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47. Beitrag: "Ein Engel" (20. Februar)
Mit ihrem weißen Kleid stand sie an Deck. Hinter ihr der blaue Himmel und das Meer. Über ihr zarte weiße Wölkchen und der kleine Heiligenschein schwebte scheinbar über ihrem Kopf. Ich wusste es seit dem ersten Blick in ihre Augen vor über sechs Jahren - mein Kind ist ein Engel.
Liebevoll und mit viel Mühe hatte die Chefin des Amadea-Show-Ensembles, Beate, Louisas Kostüm gebastelt, sie schön frisiert und ihr einen Hauch Glitzer auf die Haut gegeben. Doch kein Stylist der Welt wäre in der Lage gewesen, diese Augen passend zu dem Kostüm zu kreieren. Mein Kind hatte die großen, blauen Augen eines Engels. Vielleicht war sie ja wirklich einer…
Nun, mit den passenden Flügel und mit echten Federn ausgestattet, begann mein Kind mehr als sonst auf eine besondere Art zu strahlen.
Ich beobachtete sie, wie sie stolz über das Schiff schritt. Huldvoll blickte sie in die Gesichter und wie bei einem Dominospiel, wo ein Stein den anderen anstößt, zauberte sie reihenweise ein Lächeln auf jedes Gesicht. Egal ob Passagier oder Crew, egal ob Mann oder Frau, egal ob uns die Person mochte oder nicht. Jede Miene, so angestrengt, konzentriert oder abwesend sie vorher gewirkt hatte, wurde weich und liebevoll. Was mir auf jeden Fall eine meiner Thesen bestätigte, die ich selbst oft vergesse: Jeder Mensch, egal was für ein Stiesel er oder was für eine Zicke sie auch ist, hatte eine nette Seite. Wer kannte schon die Hintergründe für ihr manchmal unangenehmes Auftreten. Wer machte sich schon die Mühe, zu erfahren, was für Probleme die andere Person vielleicht gerade hatte. Wir sahen nur die direkte Handlung. Ich muss selbstkritisch sagen, dass ich Spitzenreiter war darin, Dinge persönlich zu nehmen und nicht die Situation dahinter zu erfragen.
Mein Kind nun einte alle Menschen an Bord mit einem Band der Liebe. Klingt das dumm? Das klingt wie eine Sekte, wenn ich das selbst noch mal lese. Aber irgendwie entsprach das der Realität. Louisa strahlte diese Liebe aus. Sie hatte diese unvoreingenommene Herzlichkeit, dieses noch fast unverfälschte Vertrauen in die Menschen, das selbst ich mit meinen manchmal unbedachten Kommentaren in ihrer Gegenwart nicht zerstören konnte.
Dieser Engel strahlte eine Güte und ein Verständnis aus für die depperten Erwachsenen um ihn herum, dass es mir fast das Herz brach.
Ich war so dankbar für so viele einmalige gemeinsame Augenblicke hier an Bord. Wenn wir vor dem Schlafengehen an Deck, ganz vorn an der Spitze des Schiffes, unterm Sternenhimmel zusammen tanzten. Wir versuchten das jeden Abend. Barfuss. Nur wir zwei. Einmal hielt mein Kind mitten in der Bewegung inne und umarmte mich: "Mama, du darfst nie sterben", sagte sie aus tiefstem Herzen. Spontan wollte ich sagen, dass ich nie sterben werde. Naja, was einem so spontan in den Kopf kommt eben. Stattdessen war ich mir bei meinen Worten ganz sicher: "Wenn sich jemand so lieb hat wie wir, dann wird er nie wirklich getrennt. Vielleicht sehen wir uns irgendwann nicht mehr, aber im Herzen bin ich immer bei dir." Ich war stolz auf mich. Ich hatte wie immer die Wahrheit gesagt. Das war mir bei allen Menschen und bei meinem Kind ganz besonders wichtig. Trotzdem konnte sich Louisa sicher fühlen. Sie tanzt übrigens gerade in der Kabine, während ich auf dem Balkon schreibe. Sie hat sich im Amadea-Radio den Klassikkanal angeschaltet und hüpft zum Säbeltanz herum. Sie liebt klassische Musik. Das würde sie an die sonntäglichen Mittagessen bei Oma Ina erinnern, wenn es Thüringer Klöße und "leckeren Braten gab, hm."
