Dresdner Legenden ... und wo sie jetzt sind
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Jochen Reichel kommt mit seiner Hamburger Agentur nach Dresden und hat Großes vor
Wieso sind Sie damals aus Dresden weggegangen?
Reichel: Meine letzte und größte Inszenierung in Dresden war im Sommer 2008 vor der Dresdner Semperoper das Classic Open Air „Diva Maxima“ mit 7.000 Besuchern. Im gleichen Jahr bekam ich von einem der größten Eventdienstleister Norddeutschlands, der Nord Event GmbH in Hamburg, das Angebot, eine Event-und Marketingabteilung komplett neu aufzubauen. Nord Event verfügt über eigene beeindruckende Locations, eigenes Catering und hatte damals keinerlei Eventerfahrung. Wir starteten mit drei Angestellten im Eventbereich und hatten am Ende 22 Mitarbeiter.
Wie kam dann der Schritt in die Selbstständigkeit?
Reichel: Nach sieben Jahren habe ich mir gesagt, ich möchte auch mal wieder mein eigener Chef sein. Ich hatte viele eigene Ideen und Kreationen und wollte diese gerne in meinem Stil umsetzen. Anfang 2014 haben wir unsere eigene Agentur gegründet.
Warum etablierten Sie die in Hamburg? Sie hätten ja auch da schon nach Dresden zurückkommen können.
Reichel: Der Hamburger Standort ist eine unglaubliche Herausforderung vor allem in der Event- und Marketingbranche, da die besten und größten in Hamburg sind. Mir ist es inzwischen in mehr als 10 Jahren gelungen, mich mitten im Hamburger Eventmarkt dank eines hervorragenden Netzwerk an Kunden, Dienstleistern und vor allem kreativen Mitstreitern, mich in dieser Stadt unter den zahlreichen Mitbewerbern zu etablieren. Man wird nicht selbstständig nur aus Spaß und Freude. Man braucht eine Vision, ein Ziel und ein gutes Konzept. Ich kann mich noch erinnern als wir zur Bank gegangen sind. Ich bin mit dem Satz eingestiegen: „Wir möchten die 421. Eventagenur in Hamburg gründen“. Dieser Satz mit einem provokatorischen und zugleich lustigen Unterton, das Konzept und wir haben überzeugt.
Aber man hat es Ihnen zugetraut…
Reichel: Mit vier Leuten haben wir angefangen und inzwischen haben wir acht Festangestellte und über 15 Freelancer in verschiedensten Projekten. Unser Hauptsitz ist in Hamburg, wir haben aber auch ein Büro in Berlin und Nizza.
Wieso Nizza?
Reichel: Nizza ist für uns der optimale Standort für die Planung und Umsetzung von Events unser deutschen Kunden im Mittelmeer-Raum.
Hatten Sie Angst, dass etwas schiefgehen könnte?
Reichel: Die Angst hatte ich nie, weil ich um mich herum von Anfang an ein festes Kernteam hatte. Ich ergänze mich z.B. mit meinem jüngeren Geschäftspartner Sandro Struck perfekt. Sandro ist der Stratege - ich eher der Kreative und Kundenversteher. Alleine wäre ich nie diesen Schritt gegangen. So etwas kann man nur im Team machen, wo jeder seine Stärken hat. Bei uns gibt es wie überall Hochs und Tiefs. Wir haben aber darauf geachtet, uns breit aufzustellen. Wir sind die kreative Agentur für den Mittelstand. Vom Firmenjubiläum über die Mitarbeiterfeier bis zu Geburtstagen und Hochzeiten machen wir alles.
Was sind Sie für ein Chef?
Reichel: Ich bin typisch Waage. Mein ganzes Wesen ist ausgeglichen. Allerdings kann ich auch mal richtig ausrasten. Jedoch nur für wenige Minuten und dann ist das vergessen. Ich entschuldige mich sofort. Eigentlich bin ich jemand, der für ein gutes Klima steht. Man braucht immer Team-Geist. In unserer Branche ist es vorbei, Doktrinen zu machen und zu bestimmen. Ich habe das selbst erlebt und wollte das nicht mehr. Ich hatte meinen Chef sieben Tage die Woche und 24 Stunden. So ein Chef bin ich nicht.
