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Ein Projekt mit Potenzial - Das Technologieportal soll Dresdens Wissenschaft stärker vernetzen

Dresdens Wissenschaftslandschaft boomt. Sichtbares Indiz dafür war der volle Erfolg der TU Dresden bei der zweiten Phase der Exzellenzinitiative des Bundes und der Länder. Um den Technologiestandort noch besser zu vernetzen, gibt es seit 2010 den DRESDEN-concept e. V. - zur Verbesserung der Infrastruktur und gemeinsamen Nutzung der hochspezialisierten Technik stellt die Vereinigung ein neuartiges Technologieportal zur Verfügung. Wir sprachen mit Dr. rer. nat. Matthias Fichtner über die Vorteile dieses Netzwerkes.

Was ist der Hintergrund des Technologieportal- Projekts?
Dr. Fichtner: Das Technologieportal ist ein Teil der Initiative DRESDEN-concept, der sich vor allem auf die Suche nach Synergien im Bereich der Infrastrukturnutzung, also der gemeinsamen Nutzung von Geräten und Techniken bzw. Services, konzentriert. Partner sind dabei in der Regel Institute oder andere öffentliche Einrichtungen, Universitäten, Hochschulen, Bibliotheken und so weiter - hauptsächlich Forschungsinstitute, aber keine privaten Firmen.

Wie gestalten Sie die Verbesserung der Infrastruktur konkret?

Dr. Fichtner:
Das Portal ist im Grunde eine Datenbank, wo die Nutzung dieser Geräte unter bestimmten Bedingungen und zu festgelegten Konditionen angeboten werden kann. Auf diese Art können dann neue Querverbindungen und gemeinsame Projekte entstehen. Mit dem Portal stellen wir den Partnern von DRESDEN-concept einen zentralen, kostenfreien Service als IT-Werkzeug zur Verfügung. Allein schon, dass es das Werkzeug gibt, ist für die meisten sehr nützlich, weil wir uns selbst um die stetige Weiterentwicklung des Portals kümmern und den Instituten so Arbeit abnehmen können. Natürlich hat das auch den Hintergrund, dass man Kosten einsparen möchte. Nicht jedes Institut benötigt sein eigenes Gerät, das es äquivalent schon woanders gibt, wo man es für eine bestimmte Dauer nutzen könnte, wenn es nicht ausgelastet ist. So minimieren sich hohe Anschaffungskosten.

Ist es häufig der Fall, dass teure Geräte gar nicht voll ausgelastet sind?

Dr. Fichtner: Pauschal kann man das nicht sagen, aber es gibt sicher viele, auf die das zutrifft. Es kommt immer auf den Bereich und den Lehrstuhl an. Mit den Förderbedingungen wird das immer schwieriger, aber es gab in der Vergangenheit viel Potenzial und das existiert auch heute noch. Trotzdem ist das Portal im Moment noch nicht so etabliert, wie es sein könnte.

Woran liegt das?
Dr. Fichtner: Teilweise herrscht noch die Meinung vor, dass die Institute eine Anschaffung für sich selbst behalten wollen. Und anfangs bereitet die Nutzung des Portals natürlich auch ein bisschen Mühe. Die Vermietung der Geräte muss abgerechnet werden, also die Bürokratie muss geregelt werden. DRESDEN-concept ist gerade dabei, diese Rahmenbedingungen für alle Partner einheitlich zu definieren. Dadurch soll auch diese Bürokratielast ein Stück weit von den einzelnen Wissenschaftlern genommen werden, damit diese sich nicht mehr damit beschäftigen müssen.

Ist diese Form der Vernetzung in Dresden eine völlig neue Idee gewesen?
Dr. Fichtner: Es gab natürlich schon immer Quervernetzungen der Institute und auch Verbindungen, über die Geräte und Services ausgetauscht wurden, aber das war bisher sehr bilateral, individuell und nur zwischen wenigen Partnern.

Bisher war der Überblick nicht umfassend genug?
Dr. Fichtner: So kann man das sagen. Man kennt natürlich sein Nachbarinstitut oder die fachverwandten Forschungen und Einrichtungen, manchmal hört man auch das Eine oder Andere, aber der umfassende Überblick fehlte bisher. Ein wichtiges Ziel unsereres Portals ist es daher, diesen Überblick zu schaffen, indem wir eine vollständige Übersicht zur vorhandenen Infrastruktur anbieten. Das dient der Transparenz und einer einfachen und schnellen Recherche für die Wissenschaftler. Wenn ein Problem auftaucht, kann man sich natürlich nicht auf eine wochenlange Recherche einlassen. Dann könnte es durchaus schneller gehen, das benötigte Gerät innerhalb dieser Zeit anzuschaffen. Wenn die Transparenz sich in Zukunft verbessert, wäre es denkbar, dass man auch für die Neuanschaffung von Geräten Argumente und Entscheidungshilfen findet, indem man erkennt, welche Nachfrage es am Standort gibt und wo der Bedarf in der Forschungslandschaft sehr hoch ist.

