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Pantanal die Serengeti Lateinamerikas
Das Pantanal ist eines der größten Binnenland-Feuchtgebiete der Erde und ermöglicht grandiose Beobachtungen – ob von Wasserschweinen, Papageien, Brüllaffen, Kaimanen oder mit viel Glück sogar von einem Jaguar.
Tage lang bin ich mit dem Spurensucher und Jaguarexperten Eduardo in der Nähe von Porto Jofre mitten im Pantanal unterwegs gewesen, habe mich von unzähligen Moskitos stechen lassen, bin mit dem Safarifahrzeug und dem Kanu in entlegene Gebiete vorgedrungen, nur um mit etwas Glück vielleicht doch einen der scheuen Jaguare zu sehen – vergebens. So ist die Natur, das ist der Reiz einer Safari. Dennoch bin ich unwahrscheinlich beeindruckt von diesem einzigartigen Landstrich, ich habe herumtollende Fischotter aus der Nähe erlebt und sogar einen Fischbussard auf der Jagd gesehen.
Im Gegensatz zu den zahlreichen Nationalparks mit berühmten Namen wie Serengeti oder Etoscha, Okavangodelta oder Masai Maara ist das Pantanal hierzulande eher unbekannt und unbeachtet. Tausende von Safarifreunden zieht es Jahr für Jahr vorrangig nach Afrika – die wenig erschlossenen und kaum besiedelten Schwemmlandebenen des Pantanal bleiben ein Geheimtipp. Dabei bietet dieses einzigartige Sumpfgebiet, das in etwa so groß ist wie Deutschland vor seiner Wiedervereinigung, außergewöhnlich vielseitige Beobachtungsmöglichkeiten, die nicht nur in Amerika ihresgleichen suchen. Im Jahre 2000 wurde das Pantanal durch die UNESCO mit dem Titel „Weltnaturerbe“ gewürdigt und erfährt nun etwas mehr Schutz und Aufmerksamkeit als zuvor. Das Naturparadies besticht mit einer Artenvielfalt von mehr als 600 Vogelarten – das sind mehr als in ganz Europa leben. Dazu beherbergt es die seltenen, blau schillernden Hyazintharas sowie weit mehr als 100 Säugetierarten. Neben Ozelot, Puma und Jaguar leben auch die vom Aussterben bedrohten Riesenottern, Sumpfhirsche und Capybaras (Wasserschweine), die mit mehr als 70 Kilo Lebendgewicht größten Nagetiere der Welt, im Pantanal. Am zahlreichsten vertreten sind jedoch Kaimane mit mehr als 30 Millionen Exemplaren. Das riesige Sumpfbecken befindet sich geografisch in der Mitte Südamerikas, etwa 1.500 Kilometer sowohl vom Atlantik als auch vom Pazifik entfernt, auf einer Meereshöhe von gerade einmal 100 Metern. Viele Flüsschen und der gewaltige Strom des Rio Paraguay fluten es jährlich einmal. Da das Gefälle des Flusses sehr gering ist (auf 20 Kilometer Flusslänge nur ein Meter Gefälle), strömen die Wassermassen der Regenperiode allmählich ins Pantanal und überfluten zwischen November und März weite Teile der Region. Nur höher gelegene Gebiete und Uferdämme bieten trockene Zufluchtsstätten. In der darauf folgenden trockenen Jahreszeit gibt das Wasser die Schwemmflächen und damit ausgedehnte fruchtbare Weideflächen langsam wieder frei.
Sagenumwobene Transpantaneira
Auf diesen ausgedehnten Steppen und Graslandschaften weiden dann bis zu drei Millionen Rinder. Das Pantanal gehört zum großen Teil Farmern, doch die haben es nicht leicht: Die Herden wollen gepflegt werden, oft werden Rinder von Raubtieren gerissen, der Staat verlangt Steuern für eine Infrastruktur, die praktisch kaum vorhanden ist. Viele Fazendas sind nur zur Trockenzeit zu erreichen, die meisten der einfachen Pisten werden in Eigenregie erhalten. Nur die sagenumwobene „Transpantaneira“ führt von Norden über 147 Kilometer in das Sumpfgebiet hinein, besteht aus mehr als 126 Brücken und verbindet Porto Jofre mit Pocone, welches wiederum mit einer gut asphaltierten Straße an Cuiabá angebunden ist. Cuiabá, die Hauptstadt des Bundesstaats Mato Grosso, ist mit dem Flugzeug täglich erreichbar und einer der beiden Startpunkte für eine Besichtigung der Region. Im nördlichen Pantanal befi nden sich mehrere Pousadas entlang der Transpantaneira, die sich als Ausgangspunkt für Tierbeobachtungen empfehlen. Meistens sind diese kleinen Gästebetriebe an eine Fazenda angeschlossen. In den letzten fünfzehn Jahren hat sich der Ökotourismus gut entwickelt, die Vielfalt der Aktivitäten wurde erweitert: Seit einiger Zeit können Besucher neben Safarifahrten entlang der Transpantaneira und einiger Feldwege nun auch Pferdeausritte, Wanderungen und Bootsausfl üge kombinieren. Im Laufe der Jahre haben sich die Tiere an die Besucher gewöhnt, dadurch sind sie „besser“ zu beobachten. Ein Führer hat sich auf das Beobachten von Jaguaren spezialisiert. Mit Glück kann man im nördlichen Pantanal entlang der Transpantaneira an einigen Stellen die seltene Raubkatze zu Gesicht bekommen. Allerdings muss man hierfür viel Geduld und ein paar Tage Zeit mitbringen.
