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137. Beitrag: "Wieder eingelebt – Letzter Beitrag, Teil 1" (20. Juni)

Gestern habe ich mir von meinem Freund Gerhard Golze ein Cabrio geholt. Erstmal geliehen, doch ich werde es wahrscheinlich leasen. Gerhard ist Chef eines Autohauses und meint, der Fahrtwind hätte etwas vom Wind auf See. Mit ganz viel Fantasie... Was es mir aber auf jeden Fall gibt: Ein kleines Stückchen Freiheit...

Man ist nicht so eingeengt in einer Fahrerkabine oder heißt das Fahrerhaus oder Fahrgastkabine? Jedenfalls ist man nicht immer nur drin, sondern bekommt zumindest zwischen den Terminen etwas mit von der Sonne und dem Leben um einen herum. Laut Musik hören kann man auch, allerdings muss ich meinen, den Stimmungen unterliegenden, Musikgeschmack sehr bremsen. Nicht alle Leute in den Nachbarautos, an den Haltestellen und auf den Gehwegen mögen "Rammstein" oder französische Musicals. Als Louisa mitgefahren ist, haben wir "Wir wollen Sonne" von Rolf Zuckowski gespielt und laut mitgesungen. Als ich dann gestern Abend zu einem Vortrag von Motivationstrainer Jörg Löhr gefahren bin (der "Bund der Mittelständischen Wirtschaft" hatte eingeladen), haben meine Art-Direktorin und Freundin Anke und ich das Lied auch noch laut gesungen. Das machte im Kostüm und dann im Stau zwischen den Anzugträgern, die auch auf dem Weg zum Vortrag waren, wirklich Spaß. Freiheit eben... "Wir wollen Sonne."

Der Abend mit Jörg Löhr, der als einer der besten Motivationstrainer der Welt gilt und schon Jürgen Klinsmann und die Nationalmannschaft vor der WM beraten hat, war sehr zündend. "Raus aus der Komfortzone", rief er ins Publikum. "Draußen ist der wilde Spaß!" Erklärend meinte er: "Die Komfortzone kann nach einer gewissen Zeit zur Komfortfalle werden. Man wird träge, hängt an Gewohntem und kann nicht wachsen." Er hat uns 72 Stunden Zeit gegeben, in unserem Leben gravierende Veränderungen vorzunehmen. "Wer nach einem Entschluss länger wartet, schafft es nie." Wow - 24 Stunden sind schon vorbei... Den "Wow-Effekt" stellte der Motivationstrainer übrigens als Basiselement für Erfolg und Zufriedenheit dar. Wer keine Situationen mehr hat, bei denen er und seine Geschäftpartner oder Mitmenschen "Wow" sagen können, hat "verloren".

Nach diesem Vortrag wusste ich wieder, warum ich in den letzten Monaten so viel Kraft und Mühe in diesen Blog gesteckt habe. "Man muss für eine Sache brennen", hatte Löhr gerufen. "Nur dann kann man bei anderen ein Feuer entfachen."

Nun, ich habe "gebrannt" für dieses Schiff, für diese Reise, für einige Menschen auf dem Schiff. Vielleicht habe ich dieses Feuer auch in einigen Lesern entfachen können. Ich "brenne" immer noch für die Ferne, die Freiheit, das Leben, fremde Länder. Aber ich "brenne" natürlich auch für meine Zeitschriften und für mein Kind. Ich bin wie das Tau beim Tauziehen und zerre selbst an beiden Enden. Und dabei bin ich bei beiden Richtungen äußerst motiviert. Was nun, Herr Löhr?

Als mir Gerhard Golze jedenfalls heute einen Leasingvertrag für das Cabrio mit einer Laufzeit von vier Jahren vorlegte, habe ich fast keine Luft mehr bekommen. Vier Jahre? Was weiß denn ich, was in vier Jahren sein wird? Oder in drei Jahren? Oder zwei? Oder in zwei Monaten? Wer weiß, wo ich dann bin? Ob ich reich oder bettelarm sein werde, ob ich dann auf Cabrios, Motorräder oder Kleinbusse stehe, ob ich für meine zwei weiteren Kinder ein größeres Auto nehmen sollte oder mit Louisa noch im Zweisitzer unterwegs bin. Vielleicht leben wir auch auf einem Riesenkreuzfahrtschiff mit Privatschule oder in Argentinien, Österreich oder wo auch immer. Vier Jahre? Festlegen auf vier Jahre? Trotz aller Vernunft: NEIN! Selbst Jörg Löhr war der Meinung, dass Flexibilität in den Zeiten des ständigen Wandels absolut nötig ist.

Wandel, Flexibilität und Motivation - wohin mit den Begriffen, wenn man demnächst durch die Schule örtlich gebunden ist. Entweder sich noch vorher wandeln oder aber das wandeln, was vor Ort geht. Momentan bringen wir gleichzeitig drei neue Magazine auf den Markt. Warum nicht nacheinander? Weil es mir hier sonst zu langweilig ist! Das "Schiff" hier fährt nämlich nicht. Jeden Tag die gleichen Leute, das gleiche Büro, die gleiche Stadt. Ich muss wirbeln, um nicht auf dem Trockenen sitzen zu bleiben.

Wobei wir ja in Dresden die Elbe haben und die Dampfer der "Sächsischen Dampfschiffahrt". Der Chef, Michael Lohnherr, hatte mich anlässlich des Dixieland Festivals zur Dampferparade eingeladen. Da saß ich nun auf dem Schiff und schaute auf die Skyline von Dresden, die übrigens sehr schön ist. Das sind die Schiffe auch. Nur eben alles etwas kleiner. Bescheidender.

So wie auch unser Lieblingshotel in Oberbärenburg, wo wir am Wochenende wieder waren. Klein und bescheiden. Aber mit einem idyllischen Weitblick aus den Zimmern unter dem Dach. Louisa hat unsere Zimmer ständig Kabine genannt und sentimental ihren Badeanzug gestreichelt: "Den hatte ich das letzte Mal auf der Amadea an." In solchen Momenten kommt immer die Frage: "Mama, wann werden wir wieder auf der Amadea sein?" Sie würde das Schiff, besonders aber ihre Freunde, vermissen. Die Kellnerin des Hotels hat mich übrigens auf die Weltreise angesprochen. "Ich habe sie so beneidet", sagte sie in einem ehrlichen und freundlichen Ton. "So etwas würde ich auch gern mal erleben.“ Und schwupps, waren wir wieder drin in der Diskussion á la "Schon mal den Telefonhörer in die Hand genommen"? Gute Kellner werden auf Schiffen immer gesucht. Besonders in den mittleren Führungsebenen scheint es manchmal Defizite zu geben.

Am Abend, als Louisa geschlafen hat, habe ich es mir wie immer im Fenster gemütlich gemacht und den Sternenhimmel, die Aussicht und auch ein wenig die Wehmut genossen. Endlich hatte ich mal wieder Zeit für meinen MP3 und die Musik. Aber offensichtlich bin ich doch noch nicht wieder stark genug für "meine Musik". Die Wehmut schlug in Traurigkeit und diese fast in Trauer um. Fit für Pausen bin ich wohl noch nicht, aber für einen stressigen Alltag reicht es schon. Also: Wieder eingelebt.

Als nächster und letzter Teil: "Good bye, Freunde" - in den nächsten Tagen in diesem Blog.


"Amadea" - Zitat des Tages: "Das Leben eines anderen Menschen mit Zuversicht erfüllen, heißt doppelt leben" William C. Chandler

Anja Fließbach: Mittwoch, 20 Juni 2007, 23:48 Uhr