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„unser fokus ist die unterstützung von engagierten Stiftern.“
Disy im Gespräch mit Philipp Hof, Geschäftsführer vom Haus des Stiftens in München
Was ist für Sie Stiften?
Hof: Es gibt eine grobe Unterscheidung: Für Rechtsanwälte und Formaljuristen ist ein Stifter wahrscheinlich derjenige, der eine Stiftung gegründet hat und sein eigenes Geld anlegt, damit es einem Zweck zu Gute kommt. Die andere Variante ist die eher landläufige Interpretation, dass Menschen eine Stiftung, einen Verein oder eine andere Rechtsform haben, und für einen Zweck Geld sammeln. Es gibt Menschen, die mit 50.000 Euro eine Stiftung gründen und mit den Zinserträgen fördern. Rechtlich gesehen haben sie dann eine echte Stiftung. Es heißt aber bewusst nicht Haus der Stiftungen, damit eben diejenigen, die nur einen Verein gründen, nicht wegfallen.
Welche Unterschiede gibt es noch?
Hof: Ich würde zwischen den Privatpersonen und den Unternehmen unterscheiden. Auf der einen Seite haben Sie die großen, klassischen Unternehmensstiftungen in München, wie BMW, Siemens und Allianz, die das gesellschaftliche Engagement im Stiftungsumfeld prägen. Solche Unternehmensstiftungen gehen viel strategischer an die Themen heran, als die klassischen Personenstifter, wie Regine Sixt oder Michael Käfer, die oft ihre eigene Geschichte mit hineinbringen.
Können Sie noch weitere Namen nennen, die sich engagieren?
Hof: Die bekannten Leute in München, die als Stifter austreten, sind Langenscheidt und Quandt, die mit Children - For a better World viel gemacht haben. Herr und Frau Schörghuber, aber auch Fußballer wie Philipp Lahm, Oliver Kahn und Manuel Neuer. Thomas Müller dagegen engagiert sich sehr für die Nicolaidis Stiftung. Außerdem Schauspieler, wie Michael Roll, der wirklich viel macht und Jutta Speidel, die im Frauenhausbereich aktiv ist. Weitere sind das Ehepaar Holzhey, die sich gemeinsam mit der Tabaluga Stiftung engagieren. Bernd Eßmann, ein ehemaliger Investmentbanker, engagiert sich seit neun Jahren für ein Aids-Waisenkinder-Projekt, spendet viel Geld und berät neue Stifter. Peter Maffay ist ebenfalls aktiv und Thomas Gottschalk.
Wieviel wird generell gespendet pro Jahr?
Hof: In Deutschland sagt man etwa fünf bis sechs Milliarden pro Jahr.
Das ist nicht wenig Geld, oder?
Hof: Das hängt davon ab, wie man es differenziert. Wenn man vergleicht, wie viel für Shampoo und Reisen ausgegeben wird, ist dieser Betrag überschaubar. Und wenn sie es durch achtzig Millionen teilen, dann sind es im Durchschnitt ca. 60 Euro im Jahr.
Die Organisation verwaltet sich und hat zudem einen gewissen bürokratischen Kostenapparat. Wie viel von diesen sechs Milliarden Euro gehen tatsächlich an die Organisation und kann für gute Zwecke verwendet werden?
Hof: Die Frage ist, was dann mit dem Geld passiert. Also in den USA geht man sehr viel progressiver mit dem Thema Verwaltungskosten um, als wir das tendenziell machen. Dort sagt man zum Beispiel, dass zwanzig Prozent, die nicht direkt in die Projekte fließen, in Ordnung ist. Es muss aber klar werden, was genau aus den zwanzig Prozent wird, da diese auch für gute Zwecke verwendet werden sollen und der Spender oder Stifter ein Resultat sehen möchte. Dafür ist eine saubere Struktur nötig. Dadurch, dass in Deutschland häufig nicht über so etwas gesprochen wird, ist die Bandbreite wahrscheinlich zwischen drei Prozent und vierzig Prozent, aber keiner weiß es genau oder kennt die tatsächlichen Strukturen.
Und Jemand, der in Bayern, insbesondere hier in München, stiften möchte, kommt direkt zu Ihnen?
Hof: Nein, nicht nur. Ich denke, es gibt mehrere Helfer für Stifter, zum Beispiel die Stadt, der Stifterverband und wir.
