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100. Beitrag: "Einmal umziehen, bitte!" (21. April)

Zum Glück habe ich mich mit dem Reiseleiter, dessen Namen ich nicht nennen soll, wieder vertragen. Ich kann es nicht aushalten, wenn zwischen mir und Menschen, die ich mag, so ein grummeliges Verhältnis herrscht. Bei den anderen, die mir nicht so nahe stehen, stört es mich nicht. Das wäre ja auch verheerend...
Wenn man für die Öffentlichkeit schreibt, kann man es nicht immer allen recht machen. Im Gegenteil. Das ist nicht Sinn und Zweck des Journalismus, auch nicht eines blogs im Internet. Obwohl ein solcher blog nichts mit Journalismus in dem Sinne zu tun hat. Ich schreibe, was ich denke, fühle, erlebe und beobachte. Ich schreibe nichts Falsches und das macht die Sache mit der Kritik nicht einfacher. Es stimmt ja, was ich sage und die Leute wissen das.
Wie auch immer, wir haben uns wieder vertragen und seitdem ist die Reise für mich auch wieder schön. Was noch schöner ist - hurra, hurra - wir haben wieder einen Balkon.
Ich wusste von Anfang an, dass es so enden würde. Schon als ich bei unserem ersten Umzug erst fluchte und dann heulte, wusste ich, eines Tages würde ich das Umziehen lieben. Es lag förmlich in meiner Bestimmung, dass ich knapp zwei Wochen vor Schluss dieser Reise betteln würde: "Ach bitte, bitte. Bitte lasst uns noch einmal umziehen. BITTE." Schon öfter habe ich gedacht, Loriot oder Woody Allen hätten ihre Freude an dieser Reise und an mir. Ihr Lieben, ich wäre ihr Star.
Jedenfalls laufen die Reiseabschnitte gerade antizyklisch. Das bedeutet, Leute steigen auch zwischen den Ein- und Ausschiffungshäfen zu oder aus. Es gibt nicht mehr diese langen und festgelegten Reiseabschnitte, sondern lässt den Passagieren eine gewisse Flexibilität. Dahin würde der ganze Kreuzfahrtmarkt tendieren, sagen Experten. Ich hoffe es nicht, weil es eine gewisse Unruhe in den gerade so erholsamen Rhythmus bringt. Weil nun in Muscat Passagiere ausgestiegen sind, wurden auch wieder Balkonkabinen frei. Also fragte ich in meiner leisen und bescheidenen Art an, ob wir noch einmal umziehen DÜRFTEN. Und siehe da. Wir durften. Zur Erklärung für meine mir liebgewordenen kritischen Kommentatoren: Wir haben die Reise zu spät gebucht und es war keine Kabine mehr durchgehend frei. Wir sind also unfreundlich ausgedrückt die Lückenfüller und liebevoll formuliert, versucht uns die Schiffleitung und der Veranstalter jeweils eine Kabine mit Balkon zu geben, vorausgesetzt es ist eine frei. Deshalb sind wir die Kabinen - Sprinter dieser Weltreise.
Weil ich inzwischen so viel Freude am Umziehen habe, dehne ich die letzte Chance auf dieser Weltreise richtig aus. Unser Umzug dauert nämlich schon drei Tage. Ist das schön. Ein paar Sachen sind hier in der Kabine auf Deck 8, ein paar Sachen sind in der alten Kabine auf Deck 7 und natürlich sind immer gerade die Dinge, die man braucht, nicht da. Deshalb können wir nun endgültig von der Amadea als unserem Zuhause reden. Besonders wenn wir ungekämmt, barfuss und notdürftig bekleidet in die andere Etage sprinten, in der Hoffnung, keinem Menschen zu begegnen, um die Bürste zu holen und ein frisches T-Shirt.
