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Freundschaft in Mode - Kolumne von Gerhard Golze: Disy Herbst 2005

Über vieles wird in der Gesellschaft gesprochen, über die Familie, das Geschäft, die Politik, gelegentlich auch über Seitensprünge, selten über Freundschaft. Dabei hat man bei all den Umarmungen und Bussis, den zur Schau getragenen Gesten und dem öffentlichen Zeigen von Gefühlen den Eindruck, Freundschaft sei allgegenwärtig und nicht, wie hin und wieder zu vermuten, der blanke Narzissmus Einzelner. Diese Art, das eigene Größen-Selbst in der Öffentlichkeit zu bestätigen, gehört zum Alltag, wird aber jede Beziehung mit nicht erfüllbaren Ansprüchen belasten und letztendlich eine wahre Freundschaft verhindern.

Wie Recht hat deshalb Aristoteles mit seiner Freundesbeschreibung: „Ein Freund ist eine Seele in zwei Körpern.“

Eine Show ist dann unnötig, ein Theaterspiel suspekt, Offenheit wird zur Maxime und leise Töne die Umgangsform.

Man spricht über alles, ohne zu verletzen und ohne etwas lautstark beweisen zu müssen. Selbstsein ist die Basis für die wunderbare Nähe, die nur eine echte Freundschaft zu geben vermag. Da gibt es keinen „Liebesentzug“, und Eifersucht ist sowieso einer Freundschaft fremd. Man nimmt den Freund, wie er ist, man akzeptiert ihn und wird selbst jeden Versuch tunlichst unterlassen, ihn zurechtbiegen zu wollen. Geradezu falsch ist der Begriff Freundschaft, wenn er richtig als Netzwerk wichtiger Menschen beschrieben werden müsste, die durch berufliche oder gesellschaftliche Positionen einem selbst nützlich sein können und nur deshalb kurzerhand in den Freundesstand erhoben werden. Genauso wenig sind Heerscharen von Freunden denkbar und lebbar.

Eine wahre Freundschaft ist deshalb zeitlich nicht begrenzt, gibt Sicherheit und hilft gegen jede Art von Kurzschlüssen, sogar in der Midlife-crisis. Freunde sind füreinander da, hören zu und helfen, und das in guten, aber auch an weniger schönen Tagen.

Freundschaft gehört zu den erstrebenswertesten Dingen im Leben, sie gibt ein Gefühl von Glück und Schutz. Ja, Freundschaft ist in Mode, nicht weil sie etwas Neues ist, sondern sie neben der Liebe das Leben lebenswert macht.

Den nötigen Tiefgang und die Beständigkeit wünsche ich uns allen.

 

(Gerhard Golze, Disy Herbst 2005)