Louisa mag es, zu essen und sie kocht gern. Kein Wunder, dass sie sich auch gestern als Engel bei den Köchen am wohlsten fühlte. Vielleicht lag es auch an ihren ähnlichen Kostümen. Sorry, so weiß sehen die ja immer aus.
Sie brachte auch den Kellnern das Lächeln und den Rezeptionisten, den Passagieren und dem Kreuzfahrtleiter und - sie schaffte es sogar mit einigen Reiseleitern.
Statt Mittagsschlaf wollte der Engel dann lieber noch eine Runde allein über das Deck gehen. Sie kam wieder erfüllt mit Fröhlichkeit und übersprudelnder Lebensfreude. "Einige haben sich von mir sogar etwas gewünscht", sagte sie. Beim Mittag wollte eine Frau ein Eis und bekam es sofort. "Einer der Kellner wünschte sich von mir, seine Tochter bald wieder zu sehen", berichtete Louisa. "Sie ist erst einen Monat alt. Ich weiß schon, wie ich ihm helfe", sagte mein Kind und malte ein Bild mit einem Baby für den Kellner von den Philippinen. Er weinte als sie es ihm gab. "She lightes up everybodys heart", meinte er. Sie erleuchtet Jedermanns Herz. Stimmt. Mein Herz ganz besonders.
Musiktipp: Titel: "Durch meine Finger rinnt die Zeit", Album: "Mamma Mia" Originalerversion der deutschen Aufführung in Hamburg, Original Broadway Cast
Zitat:
Morgens nimmt sie ihre Tasche und geht zur Schule, winkt noch mal rauf, in Gedanken schon ganz weit. Wenn ich sie dann nicht mehr seh´, kämpf´ ich mit den Tränen, dann ist in mir so viel Traurigkeit. Dann denk ich, irgendwann geht sie für immer. Schon jetzt lebt sie in ihrer eigenen Welt. Wenn wir zusammen lachen, denk ich manchmal, wie gut sie mir gefällt.
Und durch meine Finger rinnt die Zeit, wenn ich die Tage und Momente nur halten könnte, doch durch meine Finger rinnt die Zeit. Morgen schon ist heut´ Vergangenheit. Ich weiß bald wird sie eine Frau sein und ich werd´ grau sein, denn durch meine Finger rinnt die Zeit.
Morgens sitz ich neben ihr und sie ißt ihr Frühstück, noch nicht ganz wach wechseln wir oft kaum ein Wort. Kaum ist sie fort tut´s mir leid und ich fühl´ mich schuldig. Wieder ein Moment verloren und fort. Ich wollt mit ihr so vieles unternehmen, ans Meer fahren, in den Bergen wandern gehen. Doch irgendwie kam meistens was dazwischen, heut kann ich’s nicht verstehen.
Anja Fließbach: Dienstag, 20 Februar 2007, 23:08 Uhr
Kommentare zum 47. Beitrag
Liebe Anja. Heute muss ich dir mal schreiben. Bei einigen deiner Artikel muss ich weinen. Beim "Gottesdienst auf Tahiti", bei "Was soll ich lernen" oder bei "Mein größtes Glück". Mit dem Artikel über deinen kleinen Engel hast du mich nun völlig geschafft. Ich bin selbst Mutter. Du sprichst es aus. Wir alle sollten die Augenblicke mit unseren Kindern viel intensiver nutzen. Du machst es vor.
Deine Cornelia Mann
(Ich bin übrigens ganz in deiner Nähe.)
Kommentiert von: Cornelia Mann | Mittwoch, 21 Februar 2007, 2:17 Uhr
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Hallo Anja,
wieder mal ein wunderschoener Beitrag.
Geniesse diese Zeit solange dein Kind noch klein ist. Es ist die allerbeste Zeit, die schoenste Zeit im Leben, und ja, sie rinnt einem durch die Finger.
Das Zitat am Endes deines Eintrags hat mich spontan an den Tag erinnert, an dem mein Sohn in die Schule kam. Ja, so ist es wirklich. Ich erinnere mich noch. Schaetze dich gluecklich, dass du alles so bewusst lebst, das ist den meisten Menschen nicht gegeben. Die leben einfach in den Tag hinein.
