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Christoph Geibel: Ich bin ein musikalischer Maßschneider.

Christoph Geibel, Inhaber und Gründer von „Mercurius-Musik“, im Interview.

Sie sind seit 20 Jahren mit Ihrer Geige erfolgreich? Wie kam es dazu?
Geibel:
Ich habe hier in Dresden klassische Musik mit Schwerpunkt Geige
studiert und mich vor 20 Jahren mit dem Ziel selbstständig gemacht, klassische
Konzert- und Unterhaltungsmusik zu professionalisieren. Nach drei Jahren Probezeit habe ich gemerkt, dass es funktioniert und dass ich davon leben kann.


Nicht nur Sie können davon leben...
Geibel:
Ich habe es sukzessive weiterentwickelt, erst ein Duo und dann eine Gruppe von sechs Musiker*innen aufgebaut, mit dem ich verschiedene Programme spielen konnte. Agenturen sind auf mich zugekommen. Und so kamen die Ideen – Casanova-Abende, Kästner-Programme oder Barock trifft Pop. Irgendwann hat es sich so weit entwickelt, dass ich die Walzernacht mit 15 Mann spielen konnte.  Zusätzlich kann ich immer auf verschiedene Sänger*innen und Instrumentalisten zurückgreifen.


Woher kommt der Name Mercurius-Musik?
Geibel:
Merkur ist der Götterbote. Ich wollte versuchen, eine Botschaft zu vermitteln und wenn es nur die ist, dass man Spaß haben soll und im Moment leben.


Warum sind Sie in Dresden geblieben?
Geibel:
Ich bin als Student gekommen. Die Stadt hat mir vom ersten Tag an zugesagt. Ich habe mich in das kulturelle Leben so integriert, dass ich nicht mehr weg gehen wollte und ich werde auch hierbleiben.


Gab es auch mal Probleme?
Geibel:
Das Hauptproblem ist, dass es in Dresden bestimmte Kreise gibt, die bestimmte Aufgaben erfüllen. Entweder kommt man schwierig in diese Kreise rein oder man baut eine eigene Gestaltung auf. Damit habe ich es geschafft, eine neue Art von Musikdarbietung zu installieren.

 

Sind diese Kreise Konkurrenz?
Geibel:
Eigentlich sehe ich sie nicht als Konkurrenten, denn jeder Kreis übernimmt seine eigene Aufgabe. Man ergänzt sich. Wenn der Auftraggeber zum Beispiel eine Tanz-Band braucht, ist ein Barockensemble nicht passend.


Was bieten Sie an?
Geibel:
Eine Mischung aus Klassik und Pop. Wir bedienen zum Beispiel den Hochzeitsmarkt. Ich kann Trauungen mit Geige klassisch umrahmen, aber es kommen auch häufig aktuelle Hit-Wünsche hinzu.


Spielen Sie immer noch selbst mit oder vermitteln Sie ihre
Gruppe nur noch?
Geibel:
Ich bin keine Agentur, sondern ich vermittle mich selbst und die anderen. Ich bin ein musikalischer Maßschneider.


Haben Sie ein absolutes Gehör?
Geibel:
Ja, aber das ist kein Qualitätskriterium. Das bedeutet lediglich, dass man ein Lied hört und sofort eins zu eins die Noten weiß. In meiner ersten Aufnahmeprüfung hat mir das sehr geholfen. Ich habe die vorgespielte Melodie fast in Echtzeit aufgeschrieben.


Unterrichten Sie auch?
Geibel:
Ja, seit 25 Jahren. Das ist mein anderes Standbein.


Was ist das Wichtige an der Musik?
Geibel:
Musik berührt immer. Wenn man es schafft, Menschen zu erreichen und eine Erinnerung zu hinterlassen, hat der Musiker seine Aufgabe erfüllt. Wenn sich die Leute bedanken und glücklich sind - das ist das Ziel. Gerade in dieser technologisierten Welt, in der die Technik immer mehr eingreift, behaupte ich, das ist das Einzige, was immer bleiben wird. Das Individuelle,was nicht mehr wiederholbar ist, wird jede Generation ansprechen. Ich denke nicht, dass die jungen Leute irgendwann nur noch CDs hören werden. Alle wollen auch dieses einmalige Erlebnis.


