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Interview mit Dirk Hilbert, dem Dresdner Bürgermeister für Wirtschaft

Der Dresdner Wirtschaftsbürgermeister Dirk Hilbert möchte mehr Jugendliche für Wissenschaft und Technik begeistern und unsere Stadt attraktiver für junge Familien und internationale Führungskräfte machen. Disy-Redakteur Hans-Holger Malcomeß hat nachgefragt.

Disy: Weshalb sollte man gerade jetzt in der Dresdner Region investieren, welche Vorteile bietet unser Standort im Vergleich zu anderen Städten Europas?
__Ein großer Vorteil ist, dass wir in Dresden sehr viele Forschungseinrichtungen vor allem im naturwissenschaftlich-technischen Bereich haben: die TU Dresden, die Hochschule für Technik und Wirtschaft, elf Fraunhofer-Einrichtungen, fünf der Leibniz-Gesellschaft und drei von der Max-Planck-Gesellschaft. Dazu kommen zahlreiche private Entwicklungseinrichtungen. Neun weitere Hochschulen runden die Bedeutung des Wissenschaftsstandortes Dresden ab. Nahezu einmalig ist die herausgehobene Stellung der Hochtechnologie: Im Jahr 2004 waren 55% der Beschäftigten im verarbeitenden Gewerbe in der Hochtechnologie tätig, zehn Jahre vorher lag dieser Anteil noch bei 37 %. Im Vergleich liegt diese Quote deutschlandweit bei durchschnittlich 22 %. Ein weiterer Vorteil ist, dass durch WOBA-Verkauf und weitere Privatisierungen die städtischen Finanzen konsolidiert worden sind: Dresden ist dadurch die erste deutsche Großstadt, welche keinerlei
Schulden mehr hat. Statt wie viele andere Kommunen Geld in Schuldentilgung und Zinszahlung zu stecken, können wir gezielt Zukunftsprojekte u.a. im Bildungsbereich fördern. Ein dritter Vorteil ist, dass unsere Einwohnerzahl seit Jahren zunimmt und wir über ein sehr gutes und hochmotiviertes Fachkräftepotenzial verfügen. Dies liegt nicht zuletzt daran, dass hier erfreulicherweise wieder mehr Kinder geboren werden. Schließlich darf die Lebensqualität auf keinen Fall vergessen werden. Dresden mit seiner gelungenen Symbiose aus Kultur, Wirtschaft und Wissenschaft verfügt über einen einmaligen Charme.

Disy: Wie schätzen Sie die derzeitige wirtschaftliche Entwicklung der Stadt ein?
__Positiv! Ich verweise dabei auf das Städte-Ranking in der „Wirtschaftswoche“, bei dem Dresden unter 50 deutschen Großstädten als dynamischste Stadt eingeschätzt worden ist. Wir haben mit 13,7 % die niedrigste Arbeitslosenquote der neuen Bundesländer. Mit 6,8 % Wirtschaftswachstum im Jahr 2004 liegen wir weit über dem deutschen Durchschnitt. Vom gesamten Gewerbesteueraufkommen Sachsens wird mittlerweile fast jeder vierte Euro in Dresden erwirtschaftet. Die Konzentration auf Wachstumskerne, um die herum sich viele mittelständische Unternehmen ansiedeln können, hat sich als richtig erwiesen. Zu diesem Erfolg haben der Freistaat Sachsen und der Bund mit ihrer gezielten Technologieförderung und Ansiedlungspolitik viel beigetragen. Die positive Entwicklung zeigt sich auch daran,
dass eine ganze Reihe Dresdner Unternehmen in den nächsten Jahren ihre
Standorte erweitern wollen.

