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34. Beitrag: "Meine vielen Männer" (4. Februar)

Gäbe es eine Hitliste der Fragen, die mir auf dem Schiff am meisten gestellt werden, stünden die zum Thema "Männer" ganz oben. "Wo ist denn Ihr Mann?" interessiert die Leute als erstes. "Wie, Sie haben keinen?", kommt als nächstes. Aber Nummer eins ist ungeschlagen: "Ihr Mann ist doch der ..."

Auf so einem Schiff haben die Menschen Zeit. Man sieht sich jeden Tag, beobachtet, spekuliert, klatscht und tratscht. Das Schwatzen über andere Leute ist neben dem Shuffleboard und Bingo wohl die beliebteste Freizeitbeschäftigung der Passagiere. Meine Tochter und ich sind dabei eine lohnende Zielscheibe. Relativ jung, allein und dann das Kind? Das kann nicht sein! Wenn sie dann noch erfahren, dass wir nicht wie sie nach zwei Wochen wieder abreisen, sondern bis zum 1. Mai auf dem Schiff bleiben und die ganze Weltreise mitfahren, ist das Maß voll. Louisa hat eine herzige, unbefangene Art zu erzählen, dass das ja schon unsere zweite Weltreise ist. Dabei kann ich mich königlich amüsieren ob der Mienen, Blicke und offenen Münder. Man kann spüren wie die Köpfe die möglichen Erklärungen durchrattern. Ein Drittel dichtet mir einen reichen und beschäftigten Mann zu Hause an. Der große Rest verheiratet mich mit Männern, die an Bord arbeiten. Vom deutschen Kapitän bis zum indischen IT-Manager, vom französischen Reiseleiter bis zum belgischen Künstlerchef, vom österreichischen Chefkoch bis zum bayrischen Kreuzfahrtleiter war schon alles an Vorschlägen dabei. Nun, wenigstens trauen die Leute mir einen gewissen Geschmack zu. Auf der ersten Weltreise haben mich diese Dinge unglaublich genervt, manchmal auch gekränkt oder verletzt. Heute ist meine Standartantwort: "Gute Idee. Ich werde ihn in meinen Katalog mit aufnehmen."

Allein mit Kind um die Welt? Aus eigener Kraft? Das glaubt kein Mensch. Warum eigentlich? In meinen Augen ist es nun bei unserer zweiten Weltreise schon fast eine Selbstverständlichkeit. Die Reise ist schön, überwältigend und traumhaft – klar. Aber so eine ungewöhnliche Sache, dass keine andere Mutter das allein machen könnte, ist es nicht. Ich hatte auch mal nichts und nun bin ich hier. Und bei mir ist keiner zu Hause vorbei gekommen und hat gefragt: "He, habt ihr zwei Lust auf eine Weltreise zu gehen. Da ist sie, ein Geschenk." Blödsinn!

Die Diskussion über den Beitrag "Danke für alles, Mama." habe ich erwartet. Für einige Menschen ist Kind gleich Krankenschein. Ruhiger treten, zu Hause bleiben, Türen zu. Vielleicht darf man sogar einmal spazieren gehen oder zumindest vom Fenster aus das Leben auf der Straße beobachten. Aber Firmen gründen, Arbeitsplätze schaffen, Partys feiern, auf Weltreise gehen, das Leben genießen – das kann nicht sein! Das darf nicht sein! Das geht doch gar nicht!
Und so kommen zu der Hitliste der Fragen auf dem Schiff: "Wie alt sind Sie überhaupt? Oh 32 und da können Sie beruflich einfach so weg? Oder haben Sie gar keinen Beruf?"
"So eine Kreuzfahrt ist nichts für Kinder. Haben Sie sich das vorher nicht überlegt?"
"Hat das Kind denn keinen Vater?"
"Sagen Sie, haben sie die Reise gewonnen?"
"Können Sie sich das hier überhapt leisten?"

