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Compliance im Gesundheitswesen
Ein Königsweg existiert nicht
Vom Sachgeschenk über das Abendessen bis hin zur gesponserten Weiterbildung – Betrugsvorwürfe im Gesundheitswesen sind keine Seltenheit und erzeugen häufig großes mediales Interesse. Dabei ist den Beteiligten nicht immer klar, wo die Grenzen zwischen Legalität und Strafbarkeit liegen. Um die Grauzone zu verringern, trat Mitte des letzten Jahres das Gesetz zur Bekämpfung von Korruption im Gesundheitswesen in Kraft. Die Compliance-Verantwortlichen müssen in ihren Häusern für eine adäquate Übersetzung sorgen, um ein Alltagsverständnis bei allen Akteuren zu schaffen. Beim „1. Deutschen Kongress für Compliance im Gesundheitswesen“ trafen sich in Leipzig Experten aus Praxis und Wissenschaft und diskutierten gemeinsam mit mehr als einhundert Teilnehmern die Implikationen von Compliance-Richtlinien.
Herr Professor Wolfgang E. Fleig, Medizinischer Vorstand und Sprecher des Vorstandes des Universitätsklinikums Leipzig, eröffnete und begleitete den Kongress, der vom Universitätsklinikum Leipzig initiiert und durchgeführt wurde. In zwei Blöcken mit jeweils drei verschiedenen Panels wurde den Besuchern ein breites Themenspektrum unter dem Fokus Compliance in Kooperationen, im Krankenhaus, in Organisationen sowie aus wissenschaftlicher Perspektive geboten. Nach einführenden Impulsvorträgen wurden in den Workshops Praxisbeispiele und konkrete Fragen diskutiert.
Mit gutem Beispiel voran
Wozu braucht man eigentlich Compliance? Dieser Frage ging Peter Zimmermann, CEO der WESTEND Communication GmbH, aus medien- und kommunikationswissenschaftlicher Perspektive am Abend des ersten Kongresstages nach. Die Corporate Identity eines Unternehmens werde von der Führungsebene vorgelebt. Auch die Einhaltung der geltenden Compliance Standards liege in deren Verantwortung. Anhand prominenter Beispiele zeigte Zimmermann auf, welche Folgen Non- Compliance auf die öffentliche Wahrnehmung betroffener Unternehmen haben könne. Eine Unternehmenskultur, in der die Normen für Compliance sowohl intern als auch extern kommuniziert und umgesetzt werden und zudem Fehlbarkeit nicht als Schwäche gelte, stelle die beste Prävention dar.
Zentraler Bestandteil der Unternehmenskultur
Der Fachanwalt für Medizinrecht, Dr. Daniel Geiger, plädiert beispielsweise dafür, Compliance zu einem zentralen Bestandteil der Unternehmenskultur zu machen um sich angesichts fehlender politischer Klarheit nachhaltig abzusichern. Schließlich genüge die bloße Frage nach Strafbarkeit nicht. Die größte Herausforderung sei es, selbst herauszufinden, ob man sich im Rahmen des rechtlich Erlaubten bewege. Das mache die Implementierung von Compliance in einem Unternehmen so wichtig.
Die Big Five der Implementierung von Compliance
Professor Hendrik Schneider, Inhaber des Lehrstuhls für Strafrecht an der Universität Leipzig, ging nachfolgend detailliert auf die „Big Five“ zur Implementierung von Compliance in Unternehmen ein. Auf eine, je nach Unternehmensbereich spezifische, Begriffsbestimmung von Compliance solle die Identifikation von Primärzielen einer Compliance-Strategie folgen und die letztendliche Implementierung mit einer Institutionalisierung im Unternehmen einhergehen. Fragen nach der personellen Besetzung wichtiger Positionen in der Compliance-Abteilung und Instrumenten zur Durchsetzung innerhalb eines Unternehmens seien hierfür zentral. Nur so werden die Weichen für eine nachhaltige Compliance-Strategie gestellt.