Also ist die Schnelligkeit für Sie sehr wichtig?
Dr. Fichtner: Die Geschwindigkeit und vor allem die Einfachheit ist ein wichtiges Credo. Die Oberfläche des Portals ist suchmaschinenähnlich und sehr leicht verständlich. Man bekommt direkt Suchvorschläge, um ein Gefühl zu entwickeln, was in der Datenbank überhaupt enthalten ist. Mittels Single Sign-On erhalten Mitarbeiter mit ihren institutseigenen Logins Zugriff zu unserem Portal, um ihre Angebote und das Institutsprofil zu pflegen. Eine doppelte Pflege einer institutsinternen Datenbank zusätzlich zu unserer wird vermieden, indem wir Schnittstellen für die automatische Synchronisation aller Angaben anbieten. Sehr entscheidend im Hinblick auf die einfache Nutzung ist für uns auch, dass man für eine Anfrage sofort einen Ansprechpartner hat. Also werden über die Datenbank direkte Kontakte angeboten, ohne Zwischenschritte über uns, von denen wir finanziell profitieren könnten. Jeder, der eine Anfrage stellen will, kann sich sofort direkt an den Verantwortlichen wenden, per Mail oder Telefon.

»Wenn die Transparenz sich in Zukunft verbessert, wäre es denkbar, dass man auch für die Neuanschaffung von Geräten Argumente und Entscheidungshilfen findet.«

Ist es vorgesehen, dass irgendwann auch über die Website abgerechnet werden kann?

Dr. Fichtner: Das wird wahrscheinlich nicht so. Die finanziellen Angelegenheiten sollen bei den Instituten und in deren Systemen verbleiben. Dabei geht es ja um diskrete Datenangaben. Es wird aber ein Modell geben, wie die Abrechnung erfolgen kann.

 

Wie sieht das Programm aus?

Dr. Fichtner: Man kann sich das wie eine Art Rahmenkooperationsvertrag vorstellen. Es gibt immer auch juristische Hintergründe, zum Beispiel die Haftung. Diese Dinge müssen noch geregelt werden. Und damit das nicht jedes Institut mit jedem individuell klären muss, wird DRESDEN-concept so etwas einheitlich für den Austausch bereitstellen.

 

An welchen Verbesserungen arbeiten Sie außerdem aktuell?

Dr. Fichtner: Wir planen gerade die Umsetzung eines Buchungssystems, in dem beispielsweise die Auslastung und auch teilweise die Kosten für eine Nutzung sofort ersichtlich wären, ohne dass man erst eine Anfrage zu stellen braucht. Nicht immer können die Kosten allerdings pauschal angegeben werden. Dass das BuBuchungssystem momentan noch fehlt, ist sicherlich auch ein Punkt, weswegen sich einige Partner im Moment noch nicht so aktiv engagieren. Die zentrale Reservierung ist eine Anforderung, die viele Institute haben.

 

Sonst passiert es, dass die Mitarbeiter viele Anfragen absagen müssen, weil die Geräte schon ausgelastet sind?

Dr. Fichtner: Richtig, das macht dann mehr Arbeit, diesen Kalender immer wieder zu kommunizieren, daher wollen wir das, wenn möglich, weitestgehend automatisieren. Außerdem haben wir im Moment nur einen Überblick über die Frequentierung der Seite, aber nicht über die Nutzung der Angebote. Mit einem Buchungssystem könnte man die tatsächliche Auslastung natürlich leichter nachvollziehen.

 

Wann soll das Buchungssystem verfügbar sein?

Dr. Fichtner: Wir beginnen im Oktober diesen Jahres noch mit der Entwicklung, also wird es vielleicht bis zum zweiten Quartal 2015 fertig sein. Dann können wir sicher einen Protoypen zur Verfügung stellen.

 

Wie lange gibt es denn das Technologieportal schon?

Dr. Fichtner: Wir haben im Jahr 2010 begonnen, das Portal zu entwickeln. DRESDEN-concept ist formell etwas jünger, aber die Ideen gab es schon vor der Gründung. Die Initiative ist Teil des Zukunftskonzepts in der Exzellenzbewerbung der TU Dresden gewesen. Das Technologieportal ist nur ein Projekt von Dresden -concept, es gibt auch noch weitere, wie das Welcome@DRESDEN-concept-Projekt für internationale Wissenschaftler, über das schon häufig berichtet wurde. Oder auch den Dresden Science Calendar, der sich in der Dresdner Wissenschaftsszene inzwischen sehr etabliert hat.