Wir könnten natürlich auch einfach komplett umziehen, aber... Erstens bin ich mir nicht sicher ob mir die Kabinenstewardessen, die ich zwar niemals mehr Putzfrauen nennen werde und zu deren rhythmischem Klopfen ich maximal noch eine Melodie zum Singen, statt formulierte Kritik finden werde, dabei noch einmal helfen würden. Zweitens nutze ich die Möglichkeit des Einpackens gleich zum "richtigen" Kofferpacken. Boah, bei den Worten wird es mir ganz eigenartig. Die Heimkehr rückt näher... Aber eh ich alles ein- und wieder auspacke, lassen wir nur die notwendigsten Dinge draußen und verstauen den Rest gleich richtig. Es ist unglaublich, wie viele Dinge sich im Laufe einer Weltreise ansammeln. Von Stapeln mit Tagesprogrammen, Prospekte und Visitenkarten, bis zu Souvenirs, zig neuen Plüschtieren für Louisa und neuer Kleidung. Wir haben eine komplett neue Kollektion für Louisa gekauft, weil sie gewachsen ist. Eine fast neue Kollektion für mich, weil auch ich gewachsen bin. Nach mehr als vier Monaten auf dem Schiff ist die Auswahl der noch verfügbaren Kleidungsstücke sehr, sehr klein geworden. Ich schätze ein bis zwei Kleidergrößen und sieben bis acht Kilo mehr habe ich drauf. Auf der ersten Weltreise hatte ich ohne Übertreibung 12 Kilo zugenommen, war damals aber auch nach dem Stress zu Hause recht schmal angekommen. Nun weiß ich nicht, ob ich die alten oder die neuen Kleider mit nach Hause nehmen soll. "Das wird schon mal wieder passen", sage ich mir zwar immer wieder. Aber wer kann da schon so sicher sein.
Also habe ich viele von Louisas zu kleinen Sachen und von meinen zu engen Sachen in große Beutel gestopft und sie den Putz..., sorry, den Kabinenstewardessen gegeben. Das ist aber auch ein verflixt langes Wort und mein ehemaliger Chef, Thomas Schultz - Homberg, hätte mir Redaktionsarrest gegeben und mich 3000 Mal das Wort "Putzfrauen" aufschreiben lassen um zu lernen, dass es das verständlichere Wort, das kürzere Wort und das Wort ist, dass einfach vom Gesamtbild besser in einen Text passt, als ein Wort mit so vielen "T", doppel "S" und einem Mix aus Deutsch und Englisch. Was ist denn mit denen, die sich nichts unter Stewardess vorstellen können oder jenen, die denken, wir fahren mit einem schwimmenden Flugzeug. Ihr seht, ich hatte es in den letzten Tagen nach dem Beitrag über den Stress nicht gerade leicht an Bord. Aber - ich liebe es!
Nun lieben wir zum guten Schluss also auch noch das Umziehen an Bord und ich höre mir jeden Abend unterm Sternenzelt in der Jupiter - Bar Witze über meine Zukunft an. Ob ich denn zu Hause gleich umziehen wöllte, ob ich das lieber in Etappen oder mit einem Ruck tun wollte und das ich garantiert besonderen Spaß daran hätte in ein anderes Land oder, besser noch, nach Übersee zu ziehen. Eigentlich ist es mir relativ egal, Hauptsache mein neues Heim hat einen Balkon und ich höre irgendein Rauschen. Bei mir zu Hause werden es wohl statt Meer die Straßenbahnen sein. Das muss fürs erste reichen.
Manuelas Spruch des Tages: Nicht da ist man daheim, wo man seinen Wohnsitz hat, sondern da, wo man verstanden wird.

Musiktipp zur Stimmung: Titel "Ein Gruß", Juli, "Ein neuer Tag"
Zitat: "Das ist ein Gruß an unsre Schwestern und ein Gruß an jedes Kind, deren Väter mit uns reisen und die deshalb einsam sind. Das ist ein Gruß an all die Leute, ohne die das hier nicht geht. Ihr seid der Weg. Einen Gruß an uns´re Freunde und an die, die das mal war´n. An die, die sagen was sie denken und an die, die sich das spar´n. An die Leute, die uns glauben, dass wir nichts im Schilde führn - ich kann euch spür´n. Wir sind die anderen, ihr seid der Rest. Ihr nehmt es an und wir halten es fest. Ich werde alles tun, dass ihr das nie mehr vergesst. Ich werde alles tun und ich halte euch fest, ich werde alles tun und ich hoffe, ihr lasst uns nie wieder los.

Anja Fließbach: Samstag, 21 April 2007, 18:15 Uhr