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„Wenn man sich hier nicht ändert, ändert man sich NIE"

Bärbel Prinz (48), Staatsanwältin und Cistercienser-Kandidatin

Seit zwölf Jahren arbeitet sie als Staatsanwältin in Dresden. Im April 2007 trat sie ins Kloster ein. Disy sprach mit Bärbel Prinz über ihren ungewöhnlichen Weg.

Eine Frau in Zivil inmitten von Ordensschwestern beim Chorgebet. Unscheinbar, scheu. Sie fiel mir auf, als ich zum ersten Mal in Helfta weilte. Wenige Tage zuvor war sie ins Kloster eingetreten. Zur Probe. Bis ich mit ihr sprechen konnte, vergingen Monate. Zeit, die sie brauchte, um sich in die Ordensgemeinschaft einzuleben. Geduld, die der Respekt vor einer radikalen Lebensentscheidung erfordert. Warum ging sie diesen Schritt? Wird sie bleiben? Vermisst sie ihren Beruf? Viele Fragen.

Barbara Prinz, von allen Bärbel genannt, wuchs in der Nähe von Stuttgart auf. „Normale gutbürgerliche Familie, der Vater Exportkaufmann, die Mutter Hausfrau, drei Geschwister, inniges familiäres Verhältnis“, fasst sie ihre Herkunft zusammen. 1977 besuchte sie für ein Jahr das zum Kloster Seligenthal gehörende Gymnasium. In Latein und Deutsch wurde sie von Schwester Assumpta unterrichtet: „Diese Persönlichkeit hat mich sehr berührt, aber Kloster war nie ein Thema für mich“, erinnert sie sich. Damals ahnte sie nicht, dass sie 30 Jahre später daran erinnert werden sollte.

Ihre berufliche Erfüllung fand Bärbel Prinz über Umwege. Nach dem Abitur studierte sie Latein und Englisch auf Lehramt. Als sie merkte, dass sie keine gute Lehrerin sein würde, pausierte sie und arbeitete in einer Kaufhaus-Verwaltung. „Dort gefiel es mir gut, aber ich habe mir überlegt, dass es für mich besser wäre, etwas zu studieren, und Jura hörte sich gut an.“ Das Studium führte sie nach Würzburg und nach Mainz. Neben dem Studium tanzte sie Ballett am Mainzer Theater. „Das war gut, denn mir wurde klar, dass das Thea­terleben nichts für mich ist. Ich habe ein großes Sicherheitsbedürfnis.“ Nach dem Jura-Staatsexamen zog es Bärbel Prinz in die Welt. Zwei Jahre flog sie als Stewardess für die Lufthansa. Als ihr Vater starb, der wie sie flugzeugbegeistert war, machte ihr die Fliegerei plötzlich keine Freude mehr. Seit 1992 arbeitet sie in Dresden als Staatsanwältin und sagt: „Ich wüsste keinen besseren Beruf.“ Der internationale Rechtsverkehr in Strafsachen mit dem Ausland, Ausländer- und Beamtendelikte sind ihr tägliches Brot. Sind, nicht waren, denn Bärbel Prinz ließ sich für das Kloster beurlauben. Sie kann zurückkehren, wenn sie mit dem Klosterleben nicht klarkommt. Doch warum verlässt eine Frau einen gesicherten, gut bezahlten Job und unterwirft sich Regeln, die in krassem Widerspruch zu ihrem Leben als Staatsanwältin stehen? Wo sie sich, anders als gewohnt, unterordnen muss und keine Anordnungen erteilen darf?

„Seit ungefähr 1990 habe ich mich immer mehr religiös entwickelt“, blickt sie zurück. Mit einer Pilgergruppe fuhr sie zur Marienerscheinung in Medjugorje/Jugoslawien. „Seitdem war die Mutter Gottes immer Begleiterin für mich.“ Nach kurzer Pause fügt Bärbel an: „Ohne Beistand hätte ich das ganze Leben so allein einfach nicht bewältigt, obwohl ich äußerlich gesehen überhaupt keine Schwierigkeiten hatte.“ Sie weiß, von ihrem Leben als Staatsanwältin würden viele Frauen träumen. Unabhängig, finanziell gesichert, schöne Wohnung. Dennoch: „Ich leb nur für mich selbst. Dafür hat mir der liebe Gott mein Leben nicht gegeben“, stellt sie fest.

Das Kommende hält sie für Fügung. Anfang 2006 hörte sie im Radio eine kirchliche Sendung über außergewöhnliche Frauen. „Ich schalte ein und höre die Mutter Äbtissin aus Helfta, früher in Seligenthal. Meine Schwester Assumpta!“ Bärbel Prinz nahm sofort Kontakt auf: „Ich fühlte, ich muss da mal hin.“ Sie fuhr ins Kloster, sprach mit Äbtissin Assumpta und beschloss: „Ich probiere es aus.“ Seit April ist sie Kandidatin. Alles Weitere ist offen. „Ich bin überrascht, wie viel Anteil die Leute nehmen“, wundert sie sich. Ob Bärbel Prinz im Kloster bleibt, kann sie nach wenigen Monaten noch nicht sagen. „Einerseits bin ich total glücklich hier, andererseits ist die Umstellung schwierig.“ Sich an Regeln anzupassen, deren Sinn sich manchmal erst später erschließt, erfordert Demut und persönliche Opfer. Eine Angewohnheit, wie bei einer Tasse Kaffee die Zeitung zu lesen, kann im Kloster schon Verzicht üben bedeuten. Doch Bärbel Prinz sagt: „Entweder ich ändere mich hier oder ich ändere mich nie.“ Ob sie bleiben soll, könne nur der liebe Gott entscheiden. Wie auch immer ihre Klosterzeit weitergeht: „Sie ist und bleibt ein rein persönlicher Entschluss.“ Mehr Infos: www.kloster-helfta.de

Dagmar Möbius