Wer ist aus Ihrer Sicht, noch mit Interessantem aktiv in München?
Hof: Eine interessante Stiftung ist die Joblinge Stiftung, hinter der die Boston Consulting Group und BMW steht. Sie hat ihren Fokus auf dem Übergang von Schule und Beruf. Das heißt, für Jugendliche, die nicht weiter kommen, bieten sie ein Mentorenprogramm an. Dann gibt es noch die Hoffmann Group, die Weltmarktführer im Maschinenbau sind, das Unternehmen Knorr-Bremse und die Castringius Stiftung. Wer München auch im Stiftungssegement prägt, ist beispielweise der Geschäftsführer Martin Schütz mit der Otto-Eckart-Stiftung oder die Hans-Sauer-Stiftung, die bei uns mit im Haus sitzt und natürlich die Aldi Gruppe.
Was macht Aldi im sozialen Bereich?
Hof: Die Aldi Gruppe ist sowohl im Stiftungsbereich, als auch im Corporate Social Responsibility (CSR) Bereich im Hintergrund aktiv und das vor allem auf nachhaltige Weise. Welcome - Praktische Hilfe nach der Geburt, ist zum Beispiel ein Konzept, entwickelt von Rose Volz-Schmidt, das Aldi unterstützt. Dabei geht es darum, Mütter in den ersten Wochen auf ehrenamtlicher oder teil-ehrenamtlicher Basis intensiv zu begleiten. Es ist eine schöne Ergänzung, dass solche Firmen, wie Aldi, eine gute Idee fördern. Ich habe auch eine Partnerschaft zwischen Knorr-Bremse und Don Bosco, einem Jugendhilfswerk, mitbekommen und fand das Engagement im In- und Ausland sehr beeindruckend.
Was genau ist Don Bosco?
Hof: Der zweitgrößte Männerorden und eine ganz beeindruckende Organisation, deren Deutschlandzentrale in Haidhausen sitzt. Das Besondere ist, dass sie nicht wie viele andere irgendwo in den Klöstern sitzen, sondern mit den Jugendlichen in den Slums von Rio, San Paulo und Prag als Gemeinschaft leben. Sie begleiten die Jugendlichen letztlich vom Straßenkind bis hin zur Ausbildung und bleiben darüber hinaus in Kontakt. Die meisten Organisationen beschränken sich mehr darauf, an einer Stellschraube zu arbeiten, was auch richtig ist. Aber wenn in einer Stadt das System nicht durchgängig ist, verliert man auf dem Weg die persönliche Beziehung zu den Jugendlichen, die niemanden haben, der ihnen wirklich den Weg in die Fortbildung ebnet. Don Bosco hat wahrscheinlich in 80 Ländern dieser Welt ein gutes System aufgebaut.
Und inwieweit engagiert sich da Knorr-Bremse?
Hof: Knorr-Bremse geht mit solchen Organisationen Partnerschaften ein und unterstützt sie auf unterschiedliche Weise. Gerade das Ausbildungsthema ist für Knorr Bremse aus ihrer Unternehmenssicht näher dran, als ein kleines Straßenkinderprojekt, aber sie sind trotzdem in diesem ganzen Prozess eingebunden und leisten meiner Meinung nach strategisch gute Arbeit.
Haben Sie eine Übersicht, die die verschiedenen Förderschwerpunkte aufzeichnet?
Hof: Das muss erst erstellt werden und ist im Prinzip Aufgabe des Finanzamts. Aber in Deutschland sind alle Schwerpunkte in Schubladen eingeteilt und daran kann man sich orientieren. Die Bereiche, in denen sich die Stifter bewegen, sind vor allem Kinder- und Jugendhilfe, Umweltschutz, Bildung, Kultur, Sport, Gesundheit, Katastrophenhilfe und Soziales, wie zum Beispiel Behinderte, Senioren und Migranten. Es gibt also einige Segmente, in denen man sich engagieren kann. Eine Organisation, die aus meiner Sicht nicht fehlen darf, wenn es um Engagement in Deutschland geht, ist das Konzept Social Entrepreneurship, also Sozialunternehmertum. Sagt Ihnen das etwas?
Den Namen kenne ich, aber inhaltlich können Sie mich gerne aufklären.
Hof: Inhaltlich lässt sich das Konzept so erklären: vor dreißig Jahren hat eine Organisation häufig nur eine Spende, ohne einen bestimmten Verwendungszweck, erhalten. Die nachfolgende Generation möchte sich dagegen mehr einbringen, das heißt, die Konzepte und die Menschen dahinter kennen und über das Geld hinaus etwas zur Verfügung stellen, sei es in Form von Kontakten oder Know-How. Unter Sozialunternehmertum versteht man also eine unternehmerische Tätigkeit, die sich langfristig für die Lösung sozialer Probleme einsetzen will. In diesem Zusammenhang gab es einen ehemaligen McKinsey Chef, der vor fünfundzwanzig Jahren in Amerika eine Organisation namens Ashoka gegründet hat, eine internationale Organisation von und für Social Entrepreneurship. Seinen Analysen nach, sind die Menschen, die unternehmerisch an gemeinnützige Probleme herangegangen sind, besonders erfolgreich gewesen und dafür hat er viele Beispiele gefunden.
Können Sie ein paar nennen?
Hof: Mohamed Yunus, der Gründer und ehemalige Geschäftsführer der Grameen Bank, der das Thema Mikrokredite für arme Menschen weitergebracht hat und 2006 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet wurde. Außerdem ist er Gründungsmitglied der Global Academy von Ashoka.
Das bedeutet zum Beispiel, den Menschen in Indien dabei zu helfen, sich selbstständig zu machen?
Hof: Genau! Gute Ideen dieser Art gibt es viele und zwar weltweit. Die Ashoka Organisation sucht die Menschen mit den Ideen und fördert sie und ist mittlerweile riesen groß geworden. Die Deutschland Zentrale selber sitzt sogar in München und einer unserer Stifter unterstützt die Ashoka Fellows. Was man da bedenken muss ist, dass diese Social Entrepreneurship nur bedingt funktioniert. Wir haben manchmal die gegenläufi ge Position, dass Stifter zu uns kommen und ein Straßenkinderprojekt in Ghana fördern möchte, aber nur wenn es sich in drei Jahren rechnet. Da stehst du daneben und sagst, das kann sich nicht rechnen, es ist kein sich tragendes System und dann verlieren sie den Spaß. Ich glaube, beides hat seine Berechtigung. Bei Unternehmen würde ich persönlich darauf achten, wer Engagementpartnerschaften aufgebaut hat und sich dauerhaft einbringt, wie Knorr-Bremse und Don Bosco.
Welche Engagementpartnerschaften gibt es noch?
Hof: Die Hoffmann Group Foundation und Tabaluga. Michael Roll als Prominenter oder Schauspieler und wieder Tabaluga. Bei uns ist es jetzt Bernard Eßmann zusammen mit einer Organisation in Afrika, dieses Aidswaisen-Kinderprojekt.
Warum machen Sie das, als Geschäftsführer?
Hof: Weil ich glaube, dass es für uns als Gesellschaft extrem wichtig ist, Engagierte zu mobilisieren. Ich habe den Vorteil durch meinen Beruf, auf engagierte Stifter und engagierten Projekte treffen zu können. Wenn Du diese beiden Seiten zusammenführst und ihnen Hilfe bei der Buchhaltung und der Rechtsberatung anbietest, siehst Du, was daraus wächst und denkst Dir, schöne Geschichte.
Was hat Sie das Leben gerade in dem Bereich gelehrt?
Hof: Ich begegne sehr vielen Leuten und fi nde, dass Menschen, die sich überlegen, wo sie sich gerne einbringen würden, wen sie, auch als Person, gut fi nden und darum fördern möchten, nachher am meisten für sich selbst gewinnen. Mehr, als wenn sie sich nur auf das Ergebnis konzentrieren und zum Beispiel viele Straßenkinder unterstützen wollen.
Und persönlich als Mensch? Was hat Sie das Leben gelehrt?
Hof: Dass das gesellschaftliche Engagement einfach eine totale Bereicherung ist. Ich hatte früher schon damit zu tun, da mein Vater, zusammen mit der Familie, eine kleine Stiftung gegründet hat. Da habe ich festgestellt, dass Du eine Hilfsstruktur brauchst, um dich gescheit engagieren zu können, sonst musst Du Dich um alles selber kümmern. Das Geld der Stifter ist mit der Zeit einfach ein Teil von mir geworden und ich merke, dass es anderen auch so geht. Wenn die Gruppe der Engangierten irgendwann groß genug ist, habe ich die Hoffnung, dass sie wirklich viel bewegen kann.