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21. Beitrag: "Es war Sonntag in Uruguay" (18. Januar)
Verflixt, es war ein Sonntag. Schon als ich die Reise gebucht hatte, freute ich mich auf dieses Geschäft in Montevideo. Vor einem reichlichen Jahr hatte ich dort das schönste Kleid der Welt gekauft. Rot, sexy, einmalig. Dieses Mal wollte ich richtig zuschlagen. Einen ganzen Koffer voller Kleider. Aber nein, ausgerechnet an einem Sonntag mussten wir in Uruguay vorbei kommen...
Klingt das nicht völlig verrückt. An einem bestimmten Tag in einem Land vorbei schauen, um Klamotten zu kaufen? Aber so ist das auf einer Weltreise. Wir brauchen noch Wasser? Kaufen wir auf den Kapverden. Turnschuhe für Louisa? Wir warten bis Asien. Ein neues Kleid für die Gala? Unbedingt noch in Südamerika. Ein neues Ladegerät für die Kamera? Singapur, wo sonst. So wie wir auf der Welt ein paar Lieblingsrestaurants hatten, gab es auch ein paar Geschäfte oder Leute, die wir treffen würden, falls wir dort mal wieder vorbei kamen. Wie ihr seht, ist es kein Wunder, dass Leute vom Schiff sich nur schwer wieder ans Land gewöhnen können. Das Schiffsleben ist eine verrückte Welt, die normal zu sein scheint.
Da es nun eben ein Sonntag war, an dem wir in Montevideo, der Hauptstadt von Uruguay, ankamen, widmeten wir uns eben der Stadt, statt dem Shopping.
Uruguay liegt zwischen den großen Ländern Brasilien und Argentinien und so waren wir nur eine Nacht von Buenos Aires unterwegs gewesen. Uruguay ist mit 176.000 qkm das zweitkleinste Land Südamerikas (das kleinste ist Surinam) und gehörte bis 1776 zum spanischen Vizekönigreich Peru, überstand nach der Unabhängigkeit Bürgerkriege und Militärdiktaturen. Heute ist es eine Republik.
Montevideo selbst ist eine moderne, europäisch anmutende Großstadt mit der höchsten Bildungs- und der niedrigsten Kriminalitätsrate Südamerikas. Von der Plaza Independencia aus spazieren wir an Springbrunnen, Unabhängigkeitsdenkmalen und kolonialen Bauten vorbei, schauen, genießen und gönnen uns eine kühle Limonade. Nein, wir gehen nicht an meinem Lieblingsgeschäft vorbei. Nach Uruguay gekommen, um vor einer verschlossenen Tür zu stehen?
Vielmehr bewundern wir das Reiterstandbild des Nationalhelden José Gervasio Artigas und ich erzähle Louisa nicht, dass er selbst im Mausoleum darunter liegt. Das laut Reiseführer hässlichste Gebäude Südamerikas steht ein paar Ecken weiter. Es ist der Palacia Salvo und wir finden es nicht so schlimm. Wir schauen uns noch den Brunnen der Freiheit auf der Plaza Sarandhi an und die Kathedrale der Iglesia Matriz mit den Gräbern einiger Generäle und das war es auch schon weitestgehend mit den Sehenswürdigkeiten in Montevideo. Ich sage doch, es ist eine Stadt zum Shopping. Eben nur nicht sonntags…
Also legt die "MS Amadea" auch schon planmäßig um 14 Uhr ab. Bemerkenswert ist wieder die Ausfahrt. Der Kreuzfahrtleiter erzählt über Lautsprecher Wissenswertes über das Land, den Hafen und auch das Frack des Panzerkreuzers "Graf Spee", der hier 1939 auf einer Kaperfahrt leck geschossen wurde. Viele Mitglieder der Mannschaft der "Graf Spee" setzten sich nach Argentinien ab. Die Nachkommen leben heute noch in einem Ort mit dem Namen Villa General Belgrano.
