• 4058 Aufrufe

Warnemünder Originale

Den Charme eines traditionellen Ortes wie Warnemünde machen auch die Menschen aus, die diese Traditionen leben. Meist ist es die ältere Generation, die die alten Werte bewahrt, einen Hauch Nostalgie erhält und sich verdient macht um Geschichtsbewusstsein und gelebte Historie. In Warnemünde leben einige dieser besonderen Menschen. Wir haben fünf Warnemünder Originale besucht.

Der Warnemünder Mittelpunkt

Gerhard Lau

Er ist ein kleiner Fisch, der knurrt, sobald er an Land kommt. Nicht Gerhard Lau - aber nach diesem besonderen Meerestier hat er die Runde der "tapferen Warnemünder Kämpfer" benannt, die "Knurrhahnrunde". "Wir bringen Missstände in unserem Ort zur Sprache und suchen nach Lösungen. Auch entstehen innerhalb dieser Gespräche neue Initiativen", erklärt er. Eine davon war: "Für ein schöneres Warnemünde". Auch als Vorsitzender des Fördervereins "Leuchtturm Warnemünde e.V."ist Lau engagiert. So hat er sich dafür eingesetzt, dass der Leuchtturm wieder von Gästen besucht werden kann. Das Spektakel "Leuchtturm in Flammen" mit Feuerwerk und Lasershow, ebenfalls von Gerhard Lau mit organisiert, zieht jährlich Tausende von Touristen an und begeistert auch die einheimischen Besucher. Benefiz- und viele andere Kulturveranstaltungen sowie die finanzielle und beratende Unterstützung anderer Vereine machen Gerhard Lau und seinen Förderverein zu einem Mittelpunkt Warnemündes. "Er würde niemals zugeben, wie groß seine Bedeutung für Warnemünde ist", bestätigt sein Mitstreiter Walter Vogt, "Er ist die erste Anlaufstelle für viele kulturelle Anfragen, findet immer eine Lösung, und er hat so viele Ideen." Bescheiden lächelnd, winkt der Gelobte ab. Einer seiner Einfälle war ein Versuch in einer Schulklasse. "Die Kinder sollten ein Gefühl dafür bekommen, wie ihre Großeltern gelebt haben", erzählt er lächelnd. Zu diesem Zweck sollten sie alle modernen Spielsachen für einen halben Tag beiseite legen, eine eigentlich sehr einfache Aufgabe. "Die heutige Zeit kann man nicht mehr mit früher vergleichen", meint Lau abschließend, nachdem die Kinder mehrheitlich berichtet haben, dass sie sich ein Leben ohne ihre Spielsachen, Computer, Play Station und vieles mehr, nicht mehr vorstellen können. Die jährlich erscheinende Ausgabe des "Tidingsbringer" (aus dem Plattdeutsch übersetzt: "Nachrichtenbringer") ist ebenfalls auf das Wirken Laus zurückzuführen. Zur Belohnung seines Engagements wurde er 2001 Kulturpreisträger der Stadt Rostock, sein Verein vom Ostdeutschen Sparkassenverband als "Bestes Unternehmen des Jahres 2007" ausgezeichnet, und er erhielt eine Einladung vom Bundespräsidenten zum Neujahrsempfang 2008. "Wer seine Kultur nicht bewahrt, ist verloren", antwortet er auf die Frage, woher sein unermüdlicher Einsatz für Warnemünde kommt. "Und dieses gemeinnützige Wirken ist nur in großer Gemeinschaft möglich."

