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Hirn-Operationen werden sicherer - Neue bildgebende Verfahren unterstützen die Entfernung von Gehirntumoren

Diagnose: Hirntumor. Der Schock ist groß. Erfahren die Patienten dann, dass der Schädel geöffnet werden muss, um den Krebs zu entfernen, wächst die Angst immer mehr. Weil gesundes von krankhaften Hirngewebe nur schwer zu unterscheiden ist, kann es vorkommen, dass auch intakte Areale beeinträchtigt werden. Die Folgen wären fatal: Bleibende Lähmungen, Sprachstörungen und
sogar Veränderungen der Persönlichkeit sind das Risiko.

"In der Neurochirurgie ist die Abgrenzung eines Hirntumors von den ihn umgebenden gesunden Nervenzellen während einer Operation von entscheidender Bedeutung."

Um die Lebensqualität zu erhalten, liegt die Sicherheit der OP daher im Mittelpunkt der klinischen Forschung. In den letzten Jahren gab es große Fortschritte in den Bereichen Bildgebung und Monitoring während des Eingriffs. MRT und Ultraschall können inzwischen zur ständigen Kontrolle eingesetzt werden, außerdem stimulieren die Chirurgen die Bewegungsbahnen im Gehirn mit Strom, um sich rechtzeitig erkennen zu können. Die Mediziningenieure und Neurochirurgen der TU Dresden können funktionelle Hirnareale - also Sprach-, Sehund Gefühlszentren - jetzt erstmals routinemäßig unter der Operation über ein Kamerasystem in Echtzeit darstellen. Auf diese Art lässt sich der Zugang zum Tumor gezielt planen und optimieren. Das neue Verfahren nennen die Forscher Optical Imaging. Eine weiteres vielversprechendes bildegebendes Verfahren wird derzeit in Dresden erforscht.

Eine weiteres vielversprechendes bildegebendes Verfahren wird derzeit in Dresden erforscht. Die hochauflösende Mikroskopie-Methode, die dabei eingesetzt wird, nennen die Wissenschaftler CARS: Coherent Antistokes Raman Scattering. Chancen und zukünftige Möglichkeiten von CARS waren einer der Schwerpunkte der 65. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Neurochirurgie (DGNC), die vom 11. bis zum 14. Mai 2014 in Dresden stattfand. Die 1. Vorsitzende der DGNC Professor Dr. med. Gabriele Schackert sprach über die Vorteile der Methode im Vergleich zu bisherigen Prozeduren, die zeitaufwendiger waren und während der OP kaum durchgeführt werden konnten. Wollte man zuverlässig krankes von gesundem Gewebe unterscheiden, mussten Proben entnommen, geschnitten und eingefärbt werden. "In der Neurochirurgie ist die Abgrenzung eines Hirntumors von den ihn umgebenden gesunden Nervenzellen während einer Operation von entscheidender Bedeutung", so Professor Schackert. "Dabei spielt für mich eine ganz wesentliche Rolle, dass unsere Patienten erwarten, nach einer Hirn-Operation keine zusätzlichen neurologischen Ausfälle zu haben." Dafür ist ein präzises Vorgehen notwendig. Bei der CARS-Technologie, die innerhalb eines nationalen Forscherverbundes namens "mediCARS" erforscht wird, wird das zu untersuchende Gewebe mit Laserlicht bestrahlt. Das Licht wird in den Materialien unterschiedlich gestreut und verändert seine Frequenz und Intensität; auf diese Art lässt sich die chemische Zusammensetzung des Gewebes bestimmen.

"Damit wäre eine schnelle, schadenfreie und während der OP im betroffenen Gewebe selbst vorgenommene Gewebeanalyse möglich", erklärt Professor Dr. med. Matthias Kirsch, Leiter der neurochirurgischen Arbeitsgruppe am Universitätsklinikum Dresden. Dass das Licht zu keiner Schädigung des Hirngewebes führt, konnten die Dresdner Forscher bereits nachweisen. Bisher wurde CARS bereits in der Materialforschung eingesetzt, zum Beispiel zur Qualitätsbestimmung von Diamanten, aber auch zur medizinischen Untersuchung von Gewebeproben. Allerdings ist das Verfahren aufwendig und die Geräte sehr teuer. In den letzten Jahren wurden jedoch auch spektroskopisch-optische Techniken weiterentwickelt und vereinfacht." Ich bin deshalb zuversichtlich, dass es mehr und mehr medizinische Anwendungen geben und CARS bald in der Neurochirurgie zum Einsatz kommen wird", sagt Frau Professor Schackert. "Wir hoffen, dass wir damit die Prognose und die Sicherheit des Patienten noch weiter verbessern können."

Obwohl deutliche Fortschritte zu verzeichnen sind, bleiben noch viele Fragen offen. Das biologische Verhalten der Tumoren bringt weitere Probleme mit sich: Hirneigene Tumoren besitzen keine Kapsel und wachsen infiltrativ in das Hirngewebe hinein. Aufgrund der Funktionen kann aber kein Sicherheitsabstand von beispielsweise zwei Zentimetern eingehalten werden. So entsteht ein Konflikt zwischen dem technisch Machbaren und den Gegebenheiten der Natur.