Wir fahren den Rio de la Plata entlang, den die ersten Spanier "Silberfluss" tauften. Es ist die große Mündungsbucht des Rio Uruguay und des Rio Parana. Die Spanier hofften, über diesen Fluss bequem ins Silberland zu kommen, wie sie Argentinien tauften (argentum ist lateinisch für Silber). Ein Entdecker des Flusses dachte, der Rio de la Plata sei ein Meer. Da er aber kaum Salzwasser führte, nannte er es "Süßes Meer". Die trichterförmige Flussmündung ist durch Ebbe und Flut beeinflusst und hat etwa bis Montevideo Süßwasser, das zum Meer hin salzig wird. Wir fahren an Punta del Este vorbei, dem noblen Ferienort von Uruguay. Wir sehen die Hochhäuser. Die Ufer des Rio de la Plata sind hier 200 km weit auseinander. Riesig. Dafür ist der Fluss flach, zwischen fünf und 25 Meter tief. Das Wasser ist schmutzig und schlammig. Die Wege für die Schiffe müssen ständig freigebaggert werden. Es gibt viele unangenehme Insekten. Bei der Einfahrt über den Fluss Richtung Buenos Aires in der vorletzten Nacht hatten wir ein wahres Horrorszenario an Deck. Zahlreiche schwarze Käfer, große Heuschrecken und eigenartige Flugobjekte attackierten die nächtlichen Pool-Bar-Besucher. "Das ist wie im Amazonas", berichtete ein Reiseleiter, der es dort schon erlebt hatte. "Die Scheiben. Alles schwarz."
Schwarz. So hätte eines meiner neuen Kleider sein sollen, die ich in Montevideo kaufen wollte. Nächstes Mal. Falls es nicht gerade wieder ein Sonntag sein wird.
PS: Jetzt ist es Nacht und wir haben Sturm. Bis Windstärke 10 und Wellen zwischen 6 und 9 Meter. Das macht keinen Spaß. Drückt uns die Daumen, dass es besser wird.
Anja Fließbach: Donnerstag, 18 Januar 2007, 4:02 Uhr
Kommentare zum 21. Beitrag
Hallo Anja,
Gibt es denn in Uruguay nichts anderes Interessantes als Shopping? Ich kenne mich mit diesem Land gar nicht aus. Was hat es landschaftlich zu bieten?
Kommentiert von: Emma | Donnerstag, 18 Januar 2007, 14:36 Uhr
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Hallo Anja. Ich hatte dir Fragen an den Kapitän geschickt. Wann wirst du das Interview mit ihm machen? Gruß
Kommentiert von: Sascha | Donnerstag, 18 Januar 2007, 15:51 Uhr
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Liebe Emma,
Uruguay ist ein kleines Land im Süden von Lateinamerika zwischen Brasilien und Argentinien. Karl May hat über den Rio de la Plata geschrieben und wenn man seine Bücher liest, kann man sich ein Bild machen von dem Land an seinem Ufer. Touristisch gesehen spielt Uruguay keine Rolle, landschaftlich ähnelt es dem Süden von Argentinien. Es gibt schöne Strände, große Palmenwälder und im Hinterland viele Estancias mit ihren großen Weiden und Rinderherden. Solch eine Estancia haben wir von Puerto Madryn aus besucht und ich werde mehr dazu morgen oder übermorgen schreiben. Uruguay ist 176.000qkm groß. Im Süden sieht es aus wie in der argentinischen Pampalandschaft, also trocken, sandig und mit kleinen Büschen. Im Norden reichen die brasilianischen Berge bis nach Uruguay herein.
Natürlich hat jedes Land viel mehr zu bieten, als ich beschreiben kann. Meistens suche ich mir ein Thema als "roten Faden" und versuche so viel wie möglich in diese Beiträge reinzupacken. Es wird aber hier bei Brigitte und während der Weltreise immer nur ein Ausschnitt sein können. Manchmal sind wir nur einen Tag in einem Land und dann schon wieder im nächsten. Danke für dein Verständnis. Anja
Kommentiert von: Anja K. Fließbach | Donnerstag, 18 Januar 2007, 18:13 Uhr
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Hallo Sascha,
der Kapitän hat versprochen, alle Fragen zu beantworten. Allerdings fahren wir seit einigen Tagen bei sehr schwerer See, Stürmen und hohen Wellen. Da ist er Tag und Nacht hoch konzentriert auf der Brücke und hat verständlicherweise für nichts anderes Zeit. Wenn ich aus dem Fenster schaue: dunkel, peitschender Regen, riesige Wellen mit Schaumkronen und ein Horizont, der ab und an auftaucht, bin ich sehr froh, dass der Kapitän sich um nichts anderes kümmert.
Also sammelt noch ein paar Fragen und ich verspreche, sie werden beantwortet.
Kommentiert von: Anja K. Fließbach | Donnerstag, 18 Januar 2007, 18:20 Uhr
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Hallo Anja,
meintest Du jetzt den Frack vom Grafen Spee oder das Wrack des Panzerkreuzers? grübel!
Dekada
Kommentiert von: Dekada | Freitag, 19 Januar 2007, 15:03 Uhr
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Hey Dekada. Schreib du mal bei Windstärke 10. Das ist bestimmt nicht witzig. Gruß
Kommentiert von: Sascha | Freitag, 19 Januar 2007, 21:23 Uhr
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(Letzte Aktualisierung: 22.01.2007)