- Dezember 08, 2021
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Willkommen zurück, willkommen zu Hause
Langsam bewegt sich das Schiff von der Hafenmauer weg. Leise. Graziös. Auf dem Außenteil der Brücke steht Kapitän Morten Arne Hansen mit lachenden Gesicht und Tränen in den Augen. Unweit seine Ehefrau, die ihn auf dieser besonderen Reise begleitet. Auch ein Fernsehteam ist dabei: „Verrückt nach Meer“ wird gedreht. Es ist die erste Reise seit Beginn der Corona-Pandemie auf einem Kreuzfahrtschiff von Phoenix Reisen. Die erste nach den emotionalen und wirtschaftlichen Dramen der letzten Monate.
Die MS Amera und die MS Amadea liegen noch in Bremerhaven fest. Die MS Albatros, von dem sich der Veranstalter während der Corona-Monate trennte, wird dieser Tage in Indien verschrottet. Verantwortliche, Crew und Passagiere sind emotional sehr bewegt. Glück und Hoffnung steht in den Gesichtern, gemischt mit Sorge. Wir das alles klappen unter den neuen Bedingungen?
Die Erfahrungen, die die Crew und auch einige anwesende Stammgäste in den ersten Corona-Monaten erleben mussten, prägen für´s Leben, höre ich immer wieder. Kaum beginnt man ein Gespräch, ist das Gegenüber in einer hoch emotionalen Erinnerungswolke an die Odysee der MS Artania um die Welt. „Das hat uns noch mehr als Phoenix-Familie zusammen geschweißt“, so Kapitän Morten Arne Hansen. „Man hat in einer absoluten Krisensituation gesehen, wem man vertrauen kann. Ich habe ein tolles Team.“
Die MS Artania war gerade in Australien als die Pandemie ausgerufen wurde. Die Häfen schlossen, das geplante Loading in Oakland fiel aus, wo 90 Tonnen Nahrung und Getränke aufgenommen werden sollten. Der Plan war dann: In 30 Tagen ohne Stopp zurück nach Deutschland. Doch dann wurden vier Passagiere und drei Besatzungsmitglieder positiv getestet. Die Behörden setzten das Schiff fest. „Polizei, TV-Hubschrauber über dem Schiff, Drohnen und dann kamen die gespenstischen Autos angefahren - große Busse mit zugeklebten Fenstern und Menschen mit Schutzanzügen und Visieren. Es war eine furchtbare Situation“, erinnert sich Kreuzfahrtdirektor Klaus Gruschka. Die dramatische Zeit dauerte mehrere Wochen, drei Menschen starben. Das ausführliche Interview über die schlimmste Zeit der MS Artania lesen Sie in der nächsten Ausgabe der Disy Hamburg, im Magazin „Weltlust“ und vorab auf www.disy-magazin.de .
Die Euphorie über den Restart ist groß, aber es schwingt immer eine gewisse Melancholie mit. Bei so mancher Ansage vom Kapitän oder den beiden Kreuzfahrtleitern, beim Willkommens-Empfang, beim VIP-Cocktail, bei Borddurchsagen, brechen die Stimmen. Man ist einfach überwältigt. Für mich ist diese Atmosphäre eigenartig. Ich fühle mit ihnen, obwohl ich nicht dabei war. Meinen Mitreisenden scheint es ebenso zu gehen. Es entwickelt sich eine große Solidarität zwischen Crew und Gästen. Man klatscht stärker bei den Aufführungen und Reden, man ist freundlicher zu den Besatzungsmitgliedern, man will unterstützen und mithelfen, dass alles gut wird. Die Corona-Regeln werden von den Passagieren ohne Murren eingehalten – Maske tragen auf dem Schiff, Abstand halten (sogar im Kampf gegen Reiseleiterin Caro, die die Gäste mehrfach aufforderte beim Origami zusammen zu rutschen und die Masken abzunehmen), sogenannte Bubble Tours auf den Ausflügen (kein Kontakt zu Einheimischen, nur in der Gruppe bleiben, nichts kaufen, keine Toilettenbesuche). Nur die schwedischen Reiseleiter hatten manchmal kein Verständnis und diskutierten mit den Abgesandten vom Schiff: „Drei Stunden Rundfahrt ohne Toiletten-Pause geht nicht.“ Doch! Die MS Artania – Crew blieb hart. Da hätte die Reiseleiterin in Stockholm vorher selbst wohl nochmal gehen sollen.
