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71. Beitrag: "Dicke Luft in Südkorea" (20. März)
Mein roommate in meiner Bostoner Zeit war Koreanerin. Jian schlief immer komplett angekleidet, roch streng und so wie sie roch unser Zimmer. Sie ging acht Uhr abends schlafen und sah den Leuten nie in die Augen, mit denen sie sprach. Am Anfang mochte ich sie gar nicht. Als ich abreisen musste, war sie eine gute Freundin. Wie mit Jian ging es mir jetzt mit ihrem Heimatland - Korea...
http://blog.brigitte.de/.shared/image.html?/photos/uncategorized/2007/03/20/hiroshima_pusan_069.jpg Wir brauchten von Japan nur einen halben Tag und eine Nacht bis wir die Vier - Millionenstadt Pusan erreicht hatten. Der Geruch beim Aussteigen am Hafen erinnerte mich sofort an Jian. Auch die ruhige Reiseleiterin, die über unsere Köpfe hinweg redete, als wären wir nicht da. Die ersten Eindrücke beim Blick aus dem Fenster des Busses: Älter aussehende Häuser als erwartet, Schmutz, Industrieanlagen, Wohnblocks. Die Menschen wirkten nicht sehr freundlich. Kein Lächeln. Kurz gesagt, nach Japan wirkte das Land auf den ersten Blick unsympathisch.
Das erste Thema der Reiseleiterin war dann auch gleich die negative Geschichte des Landes: Kriege und die Trennung zwischen Nord- und Südkorea. Erst waren es die Mongolen und die Chinesen gewesen, die in Korea einfielen, 1910 folgte die Annektierung durch Japan und die Monarchie Koreas (die Yi-Dynastie hatte 500 Jahre geherrscht) wurde gestürzt. Die Reiseleiterin in Pusan war die erste von vielen auf unserer Tour durch Asien, die die Japaner als verhasste Feinde darstellte. "Everybody needs somebody to blame on", heißt das bekannte Sprichwort. In Asien sind das eindeutig die Japaner. Nähere Fragen nach den Gründen auch in den folgenden Tagen ergaben Greultaten schlimmster Art während den 38 Jahren, die Korea Kolonie Japans war. Nach Ende des Zweiten Weltkrieges musste Japan Korea abgeben und das Land wurde geteilt in den von den USA unterstützten Süden und das sozialistische Nordkorea, das von der Sowjetunion gefördert wurde. Wie bei uns die Mauer gibt es auch heute noch in Korea eine Demarkationslinie auf dem 38. Breitengrad. "Es ist die am schwersten bewaffnete Grenze der Welt", verriet uns ein koreanischer Insider später. "Eine Million internationale Soldaten sollen hier stationiert sein", erklärte er. Im Koreakrieg (1950-53) griff Nordkorea an und Südkorea konnte sich mit Hilfe der Alliierten und nach größeren Problemen letztlich verteidigen. "Wir http://blog.brigitte.de/.shared/image.html?/photos/uncategorized/2007/03/20/hiroshima_pusan_052.jpg sind den internationalen Soldaten sehr dankbar", so die Reiseleiterin pflichtschuldig, als sie uns zum UN-Heldenfriedhof führt. Das Waffenstillstandsabkommen wurde am 27. Juli 1953 unterzeichnet. "Aber der Krieg ist nicht wirklich vorbei", erklärt die Frau leise und angespannt. Angespannt, genau - das ist die Stimmung, die ich in Pusan aufnehme. Kein Wunder ob der aktuellen politischen Entwicklung zwischen Nordkorea und den USA. Sie haben Angst, die Südkoreaner... "Ich habe auch Angst", erkläre ich der Reiseleiterin http://blog.brigitte.de/.shared/image.html?/photos/uncategorized/2007/03/20/hiroshima_pusan_063.jpg als wir über den Friedhof laufen. "Und wir sind so viel weiter weg als ihr." Kurz berühre ich die Frau am Arm, genauso kurz schaut sie mir endlich in die Augen.
Auf dem Friedhof liegen 2000 Gefallene des Koreakrieges. Die Fahnen der Länder wehen über den Gräbern, es ist ruhig hier und sauber. Der UN - Heldenfriedhof wird komplett von der UNO finanziert und gepflegt.
Auch auf dem 120 Meter hohen Turm im Yongdusan Park ist es nicht leichter. Die Fahrstuhltür geht auf und augenblicklich fühle ich mich unwohl. Eine Gruppe Koreaner drängt schon in den Fahrstuhl hinein, während wir aussteigen wollen. Sie sind rücksichtslos und hinterlassen eine Wolke dieses schweren, süßlichen Geruchs. Fast will ich mich umdrehen und rufen: "Jian?" Wie sehr man doch Erinnerungen http://blog.brigitte.de/.shared/image.html?/photos/uncategorized/2007/03/20/hiroshima_pusan_066.jpg nicht nur mit Musik, sondern auch mit Geruch verbindet. Der Turm schwankt leicht, die verbliebenen Koreaner unterhalten sich laut und aggressiv in ihrer hohen Tonlage. "Mama, ich will wieder runter", sagt mein Kind augenblicklich und ich schalte den Fotoapparat schon nach dem ersten Bild aus. "Mir ist das auch irgendwie unheimlich", stimme ich zu und wir nehmen sofort den nächsten Fahrstuhl abwärts. Zum Glück - frische Luft.
Weil wir kein koreanisches Geld haben - es lohnt sich für uns wegen der kurzen Aufenthaltsdauer selten, in Landeswährung zu tauschen - zahlen wir ein Eis und eine Cola für umgerechnet einen Euro mit Kreditkarte. Der Verkäufer hätte uns wohl auch ohne diese Sache keines Blickes gewürdigt.
Auf dem Fischmarkt wurde es endlich lockerer. Die taffen Marktfrauen mit ihren Kopftüchern, Schürzen http://blog.brigitte.de/.shared/image.html?/photos/uncategorized/2007/03/20/hiroshima_pusan_088.jpg und den von vielen Jahren Sonne gezeichneten Gesichtern waren, wie so viele Menschen in Asien, begeistert von Louisa. Laut lachten sie, redeten schnell und zeigten auf Louisas blaue Augen und ihre blonden Haare. Große und runde Augen galten http://blog.brigitte.de/.shared/image.html?/photos/uncategorized/2007/03/20/hiroshima_pusan_099.jpgals Schönheitsideal in Asien. Viele Frauen gingen in Südkorea zum Schönheitschirurgen, in Japan und China ebenfalls, um sich die Augenpartie ändern zu lassen. Louisa hatte keine Berührungsängste mit den Frauen und wendete stolz ihre Englischkenntnisse an, die sich so darstellten: "How much?", "Six years", "Germany", "She has no money." und "No!" Die Berührungsängste kamen aber im wahrsten Sinn des Wortes in dem Moment, als die Frauen meinem Kind große Tintenfische in die Hand geben wollten. Ich übernahm diese Mutprobe für meine Tochter. "Igitt!"
Und so waren wir wieder einmal froh, als wir auf unserer ruhigen, freundlichen und sauberen Amadea ankamen, wo es Tintenfische höchstens auf dem Teller gab. Und was mir noch nie vorher so bewusst aufgefallen war - es roch unglaublich gut auf unserem Schiff...
Musiktipp zur Stimmung: Album "Mittelpunkt der Welt", Elements of Crime, Titel "Straßenbahn des Todes"
Anja Fließbach: Dienstag, 20 März 2007, 23:14 Uhr