In und auf dem Wasser
Ganz andere Spezies dieser üppigen Tierwelt lassen sich exzellent vom Boot aus beobachten. Mit einem Kanu befahre ich die zahlreichen Seen und Flüsschen nahezu geräuschlos. Dabei sehe ich neben unzähligen Capybaras auch Nasenbären, die mit dem Waschbären verwandt sind. Und einen Fischbussard auf Nahrungssuche. Blitzschnell stürzt er sich vom Ast eines Baumes startend direkt bis zur Wasseroberfläche, um mit seinen Krallen die Beute zu greifen, während er schon wieder mit majestätischen Schwingen an Höhe gewinnt. Mit geübtem Auge kann ich bereits aus der Ferne Kapuzineraffen in den Baumkronen erspähen oder einen der gewaltigen Jabiru-Störche, der mit 1,4 Meter Größe und bis zu 2,6 Meter Spannweite der größte Vogel Brasiliens ist. Am Ufer halten sich gut getarnt Landleguane sowie große Eidechsen auf. Und die bis zu drei Meter langen Kaimane sind allgegenwärtig. Mit dem Pferd geht es durch trockene Waldstücke oder sumpfige Wiesen, die mit einem Fahrzeug oder gar zu Fuß nicht erreichbar wären. Ich sehe gewaltige Sumpfhirsche und einen der seltenen Ameisenbären. Für die Vogelsafari eignet sich dann wiederum der Offroader besser. Ob Jacana, Ibis, Emu oder verschiedene Aras: Ein ornithologisch fachkundiger Führer, der die Tiere schnell aufspürt und eindeutig zuordnen kann, ist in jedem Fall ein Qualitätsmerkmal, das sich erst seit wenigen Jahren in den hochwertigen Lodges finden lässt. Eine Erfahrung anderer Art ist die Tierbeobachtung des Nachts. Mit einem Suchscheinwerfer ausgestattet starten wir im Dunkeln, um nachtaktive Tiere aufzuspüren. Ein Fuchs streift gerade durch sein Revier. In den Ästen der Bäume haben sich Vögel zur Nachtruhe niedergelassen. In den Flussläufen und Seen schillern orangerot leuchtende Punkte aus dem Wasser – die reflektierenden Augen der Kaimane. Nach diesen unbeschreiblichen Tierbeobachtungen geht auch meine Zeit im Pantanal vorüber. Langsam, aber sicher rollt unser Wagen die Pantaneira nach Norden zurück. Immer wieder grüßen mich die charismatischen Gauchos, die jetzt im Dezember die letzten Rinderherden in Sicherheit bringen. Mich beeindruckt immer wieder, wie sie der harten Alltagsarbeit nachgehen und mir als Fremdem ihre ausgelassene Freundlichkeit entgegenbringen. Vielleicht ist es nicht nur der verpasste Jaguar, vielleicht sind es diese beeindruckenden Pantaneiros, die den Wunsch in mir wecken, unbedingt wiederzukommen.
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Brüllaffe im Porträt
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Auch der schöne Storch mit dem schwarzen Kopf hat sein Futter bereits erwischt.
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Kaiman in ruhigem Wasser
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Jaguar – Das größte Landraubtier Amerikas
Autor
Jörg Ehrlich ist DIAMIR-Geschäftsführer und begeisterter Naturfotograf mit besonderer Leidenschaft für Tierbeobachtungen sowie Autor und Initiator zahlreicher Vorträge, Filme und Reisereportagen. (www.joergehrlich. de)
Veranstalter: DIAMIR Erlebnisreisen, Kleingruppenreisen und individuelle Touren, Berthold-Haupt-Straße 2, 01257 Dresden Tel.: 0351 – 31 20 77, E-Mail: brasilien@diamir.de, www.diamir.de