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Aufruhr und Aufstieg

Kathrin Kondaurow, Intendantin der Staatsoperette Dresden, bekam viel Vorschuss-Kritik, nun wird es Zeit für die erster Lorbeeren.

 

Wie kam Ihr Wechsel nach Dresden?
Kondaurow:
Die Stelle war ausgeschrieben und ich habe mich beworben. Für mich war klar, dass ich einen Schritt weiter gehen muss in der Leitungsebene. Es
gab verschiedene Optionen.


War Dresden Ihr Favorit?
Kondaurow:
Ja. Ich wusste die ganze Zeit, dass die Staatsoperette ein Haus ist, dem ich ganz viel geben kann und in dem ich großes Potenzial sehe. Ich habe direkt ein Konzept geschrieben und alle Ideen, die sich entwickelt haben, formuliert.


Wieso hat gerade dieses Haus einen Reiz?
Kondaurow
: Erstens sind wir in einem Kraftwerk, was eine Reibung erzeugt, wenn man an seine eigenen Stereotypen denkt, die man mit Operette verbindet. Die sind meist von der Ästhetik sehr museal ausgeprägt den 50er Jahren und somit in einer ganz anderen Welt verhaftet – dem Heile-Welt-Gedanken. Wir machen Unterhaltungstheater an einem sehr rauen Ort und versuchen, Raum und Inhalt zu kombinieren.


Im Vergleich zum alten Standort ist die neue Location ein
drastischer Unterschied. Wie haben die Menschen darauf reagiert?
Kondaurow:
Die Neugierde hat überwogen. Viele wollten sich das anschauen. Im alten Haus war es doch eher ein Stadtrand- Theater und das Publikum bestand aus Dresdnern, die in Leuben und Umland gelebt haben. Hier im Zentrum, im Kraftwerk Mitte, ist viel Potenzial vorhanden, neues Publikum zu gewinnen.


Wie ging es nach der Bewerbung weiter?
Kondaurow:
Insgesamt gab es 32 Bewerbungen, davon nur zwei von Frauen. Neun Kandidat/innen wurden eingeladen. Ich habe mein Konzept vorgestellt und die Fragerunden im Kulturhaus souverän gemeistert. Die Jury bestand aus rund 15 Leuten – Geschäftsführung, Stadtpolitik, Künstler, Intendanten anderer hatten einen anderen Fokus.


Wie haben Sie das Ganze empfunden?
Kondaurow:
Ich war sehr gut vorbereitet und daher fokussiert, aber entspannt. Man muss wissen, was man tut, sich für den Moment entspannen können und sich auf die Situation einlassen.

 

Welche Aspekte haben Sie in Ihre Ideen einbezogen?

Kondaurow: Den Standort und die besondere tarifliche Situation des Hauses. Es wurde jahrelang um den Erhalt der Staatsoperette gekämpft, mit dem Theaterneubau im Kraftwerk Mittehat die Stadt Dresden ein Zeichen gesetzt. Gleichzeitig verzichten die Ensembles sowie alle Mitarbeiter der Staatsoperette seit Jahren auf 8 Prozent des Gehaltes, um diesen Neubau mitzufinanzieren. Ich stehe voll und ganz für ein Ensemble-Theater, auch wenn die Theaterlandschaft sich immer mehr verändert und das Spartendenken nach und nach aufweicht. Den Ensemblegedanken habe ich deutlich formuliert und in meinen Spielplanüberlegungen umgesetzt.


Warum?
Kondaurow:
Ensembles wirken identitätsstiftend, das sorgt für eine tiefere Verankerung in der Stadt. Mir ist das Haus mit allen seinen Mitarbeiter
wichtig, ich habe den Fokus nicht auf mir und meinen eigenen Interessen, sondern auf dem, was ich mitdem Haus und allen Personen auf und hinter der Bühne gestalten möchte. Als Kulturmanagerin und Dramaturgin betrachte ich alle Prozesse ganzheitlich – aus künstlerischer und planerischer Perspektive -, so dass ich sowohl am konkreten künstlerischen Prozess einer Produktion partizipiere, als auch die komplexen Theaterabläufe plane und koordiniere.


Wie war die Geschlechterverteilung im Gremium?
Kondaurow:
Die Kommission war paritätisch. Sicherlich ein Aspekt, den man nicht vernachlässigen sollte.

 

Als die Zusage kam, wie haben Sie reagiert?

Kondaurow: Ich war überwältigt und spürtedie Freude und Verantwortung die neue Aufgabe betreffend, ich wollte gleich mit der Arbeit beginnen.