Diplomatische Umschreibungen spielen dabei keine Rolle. Knapp, direkt und mitten ins Herz. Aber wie gesagt, auf unserer zweiten Weltreise bin ich nun schon abgehärtet. Im Gegenteil, wenn ich gut drauf bin (ihr erinnert euch an die emotionalen Auf und Abs), mache ich mir einen Spaß aus der Sache und provoziere auch mal gern. Ich merke genau, wenn ich unter Beobachtung stehe, was auf dem Schiff fast ständig der Fall ist. Dann helfe ich sozusagen dem Animationsteam der "MS Amadea" und gebe Öl in die Flammen der Spekulationen. Das braucht nur ein gemeinsames Gespräch im Gang, ein Tanz oder ein Kaffee in Harry´s Bar sein. So haben die Passagiere neben der Teestunde und der Reling-Gymnastik noch ein
bisschen mehr Spaß und Spannung an Bord.

Musiktipp zur Stimmung: Virginia Jetzt! Album "Anfänger", Titel: "Du musst dahin, wo´s weh tut"
Anja Fließbach: Sonntag, 4 Februar 2007, 22:21 Uhr

Kommentare zum 34. Beitrag

Liebe Anja. Deine Überschrift ist wie so oft recht provozierend. Gerade das mag ich an deinen Artikeln. Du traust dich was! Die Diskussion ob und was du mit deiner Tochter machen kannst/ darfst kann ich nicht verstehen. Heute sollte es doch selbstverständlich sein, dass sich eine Frau auch oder gerade mit einem Kind verwirklichen kann. Man.

Kommentiert von: Man. | Montag, 5 Februar 2007, 2:52 Uhr

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Ist doch eigentlich auch gar nicht nötig, immer alles allein zu machen. Es gibt bestimmt Menschen in deinem Umfeld, die dir gern helfen würden. Lass dich nicht von diesen unmöglichen Leuten fertig machen. Das sind sie doch nicht wert. Bestimmt alte Damen, die nichts besseres zu tun haben, als ihren Frust über ihr eigenes Leben loszuwerden. Bleib wie du bist und mach dir nichts daraus. Sascha

Kommentiert von: Sascha | Montag, 5 Februar 2007, 6:34 Uhr

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Liebe Anja. Wie so oft beschreibst du das Schiffsleben sehr treffend. Ich kenne das sehr gut und kann mir bildlich vorstellen wie sich alle auf dich stürzen. Sicher nicht nur die Passagiere. Die Crew wird auch ihre Freude daran haben, sich über dich auszulassen. Genieße es! Über wen man nicht redet, der ist uninteressant. Die Sache mit den Männern - ich würde dich auch fragen wo dein Mann ist. Die Frage liegt auf der Hand. Dass auf dem Schiff gleich Beziehungen angedichtet werden wenn man nur mal miteinander gesehen wird oder zusammen an Land geht ist normal. Damit musst du leben! Manus

Kommentiert von: Manus | Montag, 5 Februar 2007, 10:16 Uhr

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Ich wollte noch etwas zu Emilies Kommentar auf meinen sagen. Natürlich muss man vertrauen können. Aber die Leute vom Schiff sind abgehärtet. Sie haben viele Freunde und Lieben kommen und gehen sehen. Sie reagieren aus Selbstschutz anders. Ich hatte Anja nur gewarnt, nicht zu viel von den neuen Freunden an Bord zu erwarten. Manus

Kommentiert von: Manus | Montag, 5 Februar 2007, 10:21 Uhr

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Hallo,
ach weißt Du, liebe Anja, ich hab zwar kein Kind und auch noch keine Weltreise gemacht - bin aber schon mehrfach gekreuzfahrtet und auch sonst immer reichlich gereist. Es gibt immer Leute, die leicht neidisch Lottogewinn, ausgehaltene Braut, reichen Mann oder sonstwas vermuten. Daß man einfach arbeitet, fleißig ist, an anderen Dingen spart, können sich viele nicht vorstellen. Ein Freund meinte mal: Die Summe aller Laster ist immer gleich - der eine braucht Sportfelgen - dafür mach ich schon ne Kreuzfahrt....
Genieß einfach, was das Leben Dir bietet.
Wendy

Kommentiert von: Wendy | Montag, 5 Februar 2007, 10:32 Uhr

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@Sascha: Vielleicht WILL sie es ja alleine machen!!! Ich bekomme nicht den Eindruck, dass Anja auf irgend eine Art hilfebeduerftig sei! Ja, geht's noch!!!