Der Warnemünder Sticker-Opa

Günther Richter

Er fällt eindeutig auf - der Günther mit seiner Mütze und seiner Jacke. Der 70-jährige Warnemünder Günther Richter ist besessen von diesen bunten Stickern: alte, neue, modische, skurrile, wertige und billige, welche von heute und kultige ... "Ich besitze etwa 1500 solcher Anstecker", verrät uns Günther und senkt den Kopf, damit wir die Pracht, die an seiner Mütze steckt, bewundern können. Genau 40 Jahre lang hat das Warnemünder Original auf der Werft gearbeitet, heute trägt der Rentner stolz seine Stickersammlung durch die Gassen. "Es ist schön, wenn mich die Gäste ansprechen und zu einzelnen Ansteckern Fragen stellen", gibt der alte Mann zu. Auch bekommt er immer wieder neue Sticker geschenkt. Deshalb weiß Günther nicht mehr von allen seinen Sammelstücken über Herkunft und Geschichte Bescheid. Aber viele der bunten Pins sind so etwas wie kleine Puzzlesteine aus seinem Leben, die ihn an Ereignisse, Menschen und Besuche erinnern. Mit ihnen hat er sich über die Jahrzehnte die Geschichten seines Lebens bewahrt, und mit seiner Person und seiner Sammlung bleiben diese Geschichten von Warnemünde und der Hauch der "guten alten Zeit" bestehen.

„Ich will mich von der Masse abheben“

Jörn Jozlowski

"Es gibt kein besseres Gefühl als den Adrenalin-Kick beim Kiten", meint Jörn Jozlowski. "Ich fühle mich dabei grenzenlos frei - in diesen Momenten, wenn es nichts gibt als Wind und Meer." Das ganze Leben des 32-jährigen Warnemünders dreht sich um Sport, genauer um das Kite-Surfen. "Ich will so viel kiten wie möglich, sogar im Winter kann ich mich nicht vom Meer fernhalten", berichtet er begeistert von seiner Leidenschaft. Stundenlang gleitet er auf seinem Kiteboard durch die Wellen der Ostsee. Der Geschäftsführer des Warnemünder Kiteshops "Spirit of Sky", der sportliche Begeisterung und Beruf verbindet, beschreibt Anfängern anschaulich seine Erfahrungen: "Beim Kiten wird der Kopf völlig frei, man sieht Dinge, über die man sich im Vorfeld viele Gedanken gemacht hat, plötzlich klar". Mit fachlicher Kompetenz steht er allen Interessenten beratend zur Seite. "Es gefällt mir, mich von der Masse abzuheben, es macht mir Spaß zu provozieren", meint Jörn, auch "Scholle" genannt, schmunzelnd. Sein ungewöhnliches Bärtchen unterstreicht seine Worte. Der gesellige Sportler richtet sich nach dem Motto: "Live begins at five Beaufort" (das Leben beginnt ab Windstärke fünf). Er verschwendet keine Zeit, denn jede freie Minute gehört dem Meer, die Gefahr dabei niemals vergessend.