Sie werden ja in Zukunft zwischen zwei tollen Städten pendeln. Lassen Sie Ihrem Team in Hamburg da freie Hand?
Reichel: Ja, ich vertraue unserem Team komplett. Als wir uns gegründet haben, hießen wir „Events by Reichel“, weil mein Name sehr bekannt ist. Nach drei Jahren haben wir festgestellt, dass der Name nicht das ausdrückt was wir wirklich täglich machen. Wir agieren im Hintergrund, der Kunde steht für uns immer im Vordergrund. Events haben immer mit Wertschätzung, Aufmerksamkeit und Anerkennung seinem Gegenüber zu tun. Der Name respect. ist für uns dafür der passende Ausdruck.
Diesen Respekt haben Sie natürlich Ihren Kunden gegenüber. Gibt es trotzdem eine Schmerzensgrenze? Sind die sehr Reichen auch manchmal schwierig?
Reichel: Die wirklich richtig Reichen sind die entspanntesten, realistischsten und liebevollsten. Sie brauchen keine Events, wo in Champagner gebadet wird. Trotzdem sind Budgets da, mit denen man kreativ werden kann.
Dann gibt es die Anderen…
Reichel: Die, die ihre vier oder fünf Millionen nicht selbst erarbeitet haben, sind schon schwieriger. Das sind die Diven unter den Millionären.
Haben Sie im letzten Moment schon mal ein Event gerettet?
Reichel: Ja. Für das Event „75 Jahre Optiker Bode“ hatte ich Barbara Schöneberger engagiert. Barbara hatte aber, nach ihrer Schwangerschaft, ihr Kleid nicht vorher probiert. Es ging einfach nicht zu und wir mussten vor der Fotowand das Kleid hinten mit Tape zusammen-kleben.
Mit welchen Prominenten arbeiten Sie noch zusammen?
Reichel: Neben Barbara Schöneberger auch mit Sylvie Meis, Johannes Oerding, Guido Maria Kretschmer und v.a.. Guido will ja immer abnehmen. Er war bei uns zu einem Presseday und wir hatten einen Koch aus Hamburg eingeladen, der für die typische Norddeutsche Küche bekannt ist. Das hätten wir nicht machen sollen. Es gab Hamburger, Fish & Chips, Kartoffelsalat. Damit haben wir ihn verführt trotz Abnehm-Kurs. Sonst arbeiten wir von The BossHoss, Ben Zucker, Marquess, bis hin zu Markus Lanz, mit vielen Künstlern in allen Genren zusammen.
Arbeiten Sie auch mit den Hamburger Promi-Köchen zusammen?
Reichel: Ja, das Essen bzw. Catering spielt bei allen Events die Hauptrolle. Wir haben viel mit Cornelia Poletto, Tim Mälzer und Steffen Henssler zu tun. Ich kenne die drei alle persönlich. Cornelia zum Beispiel ist ausgesprochen bodenständig und nett. Sie liebt die mediterrane italienische Küche und trinkt auch mal gerne ein gutes Glas Wein. Mälzer hat ein eigenes Catering-Unternehmen mit dem Namen „Speisenwerft“, mit denen wir auch zusammen arbeiten. Mälzer ist ein Funz-Kerl. Er ist wirklich nicht abgehoben. Er ist die männliche Großmutter, die in der Küche steht. Auch Henssler ist für uns immer ein Garant für das kulinarisch Besondere. Er hat eine tolle Show-Küche mit Blick direkt auf den Hafen. Henssler ist der Küchenprofi schlechthin.
Entstehen auch manchmal Freundschaften mit Ihren Kunden oder Partnern?