Begründeter Anfangsverdacht nötig
Auf Basis ihres praktischen Erfahrungsschatzes stellte die Hamburger Staatsanwältin Cornelia Gädigk heraus, dass eine gute Compliance-Strategie bei der Einwerbung von Drittmitteln, in Kooperationen oder Studien immer mit Transparenz und einer guten Dokumentation einhergehen solle. Dabei warnte sie aber davor, zu viel Panik vor Gesetzesverstößen zu schüren. Schließlich liege auch seit Einführung der Paragraphen 299 a und b kein Ansturm an Anzeigen vor und die Staatsanwaltschaft könne ohnehin erst bei Vorliegen eines begründeten Anfangsverdachtes selbst aktiv werden.
Eine Frage der Angemessenheit
In einem weiteren Panel thematisierte Dr. Geiger wiederkehrende Unklarheiten, die angesichts der fehlenden Vorgaben vom Gesetzgeber entstünden. So seien Kongresseinladungen und Fortbildungssponsoring stets relevante Diskussionspunkte. Fakt sei, dass es kaum einen Berufszweig gäbe, in dem Fortbildungen so wichtig seien, wie innerhalb der Ärzteschaft. Da die Budgets der Krankenhäuser in den seltensten Fällen hausinterne Fortbildungen ermöglichen, sei man zur Teilnahme an externen Veranstaltungen gezwungen. Ist der vom Arzt aus der Fortbildung gezogene Vorteil angemessen, so habe dieser nichts zu befürchten. Das gelte auch für Berater- und Referentenverträge, bei denen eine Orientierung an Marktüblichkeiten am einfachsten sei. Mit der Einführung der Paragraphen 299 a und b sei auch bei Kooperationsvereinbarungen zwischen Kliniken und Dienstleistern Vorsicht geboten. Dr. Holger Diener, Geschäftsführer der Freiwilligen Selbstkontrolle für die Arzneimittelindustrie e. V. und Elisabeth Engels vom Arzneimittel und Kooperation im Gesundheitswesen e. V. rieten deshalb zur Prüfung bestehender Verträge, um Risiken zu minimieren.
Praxisnah
Dr. Stephan Meseke, Leiter des Stabsbereiches zur Bekämpfung von Fehlverhalten im Gesundheitswesen beim GKV-Spitzenverband, und Eike Klaan, Vorsitzender des Disziplinarausschusses der Kassenärztlichen Vereinigung Sachsen, widmeten sich in ihrem Panel dem Nachgang der Frage „Wie gehen wir mit vertragsärztlichen Pflichtverletzungen um?“ und ergänzten den theoretischen Kontext durch die Vorstellung von Fällen aus der Praxis. Als Empfehlung sprachen beide das Aufstellen und Kommunizieren fester Regeln aus. Diese dienen als Maßnahme gegen mangelndes Problembewusstsein und gäben somit mehr Sicherheit für Mitarbeiter.
Dort ansetzen, wo der Gesetzgeber zu wenig regelt
Praxisbeispiele zu Compliance in der Wissenschaft lieferten Markus Jones, Stellvertretender Kaufmännischer Direktor sowie Leiter des Geschäftsbereichs Recht, Drittmittel und Compliance des Universitätsklinikums Heidelberg und Christian Radzewitz, Vorstandsbeauftragter für Dienstherrenangelegenheiten und Compliance am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf. Auch sie wiesen auf die Wichtigkeit der Auseinandersetzung mit dem Thema Compliance hin. Schließlich helfe das Wissen, um bestehende Unrechtsvereinbarung zu identifizieren dabei, selbst Vorgaben zu schaffen und damit dort anzusetzen, wo der Gesetzgeber die Gesundheitsbranche allein lasse. Ein Königsweg existiere aber leider nicht.
Keine Ängste schüren
Wichtig sei es laut Fazit, keine Ängste zu schüren. Stattdessen seien umfangreiche Informationen und transparente Kommunikation gute Voraussetzungen, um Vorgaben regelkonform umzusetzen. Professor Philipp Schloßer der Hochschule Rosenheim beendete sein Panel mit der Aussage „Wir sehen überall nicht regelkonformes Verhalten, das auf Straftaten hindeutet, aber das ist nicht so. Durchdenken Sie alles sauber, legen Sie Ihre eigenen Richtlinien fest, so entziehen Sie den Nährboden für endlose Diskussionen.“