Ist das Ihr Anspruch?
Geibel:
Ja. Ich möchte solche Erlebnisse kreieren, die man nicht nur aus der Schublade zieht, sondern für die man sich Gedanken macht und nicht irgendwas bietet.


Was zeichnet Ihre Firma noch aus?
Geibel:
Wir beschäftigen uns intensiv mit den Kunden und sind flexibel. Wir können uns an Situationen anpassen.


Haben Sie schon immer eine Leidenschaft für Musik?
Geibel:
Definitiv. Viele meiner Stücke habe ich schon als Jugendlicher gespielt. In dem Moment, wenn die Geige anfängt zu klingen, fühle ich mich in meinem Element. Warum das so ist, weiß ich nicht genau, aber ich freue mich darüber.

 

Also haben Sie Ihr Hobby zum Beruf gemacht?
Geibel:
Ja, das kann man so sagen. Und ich habe noch so viele Ideen.


Sehen Sie positiv in die Zukunft?
Geibel:
Ja. Ich plane viele neue Projekte. Die Musik und der Musikgeschmack der Gesellschaft befinden sich immer im Wandel, also gibt es genug Stoff für neue Dinge. Aber einige bleiben auch - wie die 20er und 30er Jahre -Musik. Die liegt mir sehr nahe.


Wieso?
Geibel:
Mein Großvater hat mich damals an diese Bewegung herangeführt. Heutzutage sind die 30er Jahre-Abende zwar nur noch punktuell, nicht so häufig wie noch in den 90ern. Irgendwann merkten wir, dass sich der Musikgeschmack gewandelt hatte. Ein Gast kam auf uns zu und meinte, wir sollten mal etwas Flotteres spielen. Schade!


Also haben Sie schnellere Songs gespielt?
Geibel:
Ja, wir spielten die 30er Jahre Hits einfach schneller, aber die Reaktion blieb die gleiche. Das Rätsel klärte sich, als wir von la Boom „Reality“ spielten und die Leute kamen und sagten, dass das etwas Flottes sei. Sie wollten nichts Schnelles hören, sondern Songs, die sie kannten. Daraufhin arbeiteten wir weiter an unserem Repertoire.


Was spielen Sie aktuell?
Geibel:
Immer einen Wechsel von schnell und langsam. Musik muss berühren und wenn man auf der Welle mitschwimmt funktioniert das. Wir haben danach 70er und 80er Musik gespielt und ganz aktuelle Sachen. Gerade kommen die 70er und 80er Jahre zurück. Ich spiele auch sehr gerne klassische Werke.


Wer ist oder war Ihr Lieblingsmusiker?
Geibel:
Yehudi Menuhin, ein Geiger. Ich hatte das Glück, ihn dreimal live zu erleben, bevor er 1999 starb. Dieser Musiker hatte unglaublich viel im Kopf und im Herzen. Er war wie ein Vulkan, der bis zum Ende brodelte. Das zu sehen, hat mich beeindruckt und berührt. Es war ein Kampf um jede Note.


Unsere Disy-Abschlussfrage lautet immer: Was haben Sie
vom Leben gelernt?
Geibel:
Manchmal spüre ich eine Art Depressivität. Wir stehen natürlich vor Problemen, aber wir Menschen haben es immer geschafft, diese in den Griff zu bekommen. Man sollte nicht gedankenlos leben, aber die Probleme in der Zukunft erst angreifen, wenn sie kommen. Mit der Gesundheit verhält es sich ähnlich. Man kann ja nicht seine Kräfte einsparen, weil eventuell irgendwann etwas passieren könnte.