit nicht zu kurz kommt und vor allem die lebenslange Motivation der potenziellen Studierenden im Mittelpunkt steht. 

 

Wie kann man die Auswahl Ihrer Meinung nach besser spezifizieren? 

Albrecht: Jeder Steuerzahler beteiligt sich an den Ausbildungskosten der Ärzte von morgen. Daher sollten wir die Richtigen auswählen. Beispielsweise brauchen wir junge Menschen mit regionalem Bezug, die auch Lust haben, hier zu bleiben und zum Beispiel eine Praxis zu übernehmen. Ich glaube, dass wir in Deutschland aber bisher auf solche „weichen Faktoren“ zu wenig Wert legen. 

 

Worauf würden Sie bei der Auswahl achten? 

Albrecht: Natürlich sind die schulischen Leistungen wichtig. Die geben einem allein schon ein Gefühl für die Beurteilung von Intellekt und Lernbereitschaft. Ich würde aber noch mehr darauf achten, wieso sich der Bewerber oder die Bewerberin bewusst dafür entschieden hat, Arzt zu werden. Aktuell hat die Abiturnote im Zulassungsverfahren ein großes Gewicht. Wie wäre es stattdessen, wenn die angehenden Studenten eine Bewerbung schreiben, einen Eignungstest machen und sich in einem persönlichen Gespräch vorstellen würde? Das deutschlandweit prominente Dresdner Auswahlverfahren präsentiert dafür schon sehr gute Ansätze. Inzwischen ist es sogar so, dass wir mit etwa 60 Prozent unserer Bewerber Auswahlgespräche führen und zusätzliche Leistungen wie Praktika, Berufsausbildung in medizinnahen Berufen sowie gute Leistungen in den Naturwissenschaften bonieren. Die Abiturnote hat aber dabei immer noch ein Gewicht von 51 Prozent, weil der Gleichbehandlungsgrundsatz maßgeblich ist. 

 

Könnten Sie in Ihrer Position etwas am Zulassungskriterium ändern? 

Albrecht: Ich kann dafür werben, über neue Modelle nachzudenken und diese mitentwickeln. Wir haben da auch ziemlich konkrete Vorstellungen zum Thema praxis- und motivationsbezogene Ausbildung, die wir gerade mit den politischen Akteuren und der Staatsregierung diskutieren. Letztlich aber ist das Procedere, zwischen Bund und Ländern festgelegt. Wenn wir da revolutionieren wollen, müsste die Studienplatzvergabe generell auf den Prüfstand gestellt werden. Grundsätzlich würde ich es begrüßen, wenn wir die Bewerbungen als Standard direkt bekommen würden und so entscheiden könnten, wer aus seiner persönlichen Situation heraus für die Arbeit als Arzt brennt – auch wenn der Aufwand natürlich hoch wäre. 

 

Gibt es denn eine Möglichkeit, nachzuvollziehen, ob eine Universität einen erfolgreichen Arzt ausgebildet hat und ob er beispielsweise auf dem Land arbeitet? Man kann seine Studenten ja nicht nach 30 Jahren erneut kontrollieren. 

Albrecht: Aktuell gibt es hier in Sachsen keine Evaluation, die etwas über den Werdegang der Absolventen aussagt. Von McMaster gibt es hierzu zum Beispiel Daten. Dort wurde über einen Zeitraum von zehn bis 15 Jahren verfolgt, wo die Abgänger arbeiten und wie sich ihre Qualität entwickelt. Eins ist klar, wenn wir alle gemeinsam Geld dafür ausgeben, dann sollten wir auch die ausbilden, die lebenslang hinter dem Arztberuf stehen. Ich würde daher eher junge Menschen zum Studium zulassen, die klar sagen, dass sie z.B. in die Entwicklungshilfe gehen oder sich für einen Arztjob auf dem Land entscheiden. 

Die Umfrage unter Medizinstudenten über die jeweiligen Studieninhalte führte Camille Voisin.