Reichel: Bei Hunderten von Kunden bin ich nur mit zweien richtig gut befreundet. Ich bin Jemand, der da einen gewissen Abstand hält. Die längsten und bodenständigsten Freundschaften habe ich hier in Dresden.
Woran liegt das?
Reichel: Dresden ist für mich immer Heimat geblieben. Hamburg ist wahrlich meine Perle! Dort gibt es nicht mehr dieses eine große Event, sondern viele Salons zu denen man eingeladen wird. Das sind meistens sehr renommierte Persönlichkeiten und Entscheider. Da kommen 50 Leute, dort passiert das Netzwerk und es werden Geschäfte gemacht. Aber es sind keine Freunde. Man geht mal essen und das war’s.
Was ist in Dresden anders?
Reichel: Herzlichkeit, Verbindlichkeit, Offenheit und Menschlichkeit - das gefällt mir! In Hamburg zählt in erster Linie das Geschäft. Nach dem Geschäft kommt eine Weile nichts. In Dresden ist man mehr Mensch. Wir hatten letztens ein Event hier in Dresden. Ich war so fasziniert, dass nach elf Jahren in einer Beständigkeit noch die wichtigsten Leute da sitzen, wo sie früher waren. Da hat sich nicht viel geändert. Das ist in Hamburg und im Westen anders. Diese Gewissheit hat mich zum Nachdenken gebracht und ich habe gemerkt, dass ich hier wieder mehr Zeit verbringen will.
Haben Sie sich deshalb entschieden, einen zweiten Standort in Dresden zu eröffnen?
Reichel: Ja. Dresden ist meine Heimat. Meine Freunde, meine Geschwister und meine Mutter leben hier. Ich habe schon immer damit geliebäugelt, Job und Heimat miteinander zu verbinden. Viele Jahre wurde jedoch gesagt, in Dresden könne man in Sachen Events nicht bewegen. Ich war in letzter Zeit mehrfach in der Stadt und wurde positiv überrascht. Wenn man bedenkt, wie sehr sich Dresden in den letzten Jahren verändert hat, sehe ich grosses Potenzial.
Und da dachten Sie sich, was Dresden noch fehlt, sind die richtigen Events?
Reichel: Wir sind eine Agentur für „live-kommunikation“, die in erster Linie Ideen liefert und diese komplex umsetzt. Ich bin felsenfest davon überzeugt, dass heutzutage nicht Jeder Events veranstalten kann. Dennoch versuchen es viele. Jeder - vom Friedhofsgärtner, Friseur bis zum Caterer denkt, er könne auch Eventmanager sein.
Was ist dann der Unterschied zu Ihrer Agentur?
Reichel: Wenn Firmen oder Private eine besondere direkt auf das Unternehmen oder Kunden zugeschnittene Idee brauchen, sind wir dazu da, diese Idee in ihrer Komplexität zu kreieren und umzusetzen.
Was sind Ihre konkreten Pläne?
Reichel: Wir wollen unseren Kunden viel Spielraum bieten und das unabhängig vom Budget. Die Kunst ist, auch mit wenig Budget eine Langzeitwirkung zu erreichen. Mittlerweile hat sich in Dresden und Sachsen wirtschaftlich so viel entwickelt, dass es sinnvoll ist hier jetzt eventseitig etwas zu bewegen. Wir wollen z.B. den Firmen Konzepte anbieten, mit langjähriger Erfahrung und vor allen neuen Formaten. Für Dresden und das Umland, haben wir spannende Ideen und Mitstreiter für neue Events in Eigenproduktion.
Es gibt in Dresden schon etablierte Event-Profis…
Reichel: In Dresden gibt es den Gott der Locations Mirko Meinel. Wir kennen uns sehr gut. Außerdem Frank Schröder, den Gott des Stadtfestes. Ich bin der Gott der Ideen. Das passt doch perfekt zusammen.
Sie sind also spezialisierter?