Mein Kind ist jetzt gross, wir stehen uns immer noch sehr nahe, unsere kleine zwei-Personen Familie, aber ich musste irgendwann lernen, loszulassen. Hadere manchmal immer noch damit. Er wird aber ebenfalls lebenslang wunderschoene Erinnerungen haben an all die Dinge, die wir in seiner Kindheit zusammen erlebten und unternahmen (auch wenn keine Weltreisen dabei waren ;)).
Ich glaube, deine Tochter weiss auch heute schon zu schaetzen, was sie an dir hat. Hoffentlich werden ihr die wunderbaren Werte, die sie von dir lernt, nicht kaputt gemacht wenn die Schule und damit verbundene Hirnwaesche ins Spiel kommt. Aber irgendwie glaube ich das nicht, nach allem, was du bisher ueber Louisa berichtet hast. Sie scheint ein inneres Selbstbewusstsein zu haben, von dem mancher Erwachsene sich eine Scheibe abschneiden koennte.
Kommentiert von: HappySingleMom | Mittwoch, 21 Februar 2007, 3:20 Uhr
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Seit ich Kinder habe rennt die Zeit. Kaum geboren, schon groß und auf eigenes Füße. Wir haben Kinder nur auf Zeit. C.
Kommentiert von: C. | Mittwoch, 21 Februar 2007, 4:09 Uhr
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Ein prima Kind - eine tolle Mutter - ein immer wieder überraschender Weblog. Danke.
Kommentiert von: ZA76 | Mittwoch, 21 Februar 2007, 10:28 Uhr
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sehr schoene fotos von euch. zum verlieben. s.
Kommentiert von: S. | Mittwoch, 21 Februar 2007, 11:37 Uhr
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Hallo Anja. Du bist ja eine Vorbild-Mutter. Viel Liebe und Sensibilität für dein Kind, wenn ich deine Disy-homepage anschaue - eine gute Geschäftsfrau (bist du wirklich so streng, wie deine Mitarbeiter dich auf der Seite beschreiben?) - und außerdem eine Genießerin. Tell us, wie geht das? Man.
Kommentiert von: Man. | Mittwoch, 21 Februar 2007, 12:11 Uhr
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Hallo Anja. Du bist ja eine Vorbild-Mutter. Viel Liebe und Sensibilität für dein Kind, wenn ich deine Disy-homepage anschaue - eine gute Geschäftsfrau (bist du wirklich so streng, wie deine Mitarbeiter dich auf der Seite beschreiben?) - und außerdem eine Genießerin. Tell us, wie geht das? Man.
Kommentiert von: Man. | Mittwoch, 21 Februar 2007, 12:11 Uhr
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@Man. - Ja. Sie ist streng. Wehe, wenn einer eine Minute zu spät zur Konferenz erscheint oder man hat den Gesprächspartner nicht erreicht. Eine Geschichte klappt nicht? Jede Geschichte klappt, wenn man nur will. Aber wir lernten alle sehr viel von ihr und es gibt immer wieder neue Disy-Magazine. Leider bin ich nicht mehr dabei. Aber ich profitiere immer noch von der Zeit bei Disy.
Kommentiert von: Jemandderseinenjobliebte | Mittwoch, 21 Februar 2007, 12:21 Uhr
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@Man. Ich habe eine Idee, wie das geht: Ohne den staendigen Stoerfaktor einer "Beziehung" and der Backe, kann man sich eben so richtig ALS MENSCH ENTFALTEN. :)
Kommentiert von: HappySingleMom | Mittwoch, 21 Februar 2007, 12:49 Uhr
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Liebe Anja Fließbach,
Ihr Beitrag ist mir sehr nahe gegangen. Als meine Tochter gerade geboren war, sagte mir eine Freundin, ich solle jeden Augenblick genießen, da unsere Kinder nur etwa 20 Jahre bei uns sein werden. (Sie hat selbst vier, die immer wieder zu ihr kommen.) Meine Tochter und ich haben noch drei Jahre, und ich hoffe, dass sie sich meine Adresse merken wird.
Die Pubertät ist hart. Aber das ist kein Wunder, denn das gar nicht mehr kindliche Wesen will sich lösen. Es wäre bizarr, wenn es immer an Mama kleben würde. Auch ich kenne das innere Heulen, wenn sie zur Schule geht. Dabei sollte ich froh sein, denn sie hatte auch Besorgnis erregende Schwänzperioden. Jetzt hat sie ihre Balance wieder gefunden.
