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Warum sind Sie Arzt geworden? 

Bodendieck: Ausschlaggebend waren die Berufe meiner Eltern – mein Vater ist Arzt und meine Mutter Physiotherapeutin. Die Berufswahl fiel zu DDR Zeiten. Damals war es schwierig einen Beruf zu finden in dem man sich einigermaßen frei bewegen konnte. Meine Familie übte seit alters her handwerkliche und kaufmännische Berufe selbständig und in freier Bestimmung aus, das war damals so nicht mehr möglich. 

 

Was reizt Sie am Amt des Präsidenten der Sächsischen Landesärztekammer?
Bodendieck
: Als tätiger Allgemeinmediziner, Diabetologe, Suchtmediziner und Palliativmediziner stehe ich im engen Kontakt zu meinen Patienten. Und zwar in Wurzen, einer überschaubaren Kleinstadt in Sachsen. Wenn es also um die Arbeit an der „Basis“ geht, spreche ich nicht von Erinnerungen oder Wünschen. Ich weiß um die Sorgen der Patienten, ich kenne die systemischen Drücke auf die Ärzte. Deshalb habe ich mich entschieden, mit zu gestalten. Ich wirke seit vielen Jahren im Vorstand der Ärztekammer, in verschiedenen Ausschüssen, Gremien, Arbeitsgruppen und Verbänden mit. Das politische Know-How bringe ich also auch mit. Meine Familie spielt dabei eine große Rolle, schon früh wurden mir Gestaltungswille und Wege zur Entscheidungsfindung beigebracht. 

 

Welche Ziele haben Sie in Sachsen?
Bodendieck
: Ich will die Ärztekammer und damit die ärztliche Selbstverwaltung weiter stärken. Ich bin davon überzeugt, dass es die Selbstverwaltung braucht, um den enormen Herausforderungen an das Gesundheitssystem, an die Patientenversorgung und an die Rahmenbedingungen der ärztlichen Tätigkeit gerecht zu werden. Politik allein ist dazu nicht in der Lage, sie braucht dazu eine unabhängige fachliche Beratung. Ärztekammern wurden auch zu diesem Zweck geschaffen. Außerdem sind Regierungen ihrer Natur nach immer „parteiisch“ und nicht auf Langfristigkeit angelegt. Im Kern berührt das den Erhalt der Freiberuflichkeit. Dieses „Privileg“ unseres Berufsstandes liegt mir besonders am Herzen, auch im Sinne unserer Patienten. Nur der freiberuflich tätige Arzt handelt in eigener Verantwortung und nicht im Auftrag Dritter. Und nur so geben wir dem Patienten die Sicherheit und das Vertrauen, in der von uns fachlich als geeignet eingeschätzten Art und Weise behandelt zu werden. 

Ein weiteres Thema ist die Delegation ärztlicher Leistungen. Wir werden immer stärker auf das nichtärztliche Personal angewiesen sein, um unsere
eigentliche Arbeit tun zu können. Um diese Pläne auch auf Ausbildungsebene zu verankern, haben wir zum Beispiel mit der Staatliche Studienakademie Plauen ab Oktober 2015 den Studiengang „Physician Assistant - B.Sc.“ als Duales Studienangebot auf den Weg gebracht. Um es noch einmal klar zu sagen: die dabei vermittelten Tätigkeiten werden später ausschließlich auf Delegationsbasis durchgeführt und stehen immer unter ärztlicher Supervision und Verantwortung. Substitution ärztlicher Leistung hingegen lehne ich ab, zum Schutz der Patienten und der Qualität unserer Leistungen. 

 

Was ist die derzeit größte Baustelle im deutschen Gesundheitswesen?
Bodendieck
: Zwei Baustellen, die uns wohl auch in nächster Zeit weiter Kopfschmerzen bereiten werden, sind aus meiner Sicht die Überwindung der Sektorengrenzen und die wohl schwer einzudämmende Kommerzialisierung der Medizin. Beim ersten Thema tut sich immerhin etwas. Moderne Versorgungsstrukturen, die z.B. nicht an der Krankenhaustür enden, sondern Patientenversorgung als einheitlichen Prozess begreifen, etablieren sich bereits. Vormals unvereinbare Player arbeiten zielorientiert zusammen und manch eine Krankenkasse, wie z.B. die AOK, unterstützt Modell- vorhaben in erfreulich zukunftsorientierter Weise.

 


Skeptischer bin ich leider bei den Bemühungen, die Ärzte von dem wachsenden ökonomischen Druck zu befreien. Da müsste es Veränderungen in sehr vielen Köpfen geben. Da dürften Krankenhäuser die angestellten Ärzte nicht mehr als Dienstleitungserbringer und Teil eines gewinnoptimierten Systems verstehen. Dazu müsste aber auch der Staat seiner finanziellen Verpflichtung gegenüber den Häusern nachkommen. Es müsste auf Seiten der Patienten die Vollkasko-Mentalität weichen, die unser Gesundheitssystem stark belastet. Dabei müsste auch – und da ist sie schon wieder gefragt – die Politik mitziehen und nicht mehr allgemeine Heilversprechen geben. Wir werden über stärkere Eigenbeteiligung der Patienten, über bessere Präventionsmaßnahmen und über Priorisierung sprechen müssen, wenn wir dieses Gesundheitssystem gesund erhalten wollen.

 

Wie halten Sie sich fit?
Bodendieck
: Das ist eine sehr schwierige Frage. Meinen Patienten sage ich oft: „Zeit, um sich fit zu halten, gibt es immer“. Doch um meine Praxistätigkeit und die Tätigkeit als Präsident der Sächsischen Landesärztekammer und damit auch als Vorstandsmitglied der Bundesärztekammer zu vereinen erfordert manchen Spagat. Jede freie Minute nutze ich in meinem Garten zur erholsamen Gartenarbeit und wenn es die Zeit zulässt ebenso zu handwerklichen Tätigkeiten. Einige sportliche Aktivitäten mache ich sehr gern. Aber durch die zahlreichen Verpflichtungen in Sachsen und Deutschland ist es oft zu spät am Abend, um damit noch zu beginnen.

 

Was würden Sie bei sich selbst gern ändern?
Bodendieck
: Das ist eine schwierige Frage. Manchmal wünschte ich mir manche Dinge nicht so ernst zu nehmen wie ich es oft tue. Also ein wenig mehr Gelassenheit bei gleicher Gewissenhaftigkeit.