Disy: Welche Branchen sind in Sachsen groß im Kommen, welche Zukunftsbranchen vermissen Sie in der Dresdner Region?
__Die traditionellen sächsischen Branchen sind vor allem der Automobilbau, der Maschinenbau und mittlerweile auch die Mikroelektronik. In diese Bereiche ist in den
letzten Jahren sehr viel investiert worden. Im Trend liegt momentan die Nanotechnologie, da ist Dresden einer der wichtigsten Standorte in Deutschland. Groß im Kommen sind auch der Bereich neue Materialien, z.B. Leichtbau, und die Biotechnologie einschließlich der regenerativen Medizin. Nicht vergessen sollte man die erneuerbaren Energien. Hier treiben einige sächsische Unternehmen die Entwicklung voran, als Stichworte möchte ich nur die Photovoltaik, die Biomasseverarbeitung und Brennstoffzellen-Technologie nennen. Wir müssen jedoch nicht alle potenziellen Zukunftsbranchen hierher holen. Sinnvoller erscheint mir die Konzentration auf ausgewählte Bereiche und die bessere Vernetzung zwischen bestehenden Branchen, beispielsweise zwischen Biotechnologie und Mikroelektronik. Auch der Wissenstransfer von Hochschulen und Forschungseinrichtungen in den Praxisbereich kann noch effektiver gestaltet werden.

Disy: Welche Unterstützung bietet die Stadtverwaltung Dresden speziell kleinen
und mittelständischen Firmen an?

__Mein Geschäftsbereich nimmt für Firmen eine „Lotsenfunktion“ durch die Dresdner Ämter wahr, eine Art Investoren-Begleitservice. Wir bieten Unternehmen an, zwischen den einzelnen Ämtern, die zum Teil fachlich unterschiedliche Einschätzungen haben, zu vermitteln und diese bei konkreten Wirtschaftsprojekten an einen Tisch zu holen. Dadurch wird Zeit gespart und Investitionen möglichst schnell auf den Weg gebracht. Mit uns haben die Firmen einen klaren Ansprechpartner innerhalb der Stadtverwaltung, der für sie alle Behördenwege aus einer Hand ermöglicht. Desweiteren bieten wir vor allem für kleine und mittelständische Unternehmen sehr günstige Grundstückspreise in Gewerbegebieten und Technologiezentren. Außerdem veranstalten wir jeden dritten Montag im Monat den Wirtschaftsstammtisch im „Italienischen Dörfchen“ (immer ab 19.00 Uhr), zu dem jeder Unternehmer herzlich eingeladen ist.

Disy: Was empfehlen Sie Existenzgründern, die in Dresden den Schritt in die Selbstständigkeit wagen?
__Als Erstes empfehle ich ihnen, das Dresdner Gründerbüro zu nutzen. Hier finden sie alle zwei Monate im Rathaus alle Einrichtungen des Gründerbereiches, angefangen von der Sächsischen Aufbaubank über die IHK bis hin zur Agentur für Arbeit. Der nächste Termin ist am 28. November. Desweiteren können Existenzgründer jederzeit auf die Infrastruktur der Stadt zurückgreifen, sich beispielsweise in den von uns initiierten Technologiezentren günstig einmieten und dort alle Beratungsleistungen in Anspruch nehmen.

Disy: Was ist Ihre persönliche Vision für Dresden?
__Ich habe die Vision, dass Dresden in wirtschaftlicher Hinsicht ein zweites München wird: hohe Lebensqualität, interessante Jobs, gutes Einkommen. Dafür muss Dresden noch wesentlich attraktiver werden für junge Familien und internationale Führungskräfte. Eine kinderfreundliche Stadt und eine möglichst rasche Sanierung aller Schulen sind wichtige Voraussetzungen dafür. Des Weiteren sollte sich Dresden und sein Umland als gemeinsame starke Wirtschaftsregion begreifen. Mich beschäftigt auch die Frage: Wie können wir mehr junge Menschen für Wissenschaft und Technik begeistern? Da geschieht schon einiges in Dresden. Als Stichworte seien hier nur die Projekte „Schule und Wirtschaft“ sowie die Kinderuniversität genannt. Die im Rahmen der „Stadt der Wissenschaft“ am Elbufer aufgebaute „Erkennbar“ hatte mit ihren Veranstaltungen mehr als 4000 Besucher angelockt. Das sind Projekte, die unbedingt fortgeführt werden sollten.

Interview: Hans-Holger Malcomeß (Disy Men Herbst 2006)