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Kolumne einer Dresdner Frau: Disy Men Frühling 2006

Eine Frauenkolumne: Wir wollen keine perfekten Männer

Ich will, dass mein Mann die Wahrheit sagt. Ich bin ein Gegner von Klischees und Pauschalaussagen in der Form wie: „Alle Männer sind Lügner." Aber warum können unsere Männer nicht genug Vertrauen haben und uns die Wahrheit sagen?

Es ist ja nicht so, dass er mich absichtlich verletzen will. Meistens, wenn ich ihn darauf anspreche, erklärt er mir die noblen Hintergründe der Halbwahrheiten und Schwindeleien. Er wolle mich nicht belasten, er sah keinen Anlass, mit mir darüber zu reden, wenn ich die Wahrheit gewusst hätte, hätte ich sie falsch verstanden.

Aber ist das ein Grund, mir dummes Zeug zu erzählen? Ich bin ein mündiger Mensch. Ich kann selbst einschätzen, was ich von den Dingen halte, und muss sie nicht von meinem Mann zensiert bekommen. Auch bin ich kein zartes Pflänzchen, das im Angesicht der Realität des Alltags zusammenbricht. Und falsch verstehen werde ich die Wahrheit auch nicht, wenn sie mir ohne Schnörkel und Verzerrungen präsentiert wird.

Manchmal habe ich das Gefühl, dass sich Männer und Frauen gegenseitig nicht trauen. In den wenigsten Familien ist das Vertrauen so groß, dass der eine Partner für den anderen die „Hand ins Feuer legen würde". Dabei ist für mich Vertrauen die Basis einer Beziehung.

Wenn mein Mann Probleme und Sorgen hat, dann will ich sie mit ihm teilen. Ich möchte ihm helfen und will im Bilde sein. Ich verstehe, dass er mich beschützen möchte und die Probleme mit sich allein austrägt. Aber ich akzeptiere das nicht. Ich fühle mich ausgeschlossen.

Wir Frauen wollen keine perfekten Männer. Uns muss man nichts vormachen. Ihr braucht nicht den starken Mann zu spielen, der alles im Griff hat, für den es keine Sorgen und Ängste gibt. Das ist nicht glaubwürdig. Sobald ihr anfangt, euch deswegen ein Hilfslügennetz zu spinnen, wird es „Essig". Eine Lüge folgt der anderen, einmal ertappen wir euch und sind von da an misstrauisch. Wir beginnen jede eurer Aussagen zu hinterfragen. Stimmt das, was er sagt? Ist es ein Teil der Wahrheit? Ist es die gefärbte Wahrheit oder eine komplette Lüge? Das Schlimmste ist dann, dass wir unserer Fantasie freien Lauf lassen: Wie könnte denn die Wahrheit aussehen? Was ist wohl der Grund, dass er schwindelt? Liebt er mich nicht mehr oder hat er gar noch mehr zu verbergen? Eine andere Frau, ein anderer Mann, hat er ein Kind, von dem wir nichts wissen, hohe Schulden, für die wir mit zur Verantwortung gezogen werden, muss er bald sterben?

Ihr seht, liebe Männer: Mit Unwahrheiten macht ihr es nur noch schlimmer. Akzeptiert uns Frauen als gleichberechtigte Partner, als Vertraute und behandelt uns mit Respekt. Denn den verwehrt ihr uns mit Lügen. Lieber eine schlimme Wahrheit als eine schöne Lüge!

Wir lieben euch, so wie ihr seid – real, wahrhaftig und glaubhaft.

PS: Nicht dass ich inzwischen wirklich einen Mann hätte ...

(Disy Men Frühling 206)