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9. Beitrag: "Die Möwen sind mit uns" (1. Januar)

"Uip, uip", ahmt Louisa die weißen Vögel nach, als sie nach dem Aufwachen im Nachthemd auf den Balkon tapst. Ein ganzer Schwarm Möwen begleitet unser Schiff. "Das sind unsere Freunde", meint meine Tochter und freut sich, dass die Tiere uns zum Land führen wollen.
Schon früher in der Seefahrt waren die Möwen Boten des Glücks, bedeutete ihre Gegenwart doch für müde Seefahrer, dass sie bald wieder festen Boden unter den Füßen haben würden. Für uns heißt das konkret nach drei vollen Seetagen: Brasilien.

Die Seetage waren besonders für meine Tochter aufregend, wurde sie doch von wilden Katzen und einem strengen Neptun kontaktiert. Die Katzen gehörten zum Musical Cats, das gestern Abend in der Atlantik-Lounge auf dem Programm stand. Auf der "MS Amadea" gibt es ein festes Showensemble mit internationalen Profis. Nachdem wir schon Vorstellungen wie "Lord of the Dance" und einen stilvollen Swing-Abend erleben durften, gab es gestern nun das berühmte Katzenmusical.
Vor der Aufführung durfte Louisa die Künstler in den Garderoben besuchen und dabei sein, als sich Beate, Katrin, Sarah, Duane, Christian, Korbinian und Steven in die legendäre Katzengemeinschaft verwandelten. Erst schüchtern, dann begeistert beobachtete Louisa die Künstler, ließ sich selbst mit Glitzerstaub schminken und war damit fast ein Teil des Ensembles. Das war ihre Welt. Die Show selbst war ein Highlight. "Warum sagst du immer toll, Mama?", flüsterte Louisa neben mir im Publikum. Es war toll!

Vom Neptun allerdings war Louisa weniger begeistert. In der Nacht um 1.10 Uhr hatte die "MS Amadea" den Äquator überquert, zeigte der Bordcomputer LAT 0° 0` 0`` an. "Der Äquator ist eine unsichtbare Linie, die den Erdball in der Mitte umspannt, fast wie ein Gürtel", erklärte ich meiner Tochter am nächsten Tag. Dieser "Gürtel" entspricht dem Null-Breitengrad und ist 40075 km lang. "Von hier aus ist der Nord- und Südpol gleich weit entfernt und Tag und Nacht sind gleich lang", sage ich und meine Tochter nickt mit großen Augen. Ich weiß nicht, was von den vielen Eindrücken und Informationen im Gedächtnis meines Kindes bleiben wird. Aber trotzdem ist meiner Meinung nach so eine Reise die beste Schule.

Bei einer zünftigen Neptuntaufe brachte unser Kapitän dem König der Meere einige Opfer, Passagiere und Crewmitglieder wurden sanft "getauft". Die Sonne schien und der Atlantik war  ruhig. Es war meine fünfte Neptuntaufe und so ging ich in die Kabine zum Arbeiten. Louisa blieb bei Freunden draußen. Kurz darauf klopfte es wie wild an meine Kabinentür. Als ich öffne, kam ein bleiches Kind hereingeflitzt und drückte sich an meinen Körper. Außer Atem erzählte Louisa, dass vom den Helfern Neptuns so viele Regeln vorgelesen wurden, dass sie sich die nicht alle merken konnte. "Wer die Regeln nicht befolgt, wird über Bord geworfen, haben die gesagt", berichtete Louisa zitternd. Ich beruhigte sie und erklärte, es käme oft vor, dass Erwachsene etwas sagten, was sie nicht meinten. "Das war Spaß", sagte ich doch von Spaß hatte Louisa andere Vorstellungen.
Den Passagieren jedenfalls hat es gefallen und am Abend fanden selbst wir eine Urkunde über die Taufe auf der Kabine, obwohl  wir nicht daran teilgenommen hatten. Mir gefiel mein Taufnahme "Singende Sardine", aber Louisa ärgerte sich über ihren neuen Titel "Springender Seefrosch." Nun hatte es Neptun endgültig mit ihr verscherzt und ihre Urkunde landete im Papierkorb.

Autorin: Anja K. Fließbach
(Geschrieben am Montag, dem 1. Januar 2007, 22:05 Uhr)

Kommentare zum 9. Beitrag

Hallo Ihr Seefahrer, ich wünsche euch ein gesundes neues Jahr und weiterhin viele schöne Erlebnisse. Liebe Grüße Pit/Papa

Kommentiert von: Peter Drahim | Mittwoch, 3 Januar 2007, 8:38 Uhr

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(Letzte Aktualisierung: 04.01.2007)