Rarität und freestyler

Sven Kettler

Wer den auffällig gestylten Punker mit exzentrischem Ohr- und Gesichtsschmuck kennenlernt, würde niemals vermuten, dass Sven leidenschaftlicher Friseur ist. Lachend erzählt er: "Es begann mit einem Praktikum, nach drei Tagen beschloss ich, niemals Friseur zu werden, denn ich fand es furchtbar." Doch später lernte er einen Coiffeur kennen, der ihn sehr beeindruckte, sodass er seine Meinung revidierte. Als Teenager lebte Sven auf der Straße mitten in der Punkszene. "Mit 15 wollte ich dann etwas Sinnvolles machen und begann eine Kochlehre", berichtet er freimütig, "Dann brach ich die Ausbildung wieder ab, da ich mich für die Friseurlaufbahn entschieden hatte." Seit Juni 2007 ist er selbstständig mit seinem eigenen Szeneladen "Royal Cut". Erstkunden sind überrascht, denn hinter diesem Namen verbirgt sich eine flippige Crew und der perfektionistische Punkfriseur. "Man hört Royal Cut und bekommt uns", meint Sven grinsend, "Doch ich lege großen Wert auf Perfektion und Individualität." Das Friseurgeschäft befindet sich im Hotel Neptun, und Sven sagt mit Schalk in den Augen: "Ich bin einfach die Rarität des Hauses. Ich verstelle mich nicht, und das ist auch mein Konzept." Der 33-Jährige lässt sich gern von verrückten Ideen begeistern und ist so schon nach Holland expandiert, wo er mit Frisurenshows in Diskotheken auftritt. Aber er arbeitet auch gern in Warnemünde, denn ihm ist das kleine Fischerdorf sympathisch. "Hier ist das Meer, welches mir einfach das Gefühl von Freiheit vermittelt", meint er lächelnd. Ein großes Herz hat der verrückte Friseur für Tiere, besonders für Frettchen. Er selber besitzt vier Tiere dieser Art. "Ich verkrafte es nur sehr schwer, wenn ein Tier stirbt. Aber Frettchen können bis zu 12 Jahre alt werden", erklärt er. Das ist die emotionale Seite des Punkers, der sich auch Kinder wünscht: "Gern würde ich mit meinen Kids noch ausgehen können." Dann lacht er laut: "Ich werde für verrückt erklärt, da ich in keine Schublade passe". Recht hat er damit, doch genau diesen individuellen Charakter mit der sehr ausgeprägten Ehrlichkeit schätzen Arbeitskollegen, Kunden und Freunde.

Die Klönstuv

Treffen wir uns heute Abend bei Andrè? Dies ist eine Frage die wir häufig von den Einheimischen und noch häufiger von den Gastronomen zu hören bekommen. Also gehen wir auch hin, in die Könstuv, zu Andrè. Einer kleinen Bar gegenüber dem Leuchtturm. Die Bar ist gut besucht. Wir werden begrüßt als wären wir alte Bekannte. Es herrscht ein herzliches Miteinander in der Bar. Trotz des Trubels findet der Mann am Tresen immer noch Zeit, sich um jeden Gast zu sorgen mit ihm zu klönen. Wir haben das Gefühl, uns schon ewig zu kennen, dabei sind wir erst vor ein paar Minuten hereingekommen. Vor 5 Minuten? Nein! Es sind doch schon Stunden vergangen seit dem wir uns hier an den Tresen gesetzt haben. Die Zeit vergeht hier wie im Flug. André erklärt unterdessen an einem Tisch die Regeln, die beim "Genuss" des "Rostigen Nagels" zu beachten sind. Unter der Beobachtung des eigentlich gelernten Tischlers trinkt der junge Mann mit lautstarker Unterstützung der anderen Gäste den "Rostigen Nagel". An seinem Gesichtsausdruck ist unschwer zu erkennen, dass es für ihn kein Genuss ist. Er hat nun die Klönstuvtaufe bestanden und gehört jetzt dazu zur Klönstuvgemeinde. Egal ob jung oder alt, ob Stammgast oder nicht. Hier ist man immer: "Herzlich Willkommen!"

