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22. Beitrag: "Der Sturm" (18. Januar)
Diese Überschrift muss sein bei einem Bericht über eine Weltreise auf einem Schiff. Es war schon schlimm, aber noch auszuhalten (Windstärke 8, Seegang 7-8). Aber ich schreibe diese Überschrift lieber jetzt schon, hake das Thema damit ab und hoffe, dass Neptun, Poseidon, Gott und wer immer für den Wind und das Meer verantwortlich ist, das genauso sieht. PS: Sie sahen es nicht so...
Er kam in der Nacht. Ich saß gerade mit Jean-Jaques im TV-Raum, um über einen Notserver meine Artikel zu senden, als es anfing zu schaukeln. Es war gegen zwei Uhr und der seeerfahrene Reiseleiter sagte nur: "Oh, wir bekommen Seegang." Entsprechend torkelnd wankte ich zu meiner Kabine. Auf der letzten Weltreise hatte mir eine Esotherikerin geraten: "Du musst dich dem Schiff hingeben." Was seltsam klang, war so gemeint: Entspannt bleiben, sich den Bewegungen anpassen, nicht dagegen halten und dem Schiff vertrauen. Naja, so gut kannten wir uns nach den ersten drei Wochen noch nicht – das Schiff und ich. Den Bewegungen anpassen konnte man sich nicht wirklich, sonst würde man sich schlingernd und hüpfend mühsam vorwärts kämpfen. "Denk dir Gummi in die Knie", hatte ein Besatzungsmitglied gesagt. Leicht federnd, wie beim Tennis locker den nächsten Schlag erwartend, kam ich voran. Wie nach einer durchfeierten Nacht, fand ich schwankend meine Kabine. Dabei stieß ich jeweils einmal rechts an der Wand im Gang an und einmal links. Immer im Wechsel. Ich war froh, als ich im Bett lag. Wie ich am nächsten Tag erfuhr, hatte der Wind sich zu Stärke 8 aufgebaut, der Seegang betrug 7-8. Das war recht viel. Bei Wellen von der Seite wurde uns schon bei Seegang 4 schlecht. Doch wir hatten Glück. Der Wind pfiff mit über 40 Knoten von schräg vorn. Das Schiff bewegte sich also wie auf einer bergigen Straße auf und ab. Manchmal krachte es laut, die Wände knarrten. Allerdings hatten wir diese Erfahrung auf dem anderen Schiff schon bei viel geringeren Windstärken gehabt. Es kam mir vor, als würde die "MS Amadea" den Seegang gut kompensieren. Hallo Neptun, Poseidon, Gott – ich beschreie nichts. Ich habe nur gesagt, es kommt mir so vor. Ich brauche keinen Gegenbeweis.
Jedenfalls schlief ich erstaunlicherweise recht schnell ein. Mein Vertrauen galt auf jeden Fall unserem Kapitän Werner Detampel.
Am nächsten Morgen weckte uns die Ansage von Kreuzfahrtleiter Christian Adlmaier über Lautsprecher. Er erklärte, dass das Schiff nur mit 14 Knoten fuhr. Ziemlich langsam. Eine Maßnahme, damit das Schiff in den hohen Wellen keinen Schaden nahm. Er kündigte an, dass wir unseren nächsten Hafen in Patagonien, der für den nächsten Tag geplant war, mit erheblicher Verspätung erreichen würden. Aber Wind und Wetter wären besonders in diesen Breiten unkalkulierbare Größen. Warum mussten wir auch ausgerechnet um Kap Horn fahren. Wir hätten so bequem durch den ruhigen Panama-Kanal tuckern können und wären auf diese Weise auch in den Pazifik gekommen. Aber die Passagiere hatten nun gerade diese Passage gebucht, sicher auch wegen des Nervenkitzels. Ich persönlich hätte gern darauf verzichtet, immerhin hatte ich genau dieses Abenteuer auf unserer letzten Weltreise schon erlebt und damals gesagt: "Nie wieder." Nun, ich war wieder hier. Ich hatte die Reise gewählt, weil mir das Schiff so gut gefiel und weil ich die Strecke ab der Südsee sehr interessant fand: Japan, Taiwan, Korea, China, dann die Arabischen Emirate. Aber wie immer im Leben musste man sich die schönen Dinge verdienen. Also Augen zu und drum herum um Kap Horn.