 

Ist das ein weiteres Vernetzungsprojekt?

Dr. Fichtner: Das ist ein wissenschaftlicher Veranstaltungskalender für Dresden. Vorher hatten alle Institute ihren eigenen Kalender, damit gibt es jetzt eine umfassende, einheitliche Übersicht für alle Fachgebiete. Ebenso wird das Technologieportal für alle Fachrichtungen angeboten, auch wenn die Datenbank derzeit noch vorrangig Services und Technik der Biotechnologie umfasst.

 

Ist das so gewollt?

Dr. Fichtner: Das liegt auch am Forschungsstandort Dresden. Unabhängig davon haben wir zum Beispiel auch Angebote vom Fraunhofer IWS, Fraunhofer IKTS oder Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf. Dort finden Sie dann Elektronenbeschleuniger und dergleichen - zum Beispiel auch eine Zentrifuge, die man ja für Materialien in sämtlichen Bereichen verwenden kann. Trotzdem ist der Gesundheitssektor hier sehr groß und sehr wichtig; generell ist der biomedizinische Bereich hier in Dresden sehr stark.

 

Wie sieht die Nutzung des Portals im Moment aus?

Dr. Fichtner: Wir bekommen darüber nicht immer eine Rückmeldung. Sicher gibt es neue Projekte und Kontakte, die schon Querverbindungen schaffen, aber der große Ansturm ist bisher eher ausgeblieben. Das hat verschiedene Gründe: Zum Einen betrachtet die Universität alle ihre Gebiete unabhängig voneinander. An der TU Dresden ist zum Beispiel die Transparenz nicht richtig gegeben. Die meisten Daten haben wir hier aus einem älteren System übernommen; andere sind dann hinzugekommen und einiges wurde verbessert, aber was fehlt, ist der Überblick und die Durchschaubarkeit. Außerdem agiert jeder Bereich und jede Fakultät politisch autonom und kann für sich über die Nutzung des Portals entscheiden. So wurden bisher viele Lösungen dezentral geschaffen, die Technologien zu verwalten.

 

Was kann man dagegen tun?

Dr. Fichtner: Wir wollen diese Situation verbessern, indem wir jetzt im Herbst einen neuen Mitarbeiter einstellen, der insbesondere innerhalb der TU diese Überzeugungsarbeit leisten soll und sich auch um mehr Öffentlichkeitsarbeit kümmert. Die Anforderungen und Probleme, also die konkrete Nutzung des Technologieportals, soll dann in jedem einzelnen Bereich diskutiert werden. Es gab zwar auch an der Uni schon von oberster Stelle den einen oder anderen Verweis zum Technologieportal, aber es ist natürlich keine Pflicht, sie zu nutzen. Das wäre auch gar nicht umsetzbar. In Zukunft wollen wir die Institute daher direkt ansprechen. Innerhalb der Universität muss man es dabei mit einer riesigen Hierarchie aufnehmen...

 

Es wirkt wesentlich aufwendiger, die Neuanschaffung eines Geräts zu beantragen, wenn man eines nutzen könnte, das es an einem anderen Standort schon gibt. Oder ist es auch ein Problem, dass es Förderungen in der Regel nur für Neuanschaffungen gibt und nicht für die Mietung von Geräten?

Dr. Fichtner: Das ist auch vollkommen richtig, wobei mittlerweile in der Forschungsförderung ein Umdenken stattfindet. Bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gibt es beispielsweise schon neue Förderrichtlinien, wo man auf solche Dinge achtet. Wir stehen mit der DFG sehr eng in Kontakt und dort ist unser Portal bekannt. Von der DFG wird ein ähnliches Portal betrieben namens RIsources. Dieses beschreibt bundesweit Einrichtungen detailliert, die wissenschaftliche Geräte oder Services anbieten. Dagegen bietet unser Portal detaillierte Beschreibungen und künftig auch Buchungsverwaltung aller Geräte und Services in Dresden an.

 

Wie unterscheidet sich das Portal von dem Technologieportal?

Dr. Fichtner: Man kann das nicht eins zu eins vergleichen; die Inhalte sind unterschiedlich und die Beschreibung findet bei der DFG auf einer anderen Ebene statt. Im Portal RIsources finden Sie Beschreibungen zu Facilties und Institute. Wir listen ja bis hin zum einzelnen Gerät auf. Der Grundgedanke ist aber derselbe: Es sollen mehr Transparenz und eine kosteneffiziente Forschungsinfrastruktur geschaffen werden. Auf EU-Ebene gibt es ebenso ein Portal namens MERIL. Gemeinsam verfolgen alle das Ziel der Kosteneffizienz - ein Thema das immer wichtiger wird. Entsprechend werden die Förderrichtlinien immer mehr angepasst.

