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Glückliches Leben?

Spätestens seit der Antike streben die Menschen nach dem Glück. Auch heute verstehen wir es noch als höchstes Gut und als Ziel Nr. 1 im menschlichen Leben. Es verwundert deshalb kaum, dass alle Kulturen und Epochen die Frage aufgeworfen haben: „Was ist Glück?“. Meine Erklärung dafür: Es ist die Erfüllung von Wünschen, so der nach Anerkennung, nach wirtschaftlichem Erfolg, nach Macht und nicht zuletzt nach Lust.

Ja, ich meine, diese Gefühlsqualität nach Erfüllung oder Befriedigung von Wünschen, denn wonach der Mensch strebt, hält er für gut. Das betrifft elementare Dinge wie Essen, Trinken und Sexualität, aber darüber hinaus auch die intellektuellen, kulturellen, moralischen, selbst religiöse Freuden. 

Gestatten Sie mir, von den vorstehenden vier Lebenszielen, die Glück versprechen, die Lust als ein ganz besonderes Ziel zu betrachten. Verlangen haben wir doch alle nach Lust und versuchen Unlust zu vermeiden. Unlust verbinden wir mit Not, Schmerz und Leid.

Die erstrebte Lust jedoch im positiven Sinne beinhaltet die ganze Bandbreite körperlicher, geistiger, sozialer und seelischer Lust, vom bescheidenen Wohlgefallen bis hin zur ekstatischen Wollust.

Zusammen sein im Freundeskreis, Musik, Verführungskunst, ein guter Wein, ein Spaziergang am Abend, der Genuss der Sonnenstrahlen, Schokolade oder ein 5-Gänge-Menü. Kurz gesagt, jedem nach seinem Stil, Temperament, Manier und Wesen. 

Ob wir jedoch beim Erreichen unserer Wünsche Lust empfinden, lässt sich sowohl mit Ja als auch mit Nein beantworten. Diese Erfahrung hat wohl schon jeder gemacht und feststellen müssen, dass auch Misserfolg nicht zwangsläufig Unlust nach sich zieht, und Gelingen nicht immer froh macht. Ein wirklich gelungenes Leben im Sinne von geglückt ist ohne Lust für mich undenkbar.

Weshalb sollten wir denn auch unseren Leidenschaften nicht folgen dürfen? Das Argument der Unvernünftigkeit, der sich ergebenden Schwierigkeiten lässt doch die Frage zu, weshalb ein lustvolles Leben Vernunft braucht? 

Selbstverständlich trifft Shakespeare den Nagel auf den Kopf: „Der Ozean ist begrenzt, die Begier dagegen unbeschränkt“ (Venus und Adonis). 

Ist es also die Maßlosigkeit, die unterschiedlichen Bedürfnisse und Interessen, die Nichtbeachtung des oder der anderen, die das Glück gefährden? Das Zuviel an Essen, Alkohol und zu wenig Schlaf, das Kultivieren von Oberflächlichkeit und Belanglosigkeit und die fehlende Bereitschaft, sich zu bemühen und vorübergehend auf Lust zu verzichten, um sie im Vielfachen zu erlangen? Die eigene Grenzenlosigkeit zu disziplinieren, kann Diät bedeuten oder nur eine Flasche Wein in einer Woche, aber auch das höchste Glücksgefühl, das eigene „Nie-genug-Gefühl“ zu kontrollieren. 

Vor- und Erinnerungsfreude für das Leben so gegensätzlicher Kategorien der Gegenwart wie Lust und Disziplin wünsche ich Ihnen und mir.