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Charlotte Knobloch im Gespräch mit Dr. Sonja Lechner

„Wenn Geschichte Sinn machen soll, dann den, aus Fehlern zu lernen“

 

Still ist es in dem Gemeinderaum der Kirche St. Matthäus am Sendlinger Tor, in dem 200 Gäste zusammen kamen, um der Einladung des Rotary-Clubs München Bavaria zu folgen. Unter dem Titel „Persönlichkeiten im Dialog“ bittet der Club jedes Jahr Menschen zum Gespräch, die sich den Titel „Persönlichkeit“ verdienen: Prof. Dr. Claus Hipp war einer von ihnen und „Butterkönig“ Toni Meggle sprach vor zwei Jahren mit Dr. Sonja Lechner über „Ethik im Unternehmertum“. 

 

Ethische Fragen stehen auch nun im Mittelpunkt des Austausches, denn dieses Mal ist Charlotte Knobloch die diesjährige Gesprächspartnerin von Dr. Sonja Lechner: 2006 bis 2010 war sie Präsidentin des Zentralrates der Juden in Deutschland, seit 1985 ist sie Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern. Sonja Lechner eröffnet die Veranstaltung mit Zitaten aus der Biografie „In Deutschland angekommen“ von Charlotte Knobloch: „Ich bin sechs Jahre alt. An der Hand meines Vaters irre ich durch die Straßen. Ich muss mich anstrengen, um mit Vater Schritt zu halten. … Wir dürfen nicht auffallen. Wir sind auf der Flucht. Mitten in unserer Stadt, in München. Um uns herum herrschen Lärm und Geschrei. … Auf den Straßen Münchens entlädt sich der von den Nazis angefachte „Volkszorn“.“

 

Dieser Bericht von der sogenannten Reichskristallnacht steht am Anfang der Veranstaltung. Im Anschluss berichtete Charlotte Knobloch, wie sie, 1932 in München geboren, mit vier Jahren von ihrer Mutter verlassen wurde, da diese die Repressalien, die ihr entgegenschlugen, da sie mit einem Mann jüdischen Glaubens verheiratet war, nicht mehr ertragen konnte. Sie berichtet, wie sie sich von ihrer geliebten Großmutter verabschieden musste, die nach Theresienstadt transportiert wurde und dort umkam. Und wie sie selbst nur überlebte, weil das ehemalige Dienstmädchen ihres Onkels, Kreszentia Hummel, sie auf ihrem Bauernhof in Gunzenhausen aufnahm und als ihre uneheliche Tochter ausgab. Unter dem Namen „Lotte Hummel“ überlebte Charlotte Knobloch den Krieg. Sie heiratete Samuel Knobloch und entschied sich mit ihrem Mann in München zu bleiben und ihre Heimatstadt wieder mit jüdischem Leben zu füllen. Ausdruck hierfür ist das jüdische Gemeindezentrum und die Synagoge am St-Jakobs-Platz, welche auf Ihr Betreiben hin errichtet und 2006 eröffnet wurden. 

 

Dort kamen Anfang Juni 2500 Menschen unter dem Motto „Zusammenstehen gegen Antisemitismus“ zusammen: Dass dieser in Gestalt des Skandals der Echo-Preisverleihung, der Übergriffe gegen einen Kippa-tragenden jungen Israeli in Berlin und weiterer Ausschreitungen in vielfacher Form präsent ist, bestürzt Charlotte Knobloch. Und sie ruft immer wieder dazu auf, Haltung zu zeigen. „Wenn Geschichte Sinn machen soll, dann den, aus Fehlern zu lernen“, so Charlotte Knobloch bei der Veranstaltung.

 

Haltung zeigen – auf diese Thematik geht auch Dr. Sonja Lechner in ihrem Schlusswort ein: „Im Grundgesetz heißt es in Artikel 4 Absatz 1: „'Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses sind unverletzlich.‘ Dieser Artikel sollte Toleranz garantieren, Verständnis für den anderen, ein Weltbild, in dem Vielfalt eine Bereicherung ist. Hoffen wir, dass das, was dieser Satz indirekt impliziert, nämlich, den anderen so zu behandeln, wie man selber behandelt werden möchte, Menschlichkeit dort walten lässt, wo sie ihren Platz hat: unter Menschen – gleich welcher Herkunft, gleich welchen Bekenntnisses.“

 

Gastgeber war Dr. Thomas Nesseler, der Präsident des Rotary Clubs München Bavaria. Seiner Einladung gefolgt waren viele „Rotarier“ wie zum Beispiel die Unternehmer Gerhard Wöhrloder Karl Schweisfurth (Hermannsdorfer), der die kulinarischen Köstlichkeiten für die Veranstaltung spendierte. Aber auch viele interessierte und engagierte Münchner wie Gerswid Herrmann, die Frau des bayerischen Innenministers Joachim Herrmann, außerdem Dr. Alexandra Gräfin von Arnim (Kunstareal München), Rechtsanwältin Sabina Frohwitter, Dr. Antonella Forte-Wolf (Allianz), Künstler Miro Craemer, uvm. Der gesamte Erlös aus dem Verkauf Eintrittskarten kam dem Frauenhaus München zugute.

 

Andrea Vodermayr