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Michael Stephan: „Ich halte nicht viel von Theaterdonner.“
Mit einem Strafanwalt geht ein Mysterium einher. Hält er es mit den Bösen, verteidigt er die Täter, hat er denn kein Mitleid mit den Opfern? Strafanwalt Michael Stephan klärt uns auf, wie froh er ist, dass es diese Rechte in unserer Demokratie gibt und dass sie vernünftig Wahrgenommen werden.
Was fasziniert Sie am Jurist sein?
Stephan: Dass ich mit vielen Menschen zu tun habe. Gerade im Strafrecht ist es so, dass man intensiven Kontakt mit glücklichen und weniger glücklichen Menschen hat und man natürlich sehr stark teilnimmt an den Schicksalen. Im Strafrecht sinddie Fälle existentiell, die Mandanten oft in Bedrängnis. Ich versuche dann, bei der Lösung deraufgelaufenen Probleme zu helfen.
Sie verteidigen vermutliche Straftäter. Wie schaffen Sie das menschlich?
Stephan: Man darf sich nicht zu sehr identifizieren mit dem Fall und mit der möglichen Tat, dievorgeworfen wird. Dabei muss man einen professionellen Abstand behalten. Andererseits ist es wichtig, sich mit vollem Engagement für den Mandanten einzusetzen.
Sind Sie auch mal anderer Meinung als der, die Sie vertreten müssen?
Stephan: In der Strafverteidigung ist man immer Ausdruck einer intakten gesellschaftlichen Verfassung. Eine gute Strafverteidigung bedeutet nämlich, Rechte von Beschuldigten, die bis zum Urteilsspruch als unschuldig gelten, wahrzunehmen und sie professionell zu unterstützen. Das macht Demokratie aus.
Braucht man einen höheren Sinn in dem, was man tut?
Stephan: Ja, klar. Man muss seinen Standpunkt als Verfahrensbeteiligter in einem Prozess wahrnehmen und versuchen durchzusetzen wie im normalen Leben. Ich bin froh, dass es die strafprozessualen Rechte für Beschuldigte, die im Laufe der Zeit weiter ausgebaut wurden, gibt und dass sie von Verteidigern vernünftig eingesetzt werden.
Sie wirken sehr ruhig, zentriert und konzentriert. Sind das Ihre Eigenschaften?
Stephan: Ich versuche, Argumente in einem moderaten Ton rüberzubringen und einer sachlichen Diskussion zuzuführen. Ich halte nicht viel von Theaterdonner vor Gericht. Dabei gibt essehr unterschiedliche Verteidigertypen, auch welche, die sich lediglich in Szene setzen wollen. Man kann und muss gelegentlich auch mal böse werden, aber im Regelfall versuche ich, die Dinge in einer sachlichen Atmosphäre und mit guten Argumenten zu klären. Wenn man schreitund brüllt, besteht die Gefahr, dass alles aus dem Fahrwasser droht zu geraten und das eigentliche Sachargument verschüttet bleibt.
Was ist ein Misserfolg bei Ihnen?
Stephan: Das ist schwer zu beurteilen. Ist es ein Misserfolg oder ein Erfolg, wenn jemand an Stelle einer lebenslangen Freiheitsstrafe mit Feststellung der Schwere der Schuld lediglich eine lebenslange Freiheitsstrafe oder an Stelle eine Freiheitsstrafe eine Geldstrafe bekommt? Das kommt immer auf den konkreten Fall an. Natürlich gibt es auch Verhandlungen, bei denen man hinterher sagt, man hätte die Verteidigung anders führen können oder man hätte das ein oder andere geschickter formulieren oder auch besser kommunizieren können. Aus solchen Fällen lernt man und ich glaube, dass die Erkenntnis einen noch besser werden lässt.
Wie gehen Sie mit Misserfolgen um?
Stephan: Wenn ich einen sogenannten Misserfolg erlitten habe, trage ich das schon eine Zeit mit mir herum. Ich versuche daraus zu lernen und auch dieser Situation etwas Positives abzugewinnen und Fehler nicht zu wiederholen - also learning by doing.
Nehmen Sie Fälle auch übers Wochenende mit?
Stephan: Manche Fälle nehmen mich schon mal übers Wochenende gedanklich in Anspruch, insbesondere wenn schwere Schicksale dabei sind. Aber ich kann ganz gut abschalten und habe wegen meinerFälle keine schlaflosen Nächte.
Was ist für Sie Erfolg?
Stephan: Erfolg bedeutet für mich natürlich, dass man sich einsetzt und am Ende das erzielt, was man sich vorgestellt hat. Erfolg ist spürbar, kommt von innen heraus. Man nennt das Gefühl Selbstzufriedenheit. Am Ende möchte man für sich resümieren, dass man den richtigen Weg gegangen ist.
Sind Sie das?
Stephan: Nach 25 Jahren in Dresden kann ich für mich resümieren, dass ich das, was ich mir als Ziel gesetzt habe, größtenteilsschon verwirklichen konnte. Das bezeichne ich als Erfolg.
Was ist Ihnen wichtig?
Stephan: Dass man in seiner Arbeit aufgeht, viel Spaß und viel Kontakt mit Menschen hat und dass man morgens aufsteht undsich an seiner Profession erfreut. Es ist schön, wenn man nach vielen Jahren sagen kann, dass man genau das Richtige getan hat.
Wie schwer ist es, neue Kollegen zu nden?
Stephan: Das Strafrecht ist ein juristisches Feld, das sehr vielen Leuten Spaß macht. Insoweit ist es nicht schwer, jungen Leuten das, was man selber erlebt hat, zu vermitteln. Gerade jüngere Menschen sind begeistert von Strafrecht und Strafverteidi-gung, so dass es nicht schwer fällt, Nachwuchs zu finden.
Was muss ein guter Chef können?
Stephan: Man muss seine Mitarbeiter verstehen und sich in sie reinversetzen. Wichtig ist für mich dabei, dass man Verantwortung auch überträgt und diese teilt. Ich glaube, Juristen neigen dazu, von oben herab die Dinge zu delegieren und zu denken, wir wissen es sowieso besser. Dies passiert mir manchmal auch noch. Dabei sollte man nicht vergessen, dass man sich auf sein Team mehr verlassen kann und derangesprochene Erfolg größer ist, je menschlicher man miteinanderumgeht.
Also sind Sie Fan acher Hierarchien?
Stephan: Es ist so, dass bei mir im Büro schon klar ist, was ich möchte. Wir versuchen bei uns alles im kommunikativen Prozess zu lösen. Ich schreie nicht herum, das ist mir wichtig für ein gutes Klima im Büro.
Was ist Ihr Rezept gegen Kommunikationsprobleme?
Stephan: Kommunikationsdefizite resultieren oft daraus, dass manProbleme nicht richtig erkennt und deshalb hierüber auch nicht miteinander spricht bzw. gesprochen hat. Lieber einmal mehr zuhören als immer gleich losreden ist eine gute Richtschnur.