Anja, was du von den Leuten beschreibst, ist ja noch schlimmer, als alles, was ich mir vorstellen kann und selbst erlebt habe. Ja, sind wir denn in den 50er Jahren???? Diese Leute haben Angst, weil sie sich selber nichts trauen, ES GEHT UM SIE SELBST WENN SIE SOLCHE BEMERKUNGEN MACHEN, NICHT UM DICH!!! Denke immer daran, vielleicht ist es dann leichter zu ertragen. Hat Louisa schon ein speziell an sie angerichtetes, scheinheilig-freundlich ausfragendes "Ja, wo habt ihr denn den PAPI gelassen?" ueber sich ergehen lassen muessen?? Das arme Kind, so wird an die naechste Generation weitergeleitet, dass es irgendwie FALSCH ist, als Frau allein mit Kind zu sein, dass man BEMITLEIDENSWERT ist wie eine alte Jungfer von anno dazumal. DIE SIND NUR NEIDISCH, SONST NICHTS.
Ich zog meinen Sohn die ersten 12 Jahre seines Lebens in den hinterwaeldlerischen amerikanischen Suedstaaten auf, was man da so Sprueche hoerte, ich sehnte mich manchmal nach dem vermeintlich "liberalen" Deutschland. Aber wenn ich mir heute ansehe -- in den Foren nebenan, in diesem Blog, UND was du von den Leuten auf dem Schiff erzaehlst -- welche Mentalitaet die Deutschen alleinerziehnden Frauen gegenueber haben... da sind ja die Amerikanischen Suedstaaten noch liberal dagegen. Und das will was heissen. Seit 10 Jahren in New York, kann ich an einer Hand abzaehlen, wie oft ich solchen Quatsch gehoert habe. Und das ist inklusive was ich von meiner Familie am Telefon und bei Besuchen in die Ohren gesaeuselt bekomme. Der beste Tag meines Lebens war der Tag, an dem ich Deutschland fuer immer den Ruecken kehrte.

Kommentiert von: HappySingleMom | Montag, 5 Februar 2007, 13:35 Uhr

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Danke für die ehrliche Antwort, dieser Blog hat mir gefallen, sie werden ständig angegriffen und sind verletzt - das kann ich nachvollziehen. Ich gebe nur zu bedenken, dass Personen, die in der Öffentlichkeit stehen (und das machen Sie, wenn Sie Ihr Leben vor einem relativ großen Publikum ausbreiten) eben auch eine große Angriffsfläche bieten, je mehr ich mich öffne, desto mehr wird auch zurückkommen und das kann nicht immer nur positiv sein. Die Kommentare waren keine Angriffe, sondern Anfragen, weil es durchaus vorkommt, dass Kinder in der Nacht aufwachen und auch mal weinen, das machen Kinder so dann und wann (soll vorkommen), deshalb die Idee mit dem Babyphon. Ich bringe es(Babyphon) immer den Nachbarn, wenn ich unterwegs bin. Eine einfache Frage mit recht praktischem Hintergrund ohne böse Absicht. Das ist vielleicht der Nachteil von verletzten Menschen, sie vermuten hinter jedem Kommentar gleich eine Verschwörung. Liebe Leute, man ist doch nicht gleich neidisch, nur weil man eine Frage hat oder auch mal anderer Meinung ist - was geht denn hier ab?
Nichts für ungut, take it easy - Laura.

Kommentiert von: Laura | Montag, 5 Februar 2007, 15:42 Uhr

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(Letzte Aktualisierung: 12.02.2007)