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Die Wahrheit über den Warnemünde-Mythos
Riesenwellen, Feuerquallen, Wale und ein Strandvogt, der alles im Griff hat
Der Strand von Warnemünde ist 350 Meter breit, sieben Kilometer lang, beherbergt 1700 Strandkörbe, 12 private Pächter, im Sommer bis zu 70.000 Urlauber am Tag und hat einen eigenen Verwalter - den Strandvogt Hans-Jürgen Otto. Dieser lebt für seinen Job und den Warnemünder Strand.
"Früher war es die Aufgabe des Strandvogtes, sich um die Unterbringung von Schiffbrüchigen zu kümmern und Strandgut zu verteilen. Ab dem Jahr 1900 wurde es ein Strandwärter, der sich um die Einhaltung der Baderegeln bemühte", erklärt Hans-Jürgen Otto. Die Regeln damals: Haut zu sehen war nicht erwünscht, Männer und Frauen durften nicht zusammen baden. "Wenn die Frauen ins Wasser wollten, wurde ein Badekarren mit Dame ans Meer geschoben, dann wurde der Karren gedreht, und dann durfte die Schwimmerin durch eine geöffnete Seite ohne Beobachtung ins Wasser steigen", so Otto. Seine Aufgabe heute ist immer noch, auf die Einhaltung der Regeln zu achten. Nur haben sich diese geändert: Keiner darf auf die Dünen klettern, die Gäste am Strand sind zu informieren, wo Hunde, FKK und Feuerstellen erlaubt sind und wo eben nicht, die Rowdys im Wasser mit ihren schnellen Skates sind zur Rücksichtnahme anzuhalten, und die Radfahrer auf der Promenade müssen absteigen. "Es geht aber nicht nur um Regeln, sondern auch um Service", sagt Otto. So kümmert er sich darum, dass bei den zwei Feuerstellen im Abschnitt 22 immer kostenloses Holz bereitliegt ("... so verhindern wir wilde Feuer."), der Sand Richtung Stadt abgefangen wird, die Badewasserqualität überprüft und bei hoher Qualität mit blauen Fahnen angezeigt wird. Tags ist Hans-Jürgen Otto ständig unterwegs, erklärt Kindergruppen Wissenswertes zu Flora und Fauna am Strand und kümmert sich um all die vielen Details. Nachts ist für die Sicherheit am Strand ein privater Wachdienst mit zwei bis vier Personen engagiert. "Im Sommer beschäftigen mich die Urlauber, im Herbst die Stürme", meint Otto. Bis Windstärke 12 gibt es in Warnemünde alles, Hochwasser und starke Verwehungen eingeschlossen. "Aber es gibt nichts, was wir nicht im Griff hätten", ist der Strandvogt überzeugt. Er nutzt seine Erfahrungen: "Bei Nordostwind kommen die Grün- und Braunalgen, bei Nordwestwind die Quallen." Nur ganz selten gibt es Feuerquallen. "Dann werden die Badegäste sofort gewarnt", verspricht Otto. Heilmethoden für die Hautreizungen durch Feuerquallen, deren drei bis vier Meter lange Tentakel sich durch die Strömung ablösen können, kennt er auch: mit Salzwasser abspülen und mit Panthenol-Spray oder Rasierschaum kühlen. Auch ein weiteres Phänomen, über das am Strand gern geklatscht wird, kann er erklären: Die geheimnisvollen Riesenwellen. Die Urlauber staunen immer wieder. Erst ist die Ostsee ruhig und flach, plötzlich kommen für ein paar Minuten scheinbar aus dem Nichts riesige Wellen, und dann ist wieder Ruhe. "Es ist ein Warnemünde-Mythos, aber eigentlich liegt es an der Fähre aus Gedser, die noch mit Dieselmotoren fährt und beim plötzlichen Abstoppen an der Hafeneinfahrt aller zwei Stunden riesige Heckwellen erzeugt." Wenn die Wellen am Strand ankommen, ist die Fähre oft schon nicht mehr zu sehen - deshalb die Fragen der Urlauber. "Dass es Wale in der Ostsee gibt, ist übrigens kein Märchen", so Hans- Jürgen Otto. Sie leben im Norden in den Tiefen, doch sind sie auch schon vor Warnemünde gesichtet worden.
Stets im Blick hat der Strandvogt auch die sieben Rettungstürme, die mit zwei bis drei Rettungsschwimmern besetzt sind. "Es passiert wenig und wenn, dann weil sich die Badegäste nicht an die Regeln halten, zu weit raus schwimmen, alkoholisiert oder überhitzt ins Wasser gehen."
Außer auf die Menschen achtet Hans-Jürgen Otto auch auf die Tiere an seinem Strand. Er versucht, die neugierigen Füchse zu schützen, die manchmal ihren Bau in den Dünen anlegen, erklärt Kindern und Erwachsenen das Leben der kleinen Krebse, der Muscheln und Fische. Ob Mensch, Tier oder Pflanze, ob Meer, Sand oder Düne, Sonne, Sturm oder Regen - Hans-Jürgen Otto mag einfach alles an seinem Strand und ist sehr eindeutig in seinem Urteil: "Der Strand von Warnemünde ist einer der schönsten an der Ostsee."