Der Erbe der Legende

Wolfhard Eschenburg

Der Sohn des berühmten Warnemünder Fotografen Karl Eschenburg hütet die fotografischen Schätze des Vaters. In dem urigen Atelier fallen die großartigen Landschaftsfotografien, die unzähligen Bücher und geschichtsträchtigen Kameras und Fotoapparate auf. "Wenn man über 80 Jahre Geschichte berichten will, gehört die Technik dazu", meint Wolfhard Eschenburg mit stolzem Blick auf die Sammlung. Geboren am 9. Juli 1928 im alten Warnemünder Küsterhaus, verwaltet er bis heute die Bilder seines bekannten Vaters, der durch das gesamte Mecklenburg reiste, um Bauwerke, Schiffe, Landschaften und Menschen zu fotografieren. Im Alter von 47 Jahren verstarb der berühmteste Fotograf, die Legende Warnemündes. Nach dem Krieg kehrte der Sohn, Wolfhard Eschenburg, nach Warnemünde zurück, da er seine Familie nicht im Stich und seine Freunde wiedersehen wollte: "Ich habe mich wieder eingelebt und Warnemünde lieben gelernt". Er übernahm als Ältester von drei Brüdern 1953 das Fotogeschäft des Vaters, um die Familie zu versorgen. "Ich bin in seine Fußstapfen getreten, auch wenn meine Leidenschaft für die Fotografie nie so groß wie die meines Vaters war, aber ich habe es nie bereut, in diese Schiene gedrängt worden zu sein", erklärt er, "Das Überleben der Familie musste gesichert werden, und das Geschäft war da und lief gut." Seine Frau Helga lernte Eschenburg in Warnemünde kennen und hatte gleich einen Grund mehr zu bleiben. Bald schon bereicherten eine Tochter und sechs Jahre später ein Sohn die harmonische Ehe. Acht Bücher mit den Bildern seines Vaters hat Wolfhard Eschenburg bereits veröffentlicht. Das Lebenswerk des Vaters, an dem das Interesse nach wie vor sehr groß ist, wird in Warnemünde in Ehren gehalten, doch die Bildrechte sind der Universität Rostock vorbehalten.

Die Dienerin des Plattdüüütsch

Marita Bojarra alias Mariken

Mit Mariken Warnemünn ankieken" - diesem Aufruf folgen viele neugierige Touristen gern. Sie begrüßt die Rundgängler mit den plattdeutschen Worten: "Also ik bün Mariken, de mit dat grote Maul. Worüm ik so heit, dat will ik juch seggen." Damit hat sie die Lacher auf ihrer Seite und nebenbei die ersten Worte in Platt spielerisch übermittelt, denn das ist ihr größtes Anliegen. "Plattdeutsch ist kein Dialekt, sondern unsere Heimatsprache, die bewahrt werden muss", erklärt Mariken, "Ich appelliere besonders an alle Großeltern, mit ihren Enkeln platt zu sprechen". Als Farbtupfer der Stadt belebt sie die Rundgänge seit 1998 und hat damit überregionale Bekanntheit erlangt. Fanpost erreicht sie selbst aus den Vereinigten Staaten von Amerika. Immer einen lockeren Spruch auf den Lippen, neckt sie die Leute und gibt Anekdötchen bezogen auf Warnemünde zum Besten. Die Alleinunterhalterin arbeitet besonders gern mit Kindern, denn: "Über die Kinder werden die Alten wieder wach." Das sprachliche Erbgut müsse weitergegeben werden. In Schulen und Kindertagesstätten unterrichtet sie die begeisterten Kids in der plattdeutschen Sprache. "Ich gebe Unterricht mit Show, denn das Lernen mit Spaß ist viel effizienter", beschreibt sie. Sie war 17 Jahre lang Kindergärtnerin und machte sich 1997 mit ihrem besonderen Talent, Selbstbewusstsein und Freude zu geben, selbstständig. "Ich bringe die Menschen gern zum Lachen, schon seit meiner Kindheit", meint sie lächelnd. "Aber ich hätte nie gedacht, dass ich dieses Hobby zu meinem Beruf machen könnte." Mittlerweile ist die kecke Frau im maritimen Kostüm nicht mehr aus Warnemünde wegzudenken, sie gehört zum Stadtbild wie Leuchtturm, Teepott & Co. Viele Ideen hat sie schon umgesetzt, zum Beispiel das "Mariken-Memory", bei dem Kinder sowie Erwachsene spielerisch und einfach plattdeutsche Worte lernen. Auch hat sie eine eigene CD mit plattdeutschen Liedern veröffentlicht. Das plattsnackende Mariken hat zwei Töchter, und besonders erfreut ist sie darüber, dass die Jüngere ebenfalls Erzieherin lernt und damit in ihre Fußstapfen tritt. Wer in Warnemünde ist, muss das unverwechselbare Unikat Mariken unbedingt kennengelernt haben, "denn wer Mariken nicht kennt, der hat auch Warnemünde nie gesehen."