Die ganze Reise war ein Wechselspiel der Gefühle. Am Anfang spürte man eine große Unsicherheit der Besatzung. Die Routine fehlte und man wollte unbedingt Fehler vermeiden. In den Restaurants musste serviert werden, auch da, wo das vorher nicht üblich war. Großes Chaos herrschte in den ersten zwei Tagen im Service besonders im Restaurant Lido auf Deck 8. Wer bediente wo? Wer war für was verantwortlich? Was für Speisekarten gab es überhaupt? Ganze Tische wurden vergessen. Die Wartezeiten waren ewig. Man empfahl den Gästen, sich das Essen lieber auf die Kabine zu bestellen. Gesagt, versucht. Beim Anruf kam die Auskunft, dass es noch gar keinen Kabinenservice gab in den ersten Tagen. Zurück in´s Restaurant war nicht möglich. Überfüllt und zu spät. Letztlich gab es – wie immer bei Phoenix Reisen – eine Lösung, die alle zufrieden und satt machte. Die erste Reise nach 14 Monaten Pause – es musste sich einspielen. Das Verständnis war groß.
So bewegt wie die Emotionen war bald auch die See. Wind und Wellen, die Kraft der Natur in voller Stärke, abwechselnd mit Sonnentagen. Ich spürte den Funken in mir, der langsam nach Monaten des Lockdowns und des Pandemie-Stresses, der Sorgen um den Verlag, um die Kinder und die Gesundheit, wieder zündete: Das Leben kehrte zurück, die Kraft, die Leidenschaft. Man wurde in mehrfacher Hinsicht durchgeschüttelt. Die erste Reise auf der MS Artania war heftig. Von den Destinationen in Schweden bekam ich nicht viel mit. Die Bubble-Ausflüge waren meist kurz und das Schiffsleben überlagerte das Erleben. Plötzlich wieder so viele Menschen, Gespräche, Gefühle. Als empathischer Mensch, der genau zuhörte bei den Erzählungen über Erlebnisse und Empfindungen der Besatzung und der Mitreisenden, war ich nach der ersten Reise völlig erschöpft. Und ich fuhr nur mit. Wie musste es erst den Verantwortlichen gehen?
Kurzentschlossen buchte ich gleich die Anschlussreise. Wenn sich alles eingespielt hatte, hoffte ich auf ein paar Tage Erholung. In Bremerhaven, am Tag des Passagierwechsels, waren wir die einzigen Passagiere an Bord. Das war sehr cool. Außer, dass unsere Kabinenstewardess offenbar dachte, wir hätten die Abreise verpasst und uns seit dem frühen Morgen mit Faustschlägen gegen die Tür und heftigem Rufen aller paar Minuten weckte und mehrfach, trotz „Bitte nicht stören“-Schild neben meinem Bett auftauchte. Sie verstand uns nicht. Dass sie neben meinem Bett auftauchte und mich weckte, war ich schon gewohnt. Gruselig.
Das war aber auch die einzige Person, vor der wir uns an Bord fürchteten. Die anderen schlossen wir schnell in unser Herz. Einige waren da sogar schon drin. Genau 15 Jahre zuvor hatte ich mit einem anderen Schiff des Veranstalters, der MS Amadea, eine Weltreise gemacht. Und – man sollte es nicht glauben – einige alte Freunde traf ich hier wieder: Katrin Gleiß-Wiedmann war damals Sängerin und jetzt künstlerische Leiterin an Bord, Bordarzt Dr. Winfried Koller hatte mir schon mal in der Südsee nach einem nächtlichen Badeausflug einen Seeigelstachel aus dem Fuß geholt und F&B-Manager Viktor Milenkov, der mir schon als Kellner wegen seiner fröhlichen und offenen Art in Erinnerung war, sorgte jetzt für den Superservice. War das schön! Da durfte auch mal eine herzliche Umarmung sein. Außer meinen Kindern habe ich keine Familienmitglieder mehr. Und das hier… Das war, auch nach 15 Jahren so, als hätte man doch eine Familie. Die Phoenix-Familie. Das schafft kein anderer Kreuzfahrt-Veranstalter.
„Am Anfang hatte ich schon ein mulmiges Gefühl als die Seiten- lage, zumindest für mich, besorgniserregend war. Mein Interview mit dem Lektor musste ich ein paar Mal unterbrechen. Es war das schrägste Interview, das ich jemals führte.“
Die zweite Reise war 13 Nächte lang und hatte fast die gleiche Route im Programm mit Göteborg und Stockholm. Neu waren Lysekil, Karlskrona, Örnsköldsvik und Trelleborg. Alles schwedische Häfen. Nett und entspannt. Da das meine dritte von fünf Ostseekreuzfahrten unter Corona-Bedingungen war, waren die Häfen auch dieses Mal nicht sehr wichtig. Andere Kreuzfahrtschiffe waren in den letzten Monaten auf vielen Reisen völlig ohne Hafen-Stopps unterwegs. Ich verstand, dass Passagier auch das mochten.
