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„Ich habe überlebt“
Disy Reporter in der Höhle der Löwen
Blaue Flecken, Prellungen und Platzwunden. Eishockey ist eine der härtesten Sportarten der Welt und nichts für schwache Nerven. Disy Men war zum Saisonauftakt bei den Dresdner Eislöwen zum Derby gegen die Füchse aus Weißwasser dabei.
Vorbei an der Yenidze, kurz vorm Heinz-Steyer-Stadion lässt einen das Getöse schon erahnen, was die Zuschauer und mich erwartet. Die Stimmung in der Halle ist weit vor Anpfiff des ersten Heimspiels der Saison deutlich zu hören. In der Arena angekommen breitet sich sofort Gänsehaut am ganzen Körper aus. Die Halle bebt, die Zuschauer sind fantastisch gut drauf und feiern, als ob die Löwen schon gewonnen haben.
Mit einer Feuershow werden die Dresdner Spieler auf dem Eis lautstark begrüßt. Die Erwartungen nach der erfolgreichen Premierensaison in der 2. Bundesliga sind hoch, die Leistung sollen bestätigt werden. „Diesem Anspruch müssen wir uns stellen“, formuliert Löwen Präsidentin Barbara Lässig. Auf den ausverkauften Rängen stellen die Fans mit einer imposanten Choreografie ihren Standpunkt dar: „Deutschland ist Blau-Weiß!“ Die Vorzeichen stehen auf Sieg, die Bilanz gegen die Füchse ist positiv und mit Radek Vit konnte noch ein erfahrener Spieler aus der DEL verpflichtet werden.
Das Spiel der Eislöwen ist nervös und zerfahren. Nach zwei gespielten Dritteln steht es 2:2 unentschieden, Daniel Menge konnte jeweils die Führung der Füchse ausgleichen. Schräg hinter mir stehen zwei ältere Herren, der Konversation nach zu urteilen sind beide schon lange eingefleischte Eislöwen-Fans. „Die sind viel zu langsam, kein Pass kommt an“ schimpft einer von den Beiden. „Kein Spielfluss“ erwidert der Andere. Zwei, drei gute Eislöwen-Aktionen später klatschen sie miteinander ab und loben ihr Team in höchsten Tönen. So sind echte Fans nun einmal.
Zu Beginn des Schlussabschnitts steht ein gegnerischer Spieler frei vor dem Dresdner Keeper Marek Mastic, der mit einer spektakulären Parade den Puck in seiner Fanghand sichern kann. Die Ausrüstung der Torhüter kann bis zu 18 Kilogramm schwer sein, umso bemerkenswerter ist die Beweglichkeit des Goalies. Nicht ganz so viel an Ballast müssen die Spieler mit über das Eis tragen, den spritzigeren Eindruck machen allerdings die Gäste aus Weißwasser.
Wenige Sekunden nach der Glanzparade des Dresdner Torhüters schlägt der Puck dann doch wieder im Tor der Eislöwen ein. Dabei kann das kleine, schwarze Spielgerät aus Hartgummi eine enorme Energie entwickeln. Das Beschussamt in München hat das „Geschoss“ Eishockeypuck einmal getestet und den Schuss eines Spielers mit einer Geschwindigkeit von 167 km/h gemessen. Das sind unglaubliche 46,5 Meter pro Sekunde. Bei einem Gewicht von 163 Gramm hat der Puck eine Energie von 176,22 Joule. Der Vergleich mit einem Faustschlag und einem Kleinkalibergwehr ist erstaunlich.
Der Schlag eines Boxers bringt es auf ungefähr 50 Joule, das Projektil eines Kleinkalibergewehres schlägt „nur“ mit 137 Joule ein. Die Fläche des Pucks ist aber deutlich größer, trifft der Puck mit der flachen Seite verteilt sich die Energie. Schlägt die Scheibe aber mit der Kante ein, so ist die Gefahr ähnlich groß wie von einem Kleinkaliber. 18 Kilogramm Torhüter-Ausrüstung sind also mehr als angebracht. Dresdens Goalie Marek Mastic weiß also ganz genau, wie es sich anfühlt „beschossen“ zu werden. Leider am heutigen Spieltag zu oft. Das Spiel geht mit 3:5 verloren. Löwen sollte man bekanntlich nicht reizen, die nächsten Gegner werden nun auf noch hungrigere Raubiere treffen. Der Jagd nach Beute hat begonnen.
(Sascha Martin, Disy Men Herbst 2006)