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10. Beitrag: "Silvester in Recife" (3. Januar)
Wer bei rührenden Hollywood-Filmen weint, der hätte Silvester auf der "MS Amadea" kiloweise Taschentücher gebraucht. Es war so schön! Wie im Film an der Stelle, wo man denkt: "Die übertreiben. So etwas gibt es nicht im wahren Leben." Doch. Wir haben es erlebt...
Am Silvestermorgen kamen wir in Recife an und betraten das erste Mal auf unserer Weltreise brasilianischen Boden. Es war heiß und schwül und so waren wir froh, dass wir zuerst mit einem klimatisierten und kostenlosen Shuttelbus von Juwelier Stern in die Innenstadt fahren konnten. Ein Service für alle Passagiere, den es auf fast allen unseren Brasilien-Stationen gibt. Stern ist in der Upper Class der ganzen Welt bekannt und ein Ziel von mir auf dieser Reise ist es, für mein Magazin ein Interview mit Herrn Stern zu bekommen. Es ist eine "Tellerwäscher -Millionär –Story". Mal sehen, ob es klappt.
Von besagtem Shuttle-Bus aus betrachteten wir die Metropole (1,4 Millionen Einwohner) im Nordosten Brasiliens. Recife heißt übersetzt Riff und fungierte früher als Hafen von Olinda, einer kleinen Stadt, die wir am Nachmittag besuchen wollten. Die Holländer waren es, die Recife im 17. Jahrhundert den Aufschwung brachten. Die Gegend sollte für den Anbau von Zuckerrohr urbar gemacht werden. Heute steht hier ein moderner Wolkenkratzer neben dem anderen. Louisa unterhielt sich während der Fahrt mit einer älteren Schweizerin über ihre Freunde zu Hause im Kindergarten. "Schau aus dem Fenster, die schöne Stadt", sagte die Frau aus Zürich zu meinem Kind. "Wir waren hier doch schon mal", entgegnete Louisa und ignorierte die Aussicht. Obwohl es stimmte (bei der letzten Weltreise), war mir die Aussage peinlich. Also zeigte ich ihr pflichtgemäß die Sehenswürdigkeiten wie das neoklassizistische Teatro Santa Isabel, die Goldene Kapelle, deren Innenraum mit mehr Gold dekoriert wurde als jede andere brasilianische Kapelle und das Museu Franciscano de Arte Sacra, das in einem Kloster untergebracht ist. Im ehemalige Gefängnis übrigens befindet sich heute das Casa da Cultura de Pernambuco, ein Zentrum für Kunsthandwerk. Die Zellen sind zu Souvenir - Shops umgebaut. Hier hatten wir bei unserer letzten Reise die typischen Brasilien-T-Shirts in den Nationalfarben Gelb und Blau gekauft. Wir dachten damals, es sei cool. Aber am Abend war die Hälfte der Passagiere so gekleidet gewesen und diesen Spaß wollten wir dieses Mal den anderen lassen.
Der Shuttlebus hielt am Strand von Boa Viagem und Louisas Aufmerksamkeit war schlagartig bei 100 Prozent. Die besten Hotels und gehobenen Restaurants sind hier nur durch die Avenida Boa Viagem vom breiten Sandstrand getrennt. Wir mieteten uns Liegestühle und einen Sonnenschirm für 5 Real direkt am Meer und saßen zwischen brasilianischen Großfamilien, Paaren und Männergruppen. Schwungvolle Sambamusik begleitete das Rauschen der Wellen, die temperamentvollen Brasilianer unterhielten sich laut und aller zwei Minuten wurden uns andere Köstlichkeiten von "fliegenden Händlern" angeboten von der Languste über Nüsse bis zur fettigen Suppe, die in Kesseln auf Wagen über den Sand geschoben wurden. Ich nahm einen Caipi und genoss den Trubel, während Louisa mit brasilianischen Kindern Kleckerburgen baute. Auch wenn die Schiffsleitung, die Reiseführer, das Auswärtige Amt und die Fahrer auf die erhöhte Sicherheitsgefahr in den brasilianischen Großstädten verstärkt hinwiesen, fühlten wir uns hier sicher. Die Brasilianer sind überaus kinderlieb und die Großfamilien neben uns passten auf uns auf, schickten auch laut den einen oder anderen aufdringlichen Händler weg. Die Big-Mama neben uns, eine dicke alte Brasilianerin im knappen Bikini (hier machte sich keiner einen Kopf über seine Figur) tätschelte mein Kind und erklärte mir, dass es in Deutschland kalt sei. So, so.
