• 3374 Aufrufe

Christian Wulff: „Das einzige, was wir fürchten müssen, ist die Furcht."

war doch weiß Gott eine mutige Entscheidung. Und in den Orden ist eingraviert: „Gegen den Strom.“ Wie vor 500 Jahren schon Kurfürsten in Sachsen gelegentlich „gegen den Strom“ schwammen.

Und ich habe diese Auszeichnung besonders gerne angenommen und freue mich sehr darüber - aus zwei Gründen: Einmal, weil ich Dresden als weltoffene Stadt immer wieder erlebt habe. Vor einiger Zeit, als ich mit 500 Bürgern hier über die Flüchtlingsproblematik diskutiert habe, vorher, wenn ich Firmen besucht habe, die sich hier niedergelassen haben, beispielsweise Amerikaner in Forschungsinstituten in Dresden. Dresden ist eine Kulturstadt. Mit einer Erinnerungskultur an dunkle Phasen, an bessere Phasen der Stadt, der Versöhnung, des Friedens; mit Musikern, mit Tänzern, mit Literaten, mit Architekten; es ist etwas, worauf Deutschland und Europa stolz sein kann. Aber ich empfinde natürlich auch eine besondere Verantwortung in dieser Zeit. Dafür, dass wir unser Land zusammen halten. Dass wir unsere Werte leben und unsere Werte verteidigen, gegen jeden, der sie in Gefahr bringt. Von innen oder von außen. Und ich finde es einfach faszinierend, in dieser unruhigen Welt, anderen einfach nur vorzuleben, dass hier Kirchen, wie die Frauenkirche, Moscheen und Synagogen friedlich miteinander zusammenstehen. Erfolgreich zusammenstehen. Und wenn wir vor dem Hintergrund des Terrors überall auf der Welt zulassen, dass wir gespalten werden, dass den Menschen hier gesagt wird: „Die Muslime sind schuld.“ und den Muslimen gesagt wird: „Ihr seid hier nicht willkommen, ihr passt hier nicht hin.“, dann wird diese Welt keine gute Zukunft haben. Hier in dieser Stadt hat die Ballettänzerin Palucca gelebt und ist vor einigen Jahren mit fast 100 Jahren gestorben. Die Tänzerin Palucca, eine der besten der Welt, hat das Kaiserreich erlebt, den ersten Demokratieversuch, die Weimarer Republik, hat den Nationalsozialismus erlebt, hat den Kommunismus und hat dann noch die Einheit erlebt und den zweiten Versuch, einer freiheitlichen Demokratie auf deutschem Boden, der sehr blutdurchtränkt ist. Und unsere Kinder werden sie und uns später fragen: „Was habt ihr in diesen Schicksalsjahren getan?“ jeden einzelnen: „Was habt ihr getan?“ Über 1914 hat man geschrieben „Die Schlafwandler“, über 1919 „Die Friedensmacher“ und später wird über unsere Zeit geschrieben: „Die Egoisten“, „die Nationalisten“, „die Verschlafenen“ oder „die Erkennenden“. Die, die die Herausforderung erkannt haben. Und ich möchte dann, dass wir unseren Kindern davon erzählen und die Kinder sagen: „Das habt ihr gut gemacht.“ Und das 21. Jahrhundert wird nur dann seine Verheißung erfüllen, in Freiheit und Frieden über 100 Jahre auf deutschem Boden zu leben, wenn wir nicht klein denken - weder in Europa klein denken, noch in Deutschland klein denken. Das einzige, was wir wirklich fürchten müssen, das ist die Furcht. Und deshalb freue ich mich, dass Sie den Mut hatten, mich zu ehren und ich werde im nächsten Jahr wieder kommen - das verspreche ich Ihnen! Vielen Dank!