 

Wäre es wünschenswert, solche Portale auch zusammenzuführen, sodass Gerätschaften in ganz Sachsen oder Deutschland verfügbar gemacht werden?

Dr. Fichtner: Da die wissenschaftlichen Geräte in der Regel den Standort nicht wechseln können, weil sie zu empfindlich, komplex und teuer sind, sind diese Geräte und Services nur vor Ort verfügbar. Der maßgebliche Synergieeffekt der Initiative DRESDEN- concept ergibt sich daher aus der örtlichen Konzentration von einer großen Zahl von Forschungseinrichtungen. Dresden hat den bundesweit einmaligen Vorteil, dass alle 4 in Deutschland führenden Forschungsinstitutionen (Fraunhofer Gesellschaft, Leibniz Gemeinschaft, Max Planck Gesellschaft, Helmholtz Gemeinschaft) gleichzeitig am Standort vertreten sind. Unser Standort bietet daher großes Potential, das wir noch zu erschließen haben, und wovon alle profitieren können.

 

Wird das Modell folglich komplexer, wenn sich mehr Partner beteiligen?

Dr. Fichtner: Genau. Jede Forschungseinrichtung hat andere Auflagen. Max Planck Institute sind beispielsweise anders gefördert und haben andere Auflagen als zum Beispiel die Fraunhofer Gesellschaft, sowohl, was die Förderung ihrer Infrastruktur, als auch, was die zentrale Finanzierung betrifft. In der Hinsicht haben wir hier in Dresden eine sehr komplexe Landschaft, weil hier alle vier großen Forschungseinrichtungen bzw. -gemeinschaften niedergelassen sind.

 

Und diese Einrichtungen mussten bei der Erstellung des Abrechnungsmodells alle mit einfließen?

Dr. Fichtner: Richtig, denn die Fraunhofer- Institute und Max-Planck-Institute zum Beispiel müssen den Richtlinien und Auflagen ihrer Muttergesellschaften folgen. Und DRESDEN-concept muss dann dazwischen einen Konsens finden.

 

Also werden aktuell auch keine weiteren Partner gesucht?

Dr. Fichtner: Zum Verbund DRESDEN-concept zählen mittlerweile alle großen Einrichtungen aus Wissenschaft und Kultur Dresdens. Die Angebote der unserer Partner werden fortlaufend erweitert. Natürlich gibt es zum Beispiel auch für Firmen die Möglichkeit, die Angebote unserer- Partner zu nutzen, aber für Partner wird es wesentlich einfacher und schneller gehen.

 

In der Datenbank finden sich Angebote für Technik, Services und Technologien. Wie kann man das voneinander abgrenzen?

Dr. Fichtner: Unter der Technik sind die Geräte zusammengefasst, Technologien bezeichnen die Methoden. Services wären dann eine Kombination aus beidem; beispielsweise gibt es kostenintensive Geräte, die man nur mit gewisser Schulung bedienen kann oder haftungstechnisch auch darf. Diesen Expertenservice würden die Institute dann mit vermieten. Methoden wären also geräteunabhängige Dienstleistungen, wie theoretische Analysen oder Statistiken. Aber im Detail bildet das Portal auch noch nicht alles ab, momentan liegt der Schwerpunkt auf der Technik, die eine bestimme Facility zur Verfügung stellt.

 

Wie kann man den Facility-Gedanken zusammenfassen?

Dr. Fichtner: Wir sehen als Facility eine zentrale Einheit, die sich auf ein bestimmtes Gebiet spezialisiert hat. Jede Facility bietet für das ganze Institut somit zentrale Dienstleistungen in einem konkreten Fachbereich an und hat über die Vermietung ihrer Geräte und Dienstleistungen wieder die Möglichkeit, ihre Technik auf dem aktuellen Stand zu halten und auch entsprechende Experten in ihrem Personal zu schulen. Dabei werden alle Angebote auch intern abgerechnet, ein Institut besteht also immer aus mehreren Facilities. Vereinfacht gesagt, wäre zum Beispiel eine Werkstatt an der TU Dresden so eine Facility, weil jeder, der ein bestimmtes Teil braucht, sich dahin wenden kann, und das dann intern verrechnet wird. Diese Idee der Services und Facilities wollen wir dresdenweit fördern, sodass alle Partner davon profitieren können.

Dr. rer. nat. Matthias Fichtner

Matthias Fichtner studierte Informatik an der TU Dresden und der University of Birmingham und promovierte anschließend in Dresden. Über das Max Planck Institut für Molekulare Zellbiologie und Genetik (MPI-CBG) fungiert er für die Initiative DRESDEN-concept als Sprecher des Technologieportals, Projektmanager und Software-Entwickler.