Unser Höhepunkt des Tages war das tägliche Dinner im Restaurant „Vier Jahreszeiten“. Wir nutzten immer denselben Tisch und kannten die Kellner und Restaurantverantwortlichen nach ein paar Tagen. Die Scherze der philippinischen Service-Kräfte, die Zaubertricks für und mit den Kindern durch die Kellner, die Gespräche mit den Restaurant-Verantwortlichen und den Passagieren an den Nachbartischen – das wurde unser Dreh- und Angelpunkt auf dem Schiff. Dieser runde Tisch war unser Zentrum. Und das tat gut. Natürlich schmeckte auch das Essen. Nur der kostenlose Wein… Naja! Ich gönnte mir dann immer mal eine andere Flasche von der Weinkarte, die extra bezahlt werden musste und die ich allein über ein paar Tage verteilt leerte. Das war dann richtig gut.
Frühstück konnte man übrigens ab dem Ende der ersten Reise auch auf die Kabine bestellen. Das war natürlich großartig. Leider war es meist kühl und regnerisch: Aber in Decken eingehüllt konnten wir so auf unserem Balkon die Köstlichkeiten genießen. Was für eine schöne Möglichkeit bei einer Kreuzfahrt. Toll!
Helgoland konnten wir leider nicht anfahren. Das war schon ein paar Tage vorher abzusehen. Wir hatten auf beiden Reisen einfach Pech mit dem Wetter. Sommer auf der Ost- und Nordsee eben. Mal so, mal so. Trotz Windstärke 10 und Seegang 8 ging es uns an diesem Tag gut. Wir versuchten, an Deck zu bleiben, uns gegen den Wind zu stemmen und beobachteten die Wellen. Außer uns waren kaum Passagiere unterwegs. Eine kleine Gruppe hatte sich hinten im Freien mit Wodka neben der Phoenix Bar platziert. Am Anfang hatte ich schon ein mulmiges Gefühl als die Seitenlage – zumindest für mich – besorgniserregend war. Mein Interview mit dem Lektor musste ich ein paar Mal unterbrechen, um ein paar Schritte zu laufen. Es war das schrägste Interview, das ich jemals führte. Aber alles in allem hatte ich ein gutes Gefühl auf der MS Artania. Der Kapitän pumpte das Wasser um und das Schiff stabilisierte sich. Generell lag die Grand Lady für mich gefühlt gut im Wasser. Das ist sicher individuell – aber ich hatte mit dem Schiff eine super Verbindung. Das Vertrauen war groß in den Veranstalter, den Kapitän und in den Schiffsarzt.
Freundlicherweise organisierte Phoenix Reisen, dass wir statt am nächsten Morgen schon am Abend wieder in Bremerhaven festmachen konnten. „Keiner will die ganze Nacht in der Deutschen Bucht rumschaukeln“, erklärte Kreuzfahrtleiter Klaus Gruschka. Ich war von Herzen dankbar, denn ich wusste, dass das wieder Extrakosten für den Veranstalter in Bonn bedeutete. Da kann man sich bei Phoenix Reisen wirklich drauf verlassen: Es wird nicht gespart, wenn es um das Wohl der Passagiere geht.
Der Abschied am nächsten Morgen war entsprechend emotional. Wir verließen noch vor der ersten Klopf-Tirade unserer Stewardess die Kabine. Beim Frühstück und der Verabschiedung der Kellner und Verantwortlichen im Restaurant weinten meine zwei Kinder. „Seid immer gut zu Eurer Mama!“, sagte ein Kellner zum Abschied. „Mama ist das wichtigste auf der Welt.“ Er hatte selbst Kinder in seiner fernen Heimat. Draußen an Land hörten wir kaum solche Worte und da merkte ich schon, wie auch ich emotional wurde. Mit den weinenden Kindern lief ich durch´s Schiff. Der große Bruder war tapferer als der Kleine. An der Gangway verabschiedeten wir uns von anderen Crewmitgliedern und ich mich von beiden Kreuzfahrtleitern, Klaus Gruschka und Jörn Hofer. Und was immer es war auf diesen Schiffen, ich musste mit den Tränen kämpfen. So lange kannten wir uns gar nicht und es war am Anfang auch nicht alles reibungslos verlaufen. Aber wir tickten doch ähnlich und ich hatte mich irgendwie umsorgt und sicher gefühlt. Phoenix-Gefühl, Phoenix-Familie. Das machen die schon gut.