Kleiner Wermutstropfen: Ein paar Stunden nachdem sich der Sturm zumindest für ein paar Stunden beruhigt hatte und wir gerade mit der unangenehmen Dünung kämpften, stoppten die Maschinen des Schiffes plötzlich. Was aber gut funktionierte an Bord waren die Informationen. Der Kreuzfahrtdirektor gab über die Lautsprecher bekannt, dass keinerlei Gefahr bestünde. Es war nur etwas an einer Schraube kaputt und die Maschinen wurden deshalb neu gestartet. Das Problem hatten wir schon nach Salvador de Bahia gehabt und die Schraube war in Rio repariert wurden. "Wir können auch mit einer Schraube fahren", so der Kreuzfahrtdirektor. "Nur nicht so schnell."
Er wünschte allen Seekranken: "Gute Besserung." Ich war froh, dass wir nicht seekrank geworden waren. Aber wie gesagt, lieber Poseidon, Neptun, Gott und wer immer was zu sagen hat, wir waren oft genug auf unserer ersten Weltreise seekrank. Das musste mindestens noch für diese hier reichen.
PS: Da die Beiträge wegen des ab und zu nicht funktionierenden Internetempfangs ein bis zwei Tage zeitversetzt erscheinen, kann ich euch schon jetzt sagen, dass meine Bitten vom oberen Text nicht wirklich geholfen haben. Wir haben Sturm, Sturm, Sturm. Schon seit jener Nacht (mit Ausnahme von Puerto Madryn und dem Golf) hatten wir stängig Wind bis Stärke 10 (ca. 150km/h) und zwölf Meter hohe Wellen. Es ist so zermürbend. Statt an meinem Schreibtisch zu sitzen, würde ich lieber wie die meisten Passagiere im Bett liegen. Andererseits hat mir Arbeit schon in vielen schwierigen Situationen geholfen. Es soll aufhören zu wackeln. Bitte!
Anja Fließbach: Donnerstag, 18 Januar 2007, 21:26 Uhr
Kommentare zum 22. Beitrag
Hallo,
ich kann nur von einem Orkan in der Nordsee vor Norwegen berichten (und lesen ist da gaaaaanz schlecht). Im Grunde hat sich damals rausgestellt, daß ich vergleichsweise seetauglich bin und keine grünliche Farbe annehmen - außerdem auch bei Sturm Hunger habe und essen kann. Sonst: ich hab keine Ahnung, was Dir helfen könnte - Horizont gucken ist aber sicher nicht das Schlechteste! Ich wünsch Dir gutes Wetter - hier stürmts es zwar auch - aber das Schlimmste, was mir passieren kann, ist ein abgedecktes Dach.... auf nem Schiff hat man da ganz andere Gedanken.
Viele Grüße
Wendy
Kommentiert von: Wendy | Donnerstag, 18 Januar 2007, 21:39 Uhr
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So seltsam das klingen mag, aber mir hat immer essen geholfen! Ein gutes Sandwich im Magen oder ein paar Kekse und dann ab ins Bett kuscheln. Sich freuen, dass man nicht mit der Mannschaft draussen ist. Meine Erfahrungen basieren aber auf Segelschiffen (grossen Clippern).
LG und Gute Besserung
Kommentiert von: Emma | Freitag, 19 Januar 2007, 13:34 Uhr
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Liebe Anja. Das klingt nicht gut. Hoffentlich wird das Wetter bald besser. Haltet durch!
Kommentiert von: Sascha | Freitag, 19 Januar 2007, 15:31 Uhr
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(Letzte Aktualisierung: 22.01.2007)