Johannes H. Lohmeyer Interview

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Interview mit Johannes H. Lohmeyer Interview

 

Seit über einem Jahr versammeln sich Menschen jeden Montag zu den PEGIDA-Demonstrationen. Immer mehr Stimmen aus der Wirtschaft und dem Tourismus äußern Kritik an den Versammlungen. Wir sprachen mit Johannes H. Lohmeyer, dem Vorstandsvorsitzenden des Tourismusverbandes Dresden e.V., über die Wirkung der Demonstrationen auf den Tourismus in der Landeshauptstadt, die Rolle der Medien für die Außenwirkung und die derzeitige Diskurskultur. 

 

Sie sagen, wer über Politik meckert und sich aufregt, sollte sich lieber selber engagieren...
Lohmeyer:
Die Leute regen sich auf und beschweren sich, was die „bösen Politiker“ alles machen, aber keiner traut sich, selber anzutreten. Wenn man daran etwas auszusetzen hat, oder denkt, es in Deutschland besser machen zu können, dann muss man auch dafür sorgen, dass Dinge besser gemacht werden und sich selber engagieren. Zur Zeit vermisse ich dieