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Die Münchner Wiesnwirte Teil 2

Disy sprach mit Georg Heide, Inhaber der Festhalle Pschorr-Bräurosl 

 

Sie sind seit 1987 erfolgreicher Wiesn-Wirt. Wieviel Besucher bedienen Sie?

Heide: Wir haben im Zelt und Garten Platz für 8.500 Besucher. Wir rechnen immer mit 150.000 Besuchern während der Wiesn. Wobei es durch den Wechsel zwischen der Mittags- und Abendrunde sowie dem Durchgangsverkehr im Gartenbereich unbestimmt ist. 

 

Trifft die Aussage: „Nach der Wiesn ist vor der Wiesn“?
Heide:
Ja. Natürlich. Die Aussage stimmt völlig. Schon während des Oktoberfestes merkt man, was nicht funktioniert hatte und wie man es nächstes Jahr lösen kann. Während der 16 Tage ist es nicht möglich, große Veränderungen vorzunehmen, dafür hat man die Vorbereitungszeit und die Auswertung im Nachhinein. Nach einer sehr langen Planung geht es über den Sommer in die „heiße“ Aufbauphase, wo man vor Ort sein muss. Wenn es soweit ist, muss alles stimmen. Da will ich mir über Dinge, die ich vergessen haben könnte, keine Gedanken mehr machen wollen. 

 

Wie groß ist Ihr Team?
Heide:
Wir haben einige Subunternehmer, welche den Sicherheitsdienst und die Reinigung übernehmen. Rechnet man die mit ein, so haben wir rund 400 Mitarbeiter. 

 

Ist es schwierig, alle zu koordinieren?
Heide:
Naja, da spielt die jahrelange Erfahrung eine wesentliche Rolle. Grundsätzlich unterschreibe ich über 300 Arbeitsverträge und führe Einstellungsgespräche. Daher bin ich sehr froh, wenn ein gewisser Anteil an Mitarbeitern wieder kommt, weil dieser sich einfach schneller zurecht findet. Gerade in den Führungspositionen ist langjährige Erfahrung enorm wichtig. Ich fühle mich da schon gefordert. 

 

Was gibt es bei Ihnen auf der Speisekarte?
Heide:
Unsere Speisekarte ist traditionell bayrisch abgestimmt. Nach wie vor ist das Wiesnhendl der Renner. Auch Haxe, Ente oder Sauer- und Schweinebraten verkauft sich gut. Wir halten uns an die klassische bayrische Küche. 

 

Ist es noch möglich, bei Ihnen zu reservieren?
Heide:
Nein! Wir sind ausgebucht. Von der einen Seite ist es für einen Wiesn-Wirt schön die Sicherheit zu haben, dennoch ist es schade so vielen Leuten eine Absage zu erteilen. Das Oktoberfest ist in den letzten 15 Jahren sehr gut angenommen worden. Ich bin durchaus stolz darauf, was die ganzen Betreiber und die Stadt bisher geleistet haben. Das Münchener Oktoberfest ist ein Erfolgsmodell geworden, welches auf der Welt einmalig ist. Es gibt über 200 Städte, die das Oktoberfest kopieren möchten, allerdings gibt es nur ein Original. Natürlich geht die Wiesn immer mit der Zeit. Auch die Jugend hat das Fest für sich entdeckt. Eine Veränderung, die schön anzusehen ist, ist der Wandel vom „Leinensack“ zur traditioneller Volkstracht, welche die Jugend auf der Wiesn trägt. Es gibt aber auch Verrückte, die rumlaufen, als wäre gerade Fasching. 

 

Sind Sie Jemand, der die traditionellen Werte hochlebt?
Heide:
Das habe ich von meinen Großeltern und Eltern mit in die Wiege gelegt bekommen. Meine Familie ist schon seit 1936 auf dem Oktoberfest mit einem Bierzelt vertreten. Und auf ein traditionelles Bierzelt, wie wir es sind, ist auch die Brauerei stolz. Sie möchte einen richtigen Traditionswirt, welcher die alten Traditionen aufrechterhält, ob es bei der Musik oder der Aufmachung ist. Auch meine Tochter ist seit zehn Jahren mit dabei und wird meine Nachfolgerin. 

 

Worauf freuen Sie sich bei der Wiesn am meisten?
Heide:
Auf meine Gäste, die wiederkommen. Ansonsten sind die 16 Tage für mich harte Arbeit. Ich bin von früh morgen um 7 Uhr bis Mitternacht immer vor Ort. Meistens sind es die kleinen Dinge, die mir während der Zeit immer wieder Freude bereiten. Wenn das Wetter mitspielt, so ist das Konzert am zweiten Sonntag ein Highlight. 

 

Haben Sie viele Stammgäste?
Heide:
Es hat sich so ergeben. Gerade die Firmen im Würmtal-Gebiet sind über uns auf dem Oktoberfest fest etabliert. Einige der Betriebe kommen seit über 30 Jahren zu uns ins Zelt. Es hat schon fast familiären Charakter. Und die nächste Generation in diesen Betrieben führt bei uns auf dem Oktoberfest die Stammtische weiter. Der älteste Stammgast bei uns wird dieses Jahr 87 und kommt seit über 50 Jahren zu uns. 

 

Was ist Ihre schönste Erinnerung an die Wiesn?
Heide:
Ich habe eine schöne Erinnerung aus meiner Kindheit. Gerade nach der ersten Woche war es für mich immer schön gewesen, mit meiner Mutter über die Wiesn zu gehen. Das Teufelsrad hatte es mir besonders angetan. 

 

„Wir rechnen immer mit insgesamt 600.000 Liter Bier und etwa 160.000 Portionen. Es ist wetterabhängig.“ 

 

Haben Sie auch prominente Gäste?
Heide:
Das wissen wir vorher nicht. Wenn sich hoher Besuch ankündigt, ob Oberbürgermeister oder Staatskanzlei, ist das immer sehr kurzfristig. Ein besonderes Highlight über viele Jahre war, wenn der Oberbürgermeister Christian Ude uns am letzten Sonntag besuchte. Er meinte auch: „Für mich sind die Wiesn erst vorbei, wenn sie in der Bräurosl das Il Silenzio spielen“. 

 

Wie ist das Verhältnis zu den anderen Wiesn-Wirten?
Heide:
Sehr kollegial. Man hilft sich immer gegenseitig. Das ist wahrscheinlich auch der Faktor, warum es auf der Wiesn so gut funktioniert. Jeder, der mit der Wiesn so eng verbunden ist, arbeitet zusammen. 

 

Gibt es neue Trends auf der Wiesn?
Heide:
Nicht für Wirte. Insgesamt wünschen sich die Gäste eher das Urtypische, Münchnerische. Ich denke, ganz egal ob man mit der Weißwurst oder die Schweinshaxn gut oder schlecht umgehen kann, es gehört einfach nach München. Darum ist das Hofbräuhaus so ein Selbstläufer. Dort bekommt der Gast sein Maß Bier und ein vernünftiges bayrisches Essen. Das ist Standart. 

 

Über all die Jahre, gibt es etwas, was Sie das Leben gelehrt hat? 

Heide: Demut und Bescheidenheit. Heutzutage hat sich vieles geändert, doch eines ist klar – der Gast bringt das Geld. Der Gast kommt, bezahlt und dafür muss man dankbar sein. Das ist mir wichtig. Und da geht es nicht darum, ein großes Geschäft zu machen und sich alles zu erlauben. Viele sagen: „Hier werden doch Millionen verdient.“ Wenn das so stimmen würde, so bliebe dennoch die Frage, warum ich mich 300 Tage im Jahr darauf vorbereite und das Oktoberfest noch mitmache. Die meisten würden sich doch schon längst auf die Bahamas verziehen. Warum sollte ich mir das noch antuen? Das ist die Demut, von der ich spreche, denn all die Strapazen gehören zur Arbeit mit dazu. 

 

Gibt es dennoch in Ihrem Alltag Momente, an denen Sie sich Ruhe gönnen?
Heide:
Schon. Im Herbst machen wir Urlaub und gehen wandern in Südtirol. Außerdem gönne ich mir als Senior den einen oder anderen Abend daheim. Dafür ist die Jugend da. Ich habe eine Tochter, die in meine Fußstapfen tritt. 

 

Was sind Ihrer Meinung nach die wichtigsten Wiesn-Empfänge?
Heide:
Die Bräurosl wird immer in Verbindung mit dem Rosa-Sonntag gebracht. Seit über 20 Jahren schon. Wir stehen auch dazu. Das ist eine tolle Veranstaltung, die sich über die Jahre entwickelt hatte. Als es damals mit dem Löwen-Club anfing, waren es etwa 500 Personen. Jetzt ist an dem Sonntag das Zelt voll. Dabei gibt es bei uns nichts Besonderes bei der Veranstaltung. An dem Tag dirigiert immer der Oberbürgermeister die Veranstaltung. Auch der amtierende Oberbürgermeister, Dieter Reiter, kam letztes Jahr. 

 

Würden Sie Ihre Traditionsverbundenheit als einen Teil Ihres Erfolgsrezeptes sehen? 

Heide: Anteilig, auf jeden Fall. Aber es ist auch die Struktur, die man da reinbrachte. Vieles war ja auch schon vorgegeben, was dann verändert wurde. Ab 2002 war ich mit meiner Frau alleine verantwortlich für das Zelt, da mein Vater in den Ruhestand gegangen ist. 2004 bekamen wir dann ein neues Wiesn-Zelt. Es war eine Herausforderung, das Zelt traditionell und dennoch modern zu gestalten. Schon ein Jahr vorher haben wir mit den Vorbereitungen dafür begonnen. Es sollte einen Wiedererkennungswert haben. Dies war eine wahre Herausforderung. Das Konzept ist ja von der Stadt vorgegeben. Es wird genauestens definiert, was man verkaufen oder ausschenken darf. Wir dürfen einige Gerichte und Getränke überhaupt nicht anbieten, da wir sonst anderen Anbietern schaden. Zum Beispiel dürfen wir keinen Kaffee oder Wein verkaufen. 

 

Wenn Jemand den gleichen Weg einschlagen wollte wie Sie, was würden Sie der Person raten?
Heide:
In der Größenordnung braucht man schon ein gewisses Maß an Erfahrung im Catering- Bereich. Es gab schon einige kleinere Betriebe, denen die Leitung eines Zeltes angetragen wurde und die daraufhin ablehnten. Selbst alteingesessene Wirte lassen von solchen Vorhaben ab, da es einfach eine Nummer zu groß ist. Es braucht sehr viel Zeit allein für die Vorbereitungen. Das darf man nicht unterschätzen. 

 

Hat sich logistisch was verändert?
Heide:
Eine wesentliche Besserung ist das Verleihsystem heute. Früher hatten wir alle Geräte selbst mitgebracht. Ob es Spülmaschinen oder Öfen waren, wir hatten alles, was man braucht. Heute ist es vernünftiger die Geräte von Firmen über die 16 Tage zu leihen. Sie werden angeliefert und auch gewartet. 

 

Wieviel Geld muss man bei Ihnen im Zelt mitbringen?
Heide:
Grundsätzlich sollte man 30 Euro dabei haben. Soviel kosten zwei Maß Bier und ein halbes Hendl bei uns. Dies ist aber auch gleichzeitig eine Platzreservierung. Und alles andere hängt davon ab, wie durstig man ist. 

 

Werden Sie in der Zeit auf der Wiesn zu einem anderen Menschen?
Heide:
Ich glaube es ist gerade dann, wenn es hektisch ist, Ruhe zu bewahren und diese auch auszustrahlen. Man darf sich nicht an Kleinigkeiten aufhängen und auch selbst anpacken können. Ruhe zu bewahren ist für mich das A und O.