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128. Beitrag: "Das Wiedersehen" (27. Mai)
Na, wartet ihr schon auf ein Lebenszeichen von mir? Hier ist es: Ich lebe. Unser Amadea - Besuch war am Donnerstag und ich habe bis heute, Sonntag, gebraucht, um den Tag zu verarbeiten. Es war weder schlimm, noch toll, nicht dramatisch, für mich nicht traurig, nicht lustig - irgendwie total normal und gerade das war unnormal...
Wir sind am Mittwoch losgefahren und Anke und Louisa haben sich wie Schneekönige auf die Amadea gefreut. Ich war schon bei der Anreise sehr entspannt und gespannt. Gespannt darauf, wie ich reagieren würde und wie sich die Rückkehr auf unser Traumschiff nach drei Wochen anfühlen würde.
Wir fuhren bis Hamburg, brachten unser Gepäck in mein Lieblingshotel am Wall und genossen die Stadt. Ich mag Hamburg sehr. Die Reservierung für "Mamma Mia" hatten wir auf den Mittwoch umgelegt, damit wir am Donnerstag die Amadea am Abend doch auslaufen sehen konnten. Das Musical war toll und Louisa stand die ganze Zeit auf den Vordersitz gebeugt, um dem Geschehen so nahe wie möglich zu sein. Die Geschichte ähnelte meiner: Donna, die fleißige Geschäftsfrau, die ihr Kind allein großzieht, sich müht, trotzdem genießt und stolz darauf ist, wie sich ihr Kind entwickelt hat. Bei "Durch meine Finger rinnt die Zeit" und "Der Sieger hat die Wahl" habe ich natürlich leise geheult. Auf der CD ist das okay. Aber es ergreift einen zwangläufig, wenn die Hauptdarstellerin voller Inbrunst erzählt: "Ich will nichts mehr hör´n. Nicht mehr drüber reden. Tut es mir auch weh, aus der Traum, ich geh. Jede Chance verspielt. Jeder Trumpf vergeben. Nirgends mehr ein Ass, ich seh´s ein und pass. Der Sieger hat die Wahl. Dem Looser bleibt die Qual. Der eine nimmt und strahlt und der andre zahlt." Das Publikum tobte während der Zugaben, meine Tochter tanzte und sang laut mit - es war der perfekte Einstieg für unsere Wiederbegegnung mit der Amadea.
Am nächsten Tag fuhren wir mit dem Zug nach Bremen, mit einem anderen nach Bremerhaven und dann mit dem Taxi zum Cruise Terminal. Wir waren gerade ausgestiegen, da ging der Begrüßungsreigen schon los. Vor dem Terminal kam uns Sous-Chef Christian und Headwaiter Manuela entgegen. War das eine Freude. Sie gingen in ihren Urlaub und hatten die kleinen Bonsai-Bäumchen dabei, die ich eben noch in Shanghai gesehen hatte. He, lag da überhaupt eine Zeitspanne dazwischen? Die vergangenen Wochen schienen dahin zu schmelzen. "Schau mal dort oben", rief Louisa und begann zu hüpfen. Ihr Künstler-Freund Duane winkte und es entwickelte sich bei Louisa eine Euphorie, die sich bei jedem Freund, dem wir begegneten, steigerte. Sie war glücklich und völlig aufgedreht. Unsere Freundin Anke war recht still und traurig. Ihr fehlte die Beziehung zu den Leuten, weil sie schon im Januar ausgestiegen war. Aber ihr machte die Begegnung mit dem Schiff zu schaffen. Sie liebte die Amadea, so wie wir, und sie kämpfte mit den Tränen. Und ich? Keine Ahnung! Es war - nett. So wie ich meine Emotionen beobachten wollte, so wollte ich auch ein Gesamtgefühl von den Leuten bekommen, Ex-Freunde, Freunde, Bekannte. Wie würden sie beim Wiedersehen reagieren und wie würde es sich für mich anfühlen. Grundsätzlich fühlte es sich richtig gut an und bis auf eine Ausnahme schienen sich alle sehr über uns bzw. über mein Kind zu freuen. Selbst die Reiseleiter hatten sich einen Hauch Professionalität zugelegt, denn sie waren sehr freundlich und Louisa gegenüber wirklich herzlich. Aber wer konnte der überschäumenden Freude meines Kindes auch widerstehen, die den ganzen Tag nicht eher Ruhe gab, bis sie wirklich alle Bekannten in ihre Arme geschlossen hatte. "Ich habe die alle so vermisst", sagte sie immer wieder. Trotzdem kann die Herzlichkeit von vielen Freunden nicht über die Kälte des besten Freundes hinweghelfen. Ich war nicht dabei, aber Louisa hat es mir unter Tränen erzählt. Vielleicht ist das der Nachteil, wenn ein Kind viel mit Erwachsenen zusammen ist. Wenn sich ein Kind so verhält wie ihr Freund, kann man abschwächend sagen: "Das ist ein Kind." Aber wenn sich ein Erwachsener wie ein Kind benimmt, bleiben die Erklärungsversuche stecken. Ach, wenn doch nur alle Menschen bewusst und einigermaßen sensibel mit zarten Kinderseelen umgehen würden.
Louisa erzählte mir über die Begegnung erst bei der Rückfahrt im Zug. So genossen wir noch den Tag. Wir waren acht Stunden auf dem Schiff und die Zeit verging schnell. Wir aßen Mittag im Restaurant - wie immer. Louisa badete im Pool - wie immer. Anke und ich standen an der Reling und schauten aufs Meer - wie immer. Wir spazierten über Deck 11 und standen dann an der Spitze - wie immer. Als Anke wieder traurig wurde, meinte mein Kind: "Freu dich doch, dass wir wenigstens ein paar Stunden hier sein können." Dann saßen wir mit dem Hoteldirektor in Harry´s Bar - wie immer. Dann saßen wir mit eine ganzen Gruppe von Künstlern in Harry´s Bar - wie immer. Und Friseurin Sandra (sie war auch zu Besuch) inspizierte sofort meine neue Frisur - wie immer.
Nur als die Amadea ablegte, als die Auslaufmelodie erklang und sich die Passagiere zur Party an Deck trafen, war es nicht wie immer. Wir waren auf der anderen Seite. Für Louisa und Anke war es eindeutig die falsche Seite, denn sie schluchzten herzzerreißend. Und für mich? Keine Ahnung. Irgendwie nichts. Ich sah das Auslaufen der Amadea das erste Mal in meinem Leben vom Land aus. Ich sah, wie sich das Schiff von mir entfernte, wie es im Abendlicht kleiner wurde und allmählich aus meinem Blickfeld verschwand. Es war mir bewusst: Selbst wenn ich jetzt an Bord wäre, wäre es wegen der veränderten Zusammensetzung der Leute nie mehr so, wie es war. Vergangenes ließ sich nicht zurückholen. Und es war besser, das zu akzeptieren.
PS: Der Termin, den ich an Bord hatte, war sehr erfolgreich. Unter anderem habe ich abgesprochen, dass wie unsere Blog - Party an Bord durchführen können. Na, wie ist das? Morgen schreibe ich: Wie, wann, was und natürlich wie ihr euch anmelden könnt.
Anja Fließbach: Sonntag, 27 Mai 2007, 19:45 Uhr