• 3214 Aufrufe

Regenerationsmechanismus schwerer Gehirnverletzungen entdeckt

Immunsystem steuert beim Zebrafisch die Neubildung von Nervenzellen

Verletzungen des menschlichen Gehirns und Rückenmarks rufen eine Entzündungsreaktion hervor. Seit Jahrzehnten wird in der Medizin darüber diskutiert, ob die Reaktion des Immunsystems nach Verletzungen des zentralen Nervensystems eher den Heilungsprozess fördert oder diesen verhindert. Erstmalig haben Regenerationsforscher des DFG-Forschungszentrums für Regenerative Therapien Dresden - Exzellenzcluster an der TU Dresden (CRTD) am Modell des Zebrafischs nachgewiesen, dass die Entzündungsreaktion beim Fisch notwendig ist, damit sich Nervenzellen nach Gehirnverletzungen überhaupt neu bilden. Hiermit haben sie einen neuen Mechanismus identifiziert, der die Regeneration des Zebrafischgehirns durch neurale Stammzellen steuert. Die Gehirne von Mensch und Zebrafisch unterscheiden sich zwar oberflächlich betrachtet hinsichtlich Größe und Aussehen, sind aber neuroanatomisch und genetisch durch die evolutionäre Abstammung verwandt.

Bereits im November 2011 konnte die Arbeitsgruppe des Dresdner Regenerationsforschers Professor Michael Brand zeigen, dass erwachsene Zebrafischgehirne nach einer Verletzung regenerieren können - eine phantastische Fähigkeit, die Gehirne von Säugetieren leider nicht besitzen. Die Forscher konnten insbesondere radiale Gliazellen als die Stammzellen identifizieren, die für die Neubildung von Nervenzellen nach Gehirnverletzungen im erwachsenen Zebrafisch verantwortlich sind. Die Wissenschaftler zeigten damals auch, dass im Zebrafischgehirn, ebenso wie in Säugetieren, eine starke Entzündungsreaktion kurz nach der Verletzung auftritt. Bei Fischen führt dies jedoch nicht zu einer chronischen Narbenbildung, welche beim Menschen die Selbstheilung des Gehirns verhindert. Dexamethason wird in Medikamenten bei Entzündungen im menschlichen Körper standardmäßig als entzündungshemmend und dämpfend auf das Immunsystem eingesetzt. Diesen Wirkstoff haben die Forscher dem Wasser zugesetzt, in dem Zebrafische gehalten wurden, deren Gehirn vorher verletzt wurde, um somit Entzündungen zu unterdrücken. Die radialen Gliazellen wurden nun nicht aktiviert und bildeten trotz der Gehirnverletzungen nicht mehr neue Nervenzellen.

Das war der wissenschaftliche Beweis dafür, dass die Entzündungsreaktion notwendig ist, um überhaupt den Prozess der vermehrten Neubildung von Nervenzellen in Gang zu setzen. "Bindung von LTC4 als Signalmolekül an CysLT1-, einen Lipidrezeptor, regt die neuronalen Stammzellen im Fischgehirn an, neue Nervenzellen zu bilden", fand Nikos Kyritsis, Doktorand in der Dresdner Arbeitsgruppe von Professor Brand, heraus und identifizierte somit den molekularen Mechanismus der Stammzellaktivierung. Denn die Injektion des Lipids in gesunde Fische aktivierte die Nervenzellproduktion. In den Gehirnen von erwachsenen Zebrafischen entstehen lebenslang neue Nervenzellen, die dauerhaft verlorene Nervenzellen ersetzen können. Gene und molekulare Mechanismen sind zwischen Fisch und Mensch aufgrund der gemeinsamen evolutionären Abstammung hoch konserviert. Der kleine Fisch ist so als Modellorganismus bestens geeignet, auch genetischen Grundlagen menschlicher Krankheiten auf die Spur zu kommen. Das Wissen um deren Regenerationsmechanismen könnte in Zukunft dazu beitragen, neue therapeutische Ansätze bei Krankheiten und Verletzungen des Gehirns zu entwickeln.