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Sommer 2006

Wie spät ist es? Das ist die Frage, mit der ich meine Mitmenschen nerve. Ich trage nämlich keine Uhr. „Zeitlos glücklich“, erkläre ich immer salopp. Verrückt: Zunehmend zeigen mir meine nach der Zeit befragten Mitmenschen ihre nackten Handgelenke. „Ich trage auch keine Uhr.“ Kürzlich war ich mit meinem Disy-Team in Hamburg. Eine Gruppe von acht zufällig zum Hafenrundgang zusammengewürfelten Leute hatte komplett keine Zeitmesser. Obwohl wir bei der Disy stets pünktlich sind.

Was ist los mit den Menschen und der Zeit? Wollen wir sie absichtlich ignorieren? Wollen wir in einer immer hektischeren Welt Zeichen setzen: „Wir lassen uns nicht von diesem Messgerät geißeln?“ Nun, einige haben bei dem „No watch“-Syndrom sicher praktische Gründe. Sie holen auf meine Frage, welche Stunde geschlagen hat, oft ihr Handy aus der Tasche. Wozu zwei Zeitmesser. Richtig.

Andere begründen es mit den Kommunikationsmöglichkeiten. „No watch“ als Flirtpusher. Alles Ausreden. Wem wird schon gern bewusst, wie schnell die Zeit vergeht. Schon wieder Weihnachten? Welches Datum ist heute? Ach, hatten wir nicht gerade erst Mai? Am schnellsten fliegt der Alltag vorüber.

Bei Gleichförmigkeit schrumpft die Zeit in der Erinnerung zusammen. Ein Zeitforscher hat mir mal den Tipp gegeben, stets Veränderungen anzustreben. Das füllt das Leben und in der Wahrnehmung vergeht die Zeit langsamer. Hören Sie oft die Klage, die Zeit vergehe immer schneller? Das hat der Zeitforscher mit den Relationen begründet. Für ein dreijähriges Kind scheint ein Jahr ewig lang, schließlich ist es ein Drittel seines Lebens. Für einen 60-jährigen Mann verfliegt das sechzigstel Lebenszeit wie im Flug.

Wie die meisten will ich mein Problem mit der Zeit nicht zugeben. Also habe ich ein anderes Ziel für meine Schuldzuweisung: die Männer. Sorry, ich erfülle nur das Klischee: „Typisch Frau.“ Also: Ich habe da bei Juwelier Leicht eine Uhr gesehen, eine Cartier. Die hätte mich zum Uhrenträger bekehren können. Doch welche Frau kauft sich schon selbst so eine Uhr?
Also nerve ich eben weiter mit: „Wie spät ist es denn?“ Meine Schuld ist es schließlich nicht.


Herzlichst Ihre