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96. Beitrag: "Moderne Piraten" (17. April)

Für mich war es immer schon etwas gruselig, durch die Straße von Malakka zu fahren, die zwischen Malaysia und Sumatra verläuft. Die Wasserstraße ist berüchtigt für modernen Piraten...
Meine Recherchen für einen Artikel über moderne Piraten haben ergeben, dass jährlich weltweit rund 400 Piratenüberfällen gemeldet werden, immer wieder Seeleute ums Leben kommen und pro Jahr rund 350 als Geiseln genommen werden. Auch in diesem Jahr soll es in der Straße von Malakka mehrere Versuche von mit AK-47 bewaffneten Männern gegeben haben, Tanker zu entern.
"Natürlich ist Piraterie ein ernstzunehmendes Problem heute in der Seefahrt", hatte Kapitän Werner Detampel mir erklärt, bevor er in Valparaiso von Bord der "MS Amadea" gegangen war. Aber zum Glück wären die Piratenüberfälle heute immer noch wirtschaftlich motiviert (nicht ideologisch oder terroristisch). "Die Piraten wollen die Güter", so Detampel. "Deshalb sind Passagierschiffe eigentlich noch nicht so gefährdet. Für die Piraten ist es viel einfacher und lukrativer, ein Containerschiff zu überfallen mit hochwertiger Elektronik. Das kann man leicht verkaufen und zu Geld machen." Ein Passagierschiff zu kapern, sei viel aufwendiger. "Außerdem, was wollen die hier?", fragt Detampel. "Ihnen die Ringelchen vom Finger ziehen? Das kriegen die nicht verkauft. Aber natürlich müssen wir aufpassen wie die Schießhunde."
Die Überfälle auf Handelsschiffe in der Straße von Malakka nehmen zu. Malaysia hat eine Spezialeinheit aufgestellt, die "Marine Police Tactical Unit", die Seefahrer und Schiffe schützen soll. Die betroffenen Länder, die an der Straße von Malakka liegen, Indonesien, Singapur und Malaysia haben ein starkes Interesse daran, die Piraterie einzudämmen. "Wir bekommen regelmäßig Meldungen von Firmen, die Informationen, auch die der Nachrichtendienste, über mögliche Gefahren zur aktuellen Lage schicken", so der "Amadea" - Kapitän. "Ich lese das, gebe es dem Staff Kapitän. Natürlich haben wir gewisse Hilfen aus dem ISPS. Wir haben zusätzliche Wachen an Bord. Auf der Brücke sind auch zwei, die ständig alles beobachten. Aber das ist eigentlich eine Farce. Die Piraten haben Boote, die fünfmal so schnell fahren können wie wir. Wir können denen nicht wegfahren. Wenn die kommen, können wir nur höflich sein."
Die 630 Seemeilen lange Straße von Malakka zwischen Malaysia und Sumatra verbindet Asien mit den Ölstaaten und Handelszentren des Mittleren Ostens und Europas. An der engsten Stelle ist sie nur anderthalb Seemeilen breit. Besonders die Inseln beim Langkawi-Archipel bieten Piraten guten Schutz, schnell zu verschwinden. Rund 50 000 Schiffe passieren pro Jahr die Straße von Malakka,  mehr als 30 Prozent der Welthandelsgüter werden hier entlang transportiert. Deshalb, wegen der natürlichen Gegebenheiten und der Dichte an lukrativen Zielen, befinden wir uns hier in einem "Paradies für Piraten".
Doch wieso muss man den Piraten höflich begegnen? Kapitän Detampel: "Was sollen wir sonst machen? Wir haben doch nur faule Eier und stinkende Tomaten an Bord zum Werfen." Keine Waffen? "Keine Waffen!"
Doch Werner Detampel ist wie gesagt überzeugt davon, dass Kreuzfahrt- bzw. Passagierschiffe für moderne Piraten völlig uninteressant sind.

Das komplette Interview mit Kapitän Werner Detampel könnt ihr ab 3. Juni in der Disy lesen oder demnächst auf www.disy-magazin.de.
Anja Fließbach: Dienstag, 17 April 2007, 21:02 Uhr