Und dann kam der Umzug nach Dresden…
Kondaurow:
Richtig. Wir sind hierhergezogen, aber meine Familie hat das sehr entspannt aufgefasst. Wir haben das sehr gut vorbereitet. Mit dem Stadtratsbeschluss im April 2018 wusste ich schon, dass ich dann ab August 2019 in Dresden arbeiten würde.


Was haben Sie in der Zwischenzeit gemacht?
Kondaurow:
Ich hatte ein Übergangsjahr und habe noch bis Juli 2018 in Weimar
gearbeitet. Während der Spielzeit 18/19 war ich schon oft hier und habe alles vorbereitet. In dem Jahr bin ich gependelt. So konnten wir In Ruhe überlegen und die Infrastruktur analysieren usw. Im Sommer sind wir umgezogen.


Hatten Sie trotzdem Bedenken?
Kondaurow:

Meine größte Sorge war, dass es meinen Kindern nicht gefallen würde. Es war ein sehr großer Umbruch. Mein Sohn ist in die  dritte Klasse gekommen und meine Töchter aufs Gymnasium. Ich war wirklich u?berwältigt, wie glücklichsie nach den ersten Tagen hier waren. Da ist mir ein Stein vom Herzen gefallen.


Wie wurden Sie an der Operette aufgenommen?
Kondaurow:

Durch das Vorbereitungsjahr war ich immer zwei bis drei Tage vor Ort in der Staatsoperette und habe mit den relevanten Abteilungen gearbeitet und Mitarbeitergespräche geführt. MitHerrn Schaller gab es einige Berührungspunkte  und Schnittmengen und das Verhältnis war immer professionell kollegial.


Haben Sie während des Jahres zusammengearbeitet?
Kondaurow:

Da die Spielzeitplanung immer einen langen Vorlauf hat, musste ich
schon alles für meinen Start vorbereiten. Bei einem Intendanten-Wechsel ist das normal, dass man dann parallel arbeitet. Ichhabe alles für die Spielzeit 19/20 vorbereitet, während Herr Schaller seine laufende Spielzeit gestaltet hat.


Wie sind die Mitarbeiter mit dieser Parallelität
umgegangen?
Kondaurow:
Sie waren sehr offen. Auch in der Zeit, als meine Berufung in der Presse kontrovers diskutiert wurde.


Wie haben die Mitarbeiter auf die Presseschlacht
reagiert?
Kondaurow:
In einer Vollversammlung habe ich mich vorgestellt und mit der Zeit immer den persönlichen Kontakt gesucht, sodass wir uns nach und nach kennen lernen konnten. Zum Teil habe ich positive Zuschriften erhalten. Grundsätzlich hatte ich immer das Gefühl, dass sie hinter mir standen.


Wie haben Sie sich gewehrt?
Kondaurow:
Ich bin offensiv in Gespräche mit Presse, Förderforum und Stadträten gegangen, habe mich allen Fraktionen vorgestellt und bin in einen konstruktiven Dialog getreten.

 

Haben Sie Kollegen um Rat gefragt?
Kondaurow:
Natürlich habe ich mich von erfahrenen Intendant beraten lassen, über den Bühnenverein sind wir alle gut vernetzt.


Wie haben Sie Dresden am Anfang wahrgenommen?
Kondaurow:
Dresden nehme ich grundsätzlich als sehr offen, wenngleich sehr gegensätzlich war. Es herrscht eine sehr konservative Prägung vor mit Fokus auf die Region und das historischeErbe. Zugleich gibt es eine Offenheit in der Bürgerschaft, aber nicht immer den Blick über den Tellerrand. Also einerseits stagnierender Konservatismus, andererseits der Wunsch, weltoffen zu sein und als moderne Metropole wahrgenommen zu werden, ein dauerhafter Konflikt.


Die Menschen stehen sich selber im Weg…
Kondaurow:
Sollten sie aber nicht. In Dresden gibt es enormes Potenzial, sehr viele interessante Institutionen, die diesen Spagat zwischen barockem Erbe und Moderne bereits schaffen.


Ist die Presse unfair?
Kondaurow:
Schön wäre eine allseits objektiv-interessierte, kritisch-neugierige Presselandschaft. Aber Medienrummel gehört zum Theateralltag dazu. Jede Premiere ist der Kritik ausgesetzt. Ebenso die Ku?nstler stehen im Fokus. Das ist Arbeitsalltag.


Woher nehmen Sie Ihre Kraft?
Kondaurow:
Von den vielen tollen Kolleginnen und Kollegen, die mich unterstützen und mit denen ich zusammenarbeite. Lange Spaziergänge und Yoga helfen mir auch und natürlich meine Familie. Da wird über Hausaufgaben, Vokabeln und Klavier üben geredet. Einfach mal durchatmen.


Das Interview führte Anja K. Fließbach