Auch Euch wünsche ich auf jeden Fall eine gute Beziehung, dass Ihr die Pubertät gut meistert, dass die Reisen Euch ein Leben lang verbinden und Ihr immer neue Ziele haben werdet, egal, wie sich die familiäre Situation Ihrer Tochter gestalten wird.
Viele Grüße
von BeatA
Kommentiert von: BeatA | Mittwoch, 21 Februar 2007, 15:32 Uhr
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Hallo Anja,
Wow, deine Tochter kann man nur beneiden. Ich hatte auch eine gluecklich Kindheit, aber meine Eltern haben mich bei Reisen usw. immer "bei Oma" daheim gelassen - schade (obwohl ich natuerlich meine Oma sehr lieb hatte).
Mich wuerde mal interessieren, ob du selbst auch eine gluecklich Kindheit hattest? Oder holst du das, was du verpasst hast, jetzt bei deiner Tochter nach? Versteh mich nicht falsch, ich will dich nicht psychoanalysieren -es interessiert mich einfach. Muss eine so tolle und abenteuerlustige Mutter wie du auch solche Eltern haben?
Kommentiert von: Emma | Mittwoch, 21 Februar 2007, 16:11 Uhr
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Hallo
die Beiträge sind typisch für Geschiedene: ein Kind alles Töchter, wird vergöttert und ist Mannersatz. Später wird dieses Kind es schwer haben, sich in der Gesellschaft zurechtzufinden
Gerd
Kommentiert von: Gerd | Mittwoch, 21 Februar 2007, 22:19 Uhr
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He Gerd. Du hast doch keine Ahnung. So lieblos wie deine Kommentare immer klingen ist es kein Wunder, dass du die Liebe zu den Kindern nicht nachvollziehen kannst. Offensichtlich bist du gefrustet, weil dich eine hat sitzen lassen. Recht hat sie! Man.
Kommentiert von: Man. | Mittwoch, 21 Februar 2007, 23:30 Uhr
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Komischer Opi..
Kommentiert von: HappySingleMom | Donnerstag, 22 Februar 2007, 2:52 Uhr
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"Wer dir deine Flügel stutzt, hat oft die eignen nicht benutzt,
blieb immer nur am Boden und wäre doch so gern geflogen"
Auf dieses Zitat bin ich gerade zufaellig gestossen. (Weiss nicht, von wem es stammt). Ich wollte es Anja und den Lesern dieses Blogs nicht vorenthalten. Hat mich sofort an manche Kommentatoren und aehnliche Kreaturen denken lassen.
Kommentiert von: HappySingleMom | Donnerstag, 22 Februar 2007, 3:11 Uhr
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sorry ????
wieso OPI !!!! es gibt jede menge maenner die GERD heissen !!!!
Opi... wuerde das bestimmt nicht schreiben!!!
erst denken !!!!
Kommentiert von: aki | Donnerstag, 22 Februar 2007, 3:14 Uhr
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Ob das jetzt der Gerd ist, der sich and anderer Stelle Opi nannte oder ein anderer, sei mal dahingestellt. Das Statement von ihm da oben finde ich eine glatte Unverschaemtheit. Doppelt, wenn er wirklich Louisa's Grossvater ist. Ich wuensche mir fuer sie, dass er das nicht ist.
Kommentiert von: HappySingleMom | Donnerstag, 22 Februar 2007, 15:27 Uhr
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Hallo Man
ich bin Vater von zwei Kindern (38/34) und über 40 Jahre verheiratet. Ich bin nicht, wie die heutige Jugend bei dem kleinsten Streit auseinandergelaufen um dann die Leidensmiene aufzusetzen: ich bin alleinerziehend, ihr müßt vor mir knien.
Ich sehe diesen Weblog als Reisebericht von einer wunderschönen Tour auf einem wunderschönen Schiff. Die Vergötterung der Tochter kann dann in der Frauenzeitschrift an anderer Stelle erfolgen.
Gerd
Kommentiert von: Gerd | Samstag, 24 Februar 2007, 19:55 Uhr
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ich nochmal: ich n i c h t der Großvater!!!!
Gerd
Kommentiert von: Gerd | Samstag, 24 Februar 2007, 19:56 Uhr
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(Letzte Aktualisierung: 24.02.2007)