Für den Nachmittag stand ein Besuch von Olinda an. Für 35 Dollar fuhr ein Taxifahrer 2,5 Stunden lang zu den schönsten barocken Architekturschätzen auf den Hügeln über Recife. Der historische Ort wurde 1982 von der UNESCO zum Weltkulturdenkmal erklärt. "Seitdem braucht man für jede Türklinke eine Genehmigung", erklärt der Fahrer. Enge Gassen, bunte Häuser und barocke Kirchen prägen das Bild des malerischen Olinda. Schön.
Um 22.15 Uhr am Abend verließ die "MS Amadea" dann den Hafen von Recife. Da saßen wir noch beim Neun-Gänge-Gala-Menü, das Chefkoch Rupert Kien mit seinen 51 Helfern in der Küche gezaubert hatte. Zuvor hatten wir uns beim "Dinner for one" in der Atlantik-Launch schief gelacht und kurz darauf etwas melancholisch auf Oma und Opa daheim mit Sekt und Saft angestoßen, die vier Stunden vor uns den Jahreswechsel feierten.
Der Kapitän hatte mit den brasilianischen Behörden verhandelt, dass wir vor Recife ankern durften. Die Kulisse für die Party an Deck war gefunden: eine beleuchtete Großstadt- Skyline neben der anderen. Und so kam es, dass das von emotionalen Höhepunkten verwöhnte "Amadea" - Publikum um Mitternacht eine Show geboten bekam, die Tränen der Rührung in die Augen trieb. Nach dem Einzählen durch den Kapitän erklang erhebende Musik, während die Mitglieder der Besatzung auf den verschiedene Decks mit wunderkerzenähnlichen Feuerwerken für Stimmung sorgten, der Chefkoch die 2007 aus Eis "Funken" sprühen ließ und der ganze Horizont voller verschiedener Feuerwerke war. Ich kuschelte mein Kind und erklärte ihr, dass sie diesen Moment genießen und schätzen sollte. "Ich bin schon 32 Jahre auf der Welt, aber so ein tolles Silvester habe ich noch nie erlebt", sagte ich, um die Relationen klarzustellen. Als an Land die letzen Raketen verglüht waren, wurde das Buffet eröffnet und trotz neun Gängen im Magen, bildeten sich schnell Schlangen: Es gab roten und schwarzen Kaviar aus Riesentöpfen und Unmengen von Hummer. Als ich sah, dass selbst die adeligen Herrschaften an Bord, die "Von und Zu´s", die Millionäre und Imperiumseigner begeistert waren (es gibt auch viele "normale" Passagiere an Bord), wusste ich: Nicht nur für mich war dieses Silvester einfach filmreif.
(ANMERKUNG: Weil der Kapitän Zeit aufholen muss, fahren wir ohne Stabilisatoren und das Schiff wird hin und her gebeutelt. Es schreibt sich nicht besonders gut in dieser Schräglage, also sorry, falls im Texte was verdreht ist.)
Autorin: Anja K. Fließbach
(Geschrieben am Mittwoch, dem 3. Januar 2007, 18:30 Uhr)
Kommentare zum 10. Beitrag
wow, gigantisch!!!
Das klingt wirklich besser als Silvester mit Schnupfen und dvd auf dem Sofa :o)
Kommentiert von: schrubbelfuß | Mittwoch, 3 Januar 2007, 20:06 Uhr
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Einfach toll geschrieben!! Es macht immer wieder Spass zu lesen. Ich selbst wohne gerade in Atlanta. Und stimme mich mit diesem Blogg schon mal auf meinen bevorstehenden 4 woechigen Roadtrip durch Amerika ein. Ich freue mich schon die naechsten Berichte.
Ganz liebe Gruesse aus Atlanta
Stefanie
Kommentiert von: stefanie | Donnerstag, 4 Januar 2007, 2:56 Uhr
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Ich dachte, ich hätte ein ganz nettes Silvester verbracht, aber ich glaube, neben eurem Erlebnis verblasst es schnell.
Wer sind eigentlich die Menschen, denen man auf so einer Weltreise auf dem Schiff begegnet? Sind es viele ältere Leute, trifft man auch jüngere? Findet man jemanden mit der selben "Wellenlänge" oder leben die meisten in zu unterschiedlichen Welten?
Dir und Deiner Tochter alles Gute für 2007.
Gruß von Sabine
Kommentiert von: Sabine | Donnerstag, 4 Januar 2007, 16:12 Uhr
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(Letzte Aktualisierung: 04.01.2007)