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119. Beitrag: "Stolze Araber in Qatar" (13. Mai)

Es war wie bei den Menschen - manche der Pferde waren stolz und hoben arrogant den Kopf, andere gingen scheu einen Schritt zurück, wenn man sich ihnen näherte, andere schnaubten vor Entrüstung oder warfen ihren Mähnen selbstbewusst zurück, einige wirkten geheimnisvoll und unberechenbar und eines hätten wir am liebsten gleich mitgenommen...
Es schaute Louisa freundlich, fast liebevoll an. Es war ein Moment des gegenseitigen Vertrauens und Louisa ging auf das große Pferd zu und streichelte es am Kopf. Es blickte mit seinen schönen Augen in die meines Kindes und man spürte eine Verbindung. Eines von rund 200 Pferden in der Araber - Zucht in Qatar (oder Katar, wie es in deutschen Reiseprospekten und Informationen steht).
Wieder einmal bestätigte sich die Erkenntnis dieser Reise, es war immer besser, ohne Erwartungen an ein neues Land heranzugehen. Von Qatar wusste ich nur aus den Nachrichten über die militärische Verbindung zwischen dem Wüstenstaat und den USA - und beim Besuch erschloss sich uns ein beeindruckendes Land. Vom US Militär wurden wir nur insofern beeinflusst, als dass die Einreise sich als sehr schwierig darstellte. Lange Schlangen vor der Passkontrolle, alle Daten wurden eingelesen (die Computer mit arabischer Schrift und Formularen von rechte nach links faszinierten mich), vor dem Start der Busse wurden noch mal die Einreisestempel in den Pässen kontrolliert und die Reiseleiter durften erst außerhalb des Hafens einsteigen. Es war ein Student für Tourismusmanagment und entsprechend flippig zeigte er uns seine Heimatstadt Doha. "Unser Land ist sehr reich", begann er. "Einheimische bekommen hier von der Regierung ein Haus geschenkt und monatlich erhalten sie 3000 US Dollar", erklärte er. Die anderen Passagiere zeigten sich beeindruckt und obwohl ich schon viel über die Freigiebigkeit der arabischen Scheichs und Sultane gehört hatte, musste ich lächeln.
In der Araberzucht aber erfüllten sich die Vorstellungen vom arabischen Reichtum. Jede Pferdebox war klimatisiert, die ganze Anlage wirkte eher wie ein luxuriöser Golfclub mit englischem Rasen und Spiegelglas. Bisher hatte ich noch nicht viel mit Pferden zu tun gehabt, war nur einmal im Indian Summer von meiner Freundin Sophie zu einem Ritt durch die Wälder von Main überredet worden. Das war schön, aber der Wunsch der Widerholung lag mir fern. Bei diesen schönen Pferden aber änderte ich meine Meinung. Das typische an einem Araberpferd, so erfuhren wir, sei der schlanke Hals, der relativ kurze Rücken (die arabischen Pferde haben einen Wirbelknochen weniger als die europäischen), der kleine Kopf mit einer breiten Stirn und - das hatten wir nun selbst schon erfahren - die ausdrucksstarken Augen. Pferde werden in islamischen Ländern sehr geachtet. Selbst der Koran erzählt, Gott habe das Pferd aus Wind geschaffen, Glück in die Mähne geflochten, damit es ohne Flügel fliegen könne und das edelste unter allen Tieren würde. Kaum ein Herrscher in der arabischen Welt, der nicht selbst Pferde besitzt, welche züchtet und damit handelt.
Auch das Kamel ist in Ländern wir Qatar, aber auch im Oman und in den Vereinigten Arabischen Emiraten vom Arbeits- und Transporttier zum begehrten Zuchtobjekt geworden. Für ein gutes Rennkamel muss man bis zu 150 000 Euro hinblättern. Weniger elitäre Kamele sehen wir auf dem Kamelmarkt in Qatar. Die Tiere hier werden eher wegen der Kamelmilch gekauft oder wegen des Fleisches. Es ist heiß und trocken. Kaum auszuhalten. Meine Frage nach den Kinderjockeys, die angeblich in Ländern wie Pakistan gekauft und zum Rennen gezwungen werden, wiegelt der studentische Reiseleiter ab. "Das gibt es in Qatar nicht. Wir haben schon die kleinen Roboter, die die Kamele reiten und die auch in den Emiraten eingeführt werden", sagt er und lacht. Schwierig, wenn man nicht weiß, wann man einen Reiseführer ernst nehmen kann oder nicht. Dafür kauft er uns am nächsten Stand Cola, Wasser und Snacks. Er will mein Geld nicht. "Ich bin reich", erklärt er und lacht. Die Reiseführung sei nur eine Ergänzung zum Studium.
Die Gäste wollen Souvenirs kaufen und der Student fährt uns zu einem Basar. Zwanzig Minuten Zeit. Für  mich ideal, weil ich unter Zeitdruck am besten handeln kann. Mit dem Geldschein in der Hand und dem Blick auf den wartenden Bus bringe ich jeden Händler zur Verzweiflung. "Okay oder nicht", frage ich nach dem vorgeschlagenen Preis. "Okay", murrt der Händler und bevor er sich richtig ärgert, bin ich weg. Ich fälsche gern mit den Arabern um die Preise. Ich bin gut im bluffen und taktieren, aber nur, wenn ich den Gegenstand nicht wirklich will. Wenn ich etwas unbedingt haben möchte, mache ich Fehler, zahle einen überhöhten Preis oder stehe am Ende mit leeren Händen da. Wie im wahren Leben.
Zum Schluss will uns der Student einen Falknereibetrieb zeigen. Doch in der heißen Mittagssonne, sind die Tiere in dunklen, klimatisierten Zimmern untergebracht, die wir nur durch Scheiben einsehen können. Die wohlhabenden Araber in Qatar, Oman und den Vereinigten Arabischen Emiraten lieben das Hobby der Falknerei. Früher nutzten lediglich die Beduinen die Falken für die Jagd. Wie die Pferde gelten die Falken als stolz und mutig. Werde, die hier offenbar wichtig sind. Die meisten Falken werden aus dem Iran und Pakistan importiert und zwischen 200 und 30 000 Euro gehandelt. Wer die längsten Schwanzfedern hat, könne am besten fliegen, heißt es.
Auf dem Rückweg zum Schiff fahren wir über die Corniche, die Uferstraße und der Student zeigt uns die Station von Al Jazeera, dem kontroversen arabischen Fernsehsender. "Der Sender ist eine Ausnahme", so unser Reiseleiter. "Normalerweise sind die Medien hier sehr eingeschränkt." Außerdem fährt er mit uns zu den Baustellen Dohars. Wie in Dubai entstehen hier eine große Anzahl von  Hochhäusern in Glas. Chrom und Stahl. Ein ganz neuer Stadtteil. "Qatar steht an Stelle 11 bei den reichsten Ländern der Erde", erklärt er.
Wir verabschieden uns von dem "reichen Studenten", dessen fröhliche Art uns Spaß gemacht hat.
"Amadea" - Spruch des Tages: "Die gefährlichste aller Weltanschauungen ist die der Leute, die die Welt nie angeschaut haben."

Musiktipp zur Stimmung: "Your Song", Elton John
Anja Fließbach: Sonntag, 13 Mai 2007, 21:34 Uhr