Reichel: Wir haben uns auf Kunden- und Mitarbeiter-Events spezialisiert. Im Zuge des Fachkräftemangels suchen Firmen nach Ideen, wie sie ihre Mitarbeiter binden, motivieren und halten können und vor allem Ihre Kunden binden und von Ihren Produkten überzeugen und begeistern können.
Ist es schwerer Mitarbeiter zu finden, als früher?
Reichel: Das ist eine Frage der Motivation. In unserem Bereich im Event-Marketing ist es überhaupt kein Problem. Viele wollen Veranstaltungskauffrau oder -kaufmann werden, den Bachelor machen oder Tourismus studieren. Wir begleiten und unterstützen das gern. In Sachen Mangel an Bewerbern schließen wir uns bewusst aus. Deshalb kreieren wir abgestimmt auf die jeweilige Firma Recruting Events um die passenden Bewerber zu interessieren und zu finden, wo das nicht so ist.
Was hören Sie denn von den anderen Firmen?
Reichel: Wir betreuen zum Beispiel eine der größten deutschen Optiker-Ketten. Dort ist es unglaublich schwer, gute Optiker zu finden. Auch Friseure finden schwer Mitarbeiter. Sie sind häufig falsch moti-viert, durch die Schule, das Gymnasium und später selbst in den Fach- und Hochschulen. Hier werden unrealistische Vorstellungen geprägt. Wenn ich an die Uni gehe und mit IT Experten ins Gespräch komme, haben sie unrealistische Vorstellungen. Sie haben den Anspruch, 80.000 Euro Jahresgehalt und zwei Tage Home Office zu bekommen. Das ist der heutige Trend, den aber die wenigsten Firmen mitgehen können.
Woher kommt diese falsche Motivation?
Reichel: Ich will das jetzt nicht alles auf Social Media schieben, aber ich musste bei unserem letzten großen Event mit dem Disy-Magazin in Hamburg so lachen, als 50 Prozent der Casting-Teilnehmer sagten, sie wären von Beruf Influencer. Das ist total schwierig.
Und dann werden Sie mit der Realität konfrontiert und müssen richtig arbeiten.
Reichel: Das ist für viele schwer. Event Manager müssen sehr kreativ und kommunikativ sein. Man kann bestimmte handwerkliche Dinge lernen, aber bei uns braucht man Talent, sich eine Story einfallen zu lassen und vor allen muss man mit unterschiedlichsten Menschen umgehen können - vom Kunden bis Künstler...
Was muss ein gutes Event haben?
Reichel: In erster Linie geht es darum, besondere Momente für besondere Menschen zu inszenieren und umzusetzen. Es soll emotional werden - entweder es bringt die Gäste zum Lachen oder zum Weinen. Es muss immer einen besonderen Kick geben und man soll darüber reden. Ich kann ja sogar im Grünen Gewölbe dinieren, wenn das Budget stimmt. Das ist einfach toll. Es geht um Momente, die man nicht kaufen kann.
Was sind Sie für ein Mensch?
Reichel: Unehrlichkeit regt mich sehr auf. Genauso wie Intoleranz und Oberflächlichkeit. Ich kann von hoch kreativ bis sehr einfach alles. Ich gehe in Kunstgalerien und schaue Reportagen auf arte, aber ich nehme mir auch jeden Dienstag „In aller Freundschaft“ auf. Ich bin ein sehr aufgeräumter, stylischer Typ. Das findet sich auch in meiner Einrichtung wieder - aufgeräumt, sortiert, strukturiert, offen, frei, geradlinig. Ich liebe das Meer. Irgendwann will ich mal eine kleine Wohnung am Meer haben.
Warum das Meer?
Reichel: Dieses ganze mediterrane Flair ist ein Traum. Das ist alles so grenzenlos. Ich bin ein extremer Träumer und kann mich gut verlieren. Andererseits bin ich auch Realist.
Was haben Sie vom Leben gelernt?
Reichel: Dass man sich nicht unterkriegen lassen sollte und dass es immer weiter geht, wenn man den Willen hat. Ich folge immer meinem Instinkt und Bauchgefühl.