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135. Beitrag: "Die Geheimnisse der Amadea" (7. Juni)

Eigentlich sollte der heutige Eintrag der gestrige sein und der gestrige Eintrag war gar nicht geplant. Manchmal beginne ich mit einem Thema und dann machen sich meine Finger auf der Tastatur selbstständig. Normalerweise werden das dann die besten Texte und es sind immer solche, bei denen ich am nächsten Tag nur mit Perücke und Maske auf dem Schiff herum schleichen konnte. Dabei wollte ich euch gestern eigentlich über andere Geheimnisse erzählen. So zum Beispiel über den Küchenchef...

Aber dann kommt eben mal plötzlich ein Text über die "Freie Liebe" heraus. Am nächsten Tag haut man sich dann mit der flachen Hand gegen die Stirn. In solchen Fällen muss ich dann immer über mich selbst lachen. Nach dem Motto: "Was hat sie denn da wieder angestellt?" Lasst uns diesen Eintrag nun also als "Die Geheimnisse der Amadea, Teil 2" ansehen. Eine Fortsetzung von gestern. Oder der eigentliche Text von gestern. Wie auch immer.

Also zurück zum Küchenchef. Viele Mitglieder der Crew haben Vorleben oder Nebenleben. Auf dem Schiff arbeiten sie seriös und fleißig in ihren Jobs und man baut ein bestimmtes Bild von ihnen auf. Mein Bild vom neuen Küchenchef war lange: Ruhig, zurückhaltend, nett. Was er auch alles ist. Aber erstaunt war ich, als mir Wolfgang Hertle von seinem eigentlichen Leben erzählte. Eines Tages ist er aus Deutschland ausgewandert (wie so viele auf dem Schiff), nahm sich eine Wohnung auf Gran Canaria und eröffnete mit zwei Freunden eine Tauchschule. Wenn er also nicht auf dem Schiff ernsthaft und beflissen mehr als 50 Köche beaufsichtigt, Menüs plant und beim Kapitänsempfang kerzengerade auf der Bühne steht, ist er Tauchlehrer. Auch andere Crew-Mitglieder sind zwischen ihren Verträgen in völlig anderen Rollen als auf dem Schiff tätig. So erfährt man Wochen später, dass der indische IT - Manager eigentlich im Filmgeschäft arbeitet, dass der Kreuzfahrtleiter ein Haus in Sri Lanka hat, der Chief Purser auf Thailand residiert und der Kapitän in Florida lebt. Es ist überhaupt sehr interessant zu erfahren, für welches Land sich Schiffsleute entscheiden, denen doch die ganze Welt offen steht. Viele, die die Welt so intensiv kennen gelernt haben, verlassen Deutschland. Florida, Gran Canaria, Thailand, Sri Lanka - die Sonne hat offensichtlich einen großen Einfluss auf die Wahl des Wohnortes.

Was für Geheimnisse gibt es noch? Viel mehr, als ich hier schreiben werde - natürlich. Und noch viel mehr, als ich weiß - natürlich. Manchmal kam ich mir auf dem Schiff vor wie Agatha Christie, die ruhig und beobachtend knifflige Fälle löste.  Ein solcher Fall war zum Beispiel der des Puzzle-Mörders. Bis zum Schluss machte uns dieses Geheimnis verrückt: Wer war es, der immer heimlich nachts das Puzzle auf Deck 9 zerstörte? Da saßen fleißige Leute stundenlang an einem Puzzle so groß wie ein Tisch, tüfteln, überlegten und setzten mühsam Teil für Teil zusammen. Natürlich wurde das Puzzle nie an einem Tag fertig. Aber was passierte über Nacht? Alles kaputt. Ein Fall, der bis zuletzt ungelöst blieb. Oder wie kam es, dass manche Passagiere schon im Bus ganz vorn saßen, wenn die geordnete Gruppe offiziell zum Einstieg gebeten wurde. Wie waren die dahin gekommen? Oder welche starke Kraft bewegte die Uhren auf dem Schiff unterschiedlich schnell? War es auf Deck 5 um sechs Uhr, war es auf Deck 6 schon fünf Minuten später, auf Deck 7 zwei Minuten eher, auf Deck 8... Mysteriöse Vorkommnisse. Oder wer klaute immer die Tomaten vom Buffet? Alles gab es im Überfluss, nur die Tomaten... Die waren immer weg.

Natürlich gab es auch ernsthafte Geheimnisse und echte Todesfälle an Bord. Aber ich will den kritischen Kommentatoren nicht die letzte Puste auf der Zielgeraden nehmen. Sie sollen es doch mit mir gemeinsam noch bis zum letzten Eintrag schaffen. Der nächste wird der letzte sein.

Amadea-Spruch des Tages: "Es ist unmöglich, Staub aufzuwirbeln, ohne dass einige Leute husten." Erwin Piscator

Anja Fließbach: Donnerstag, 7 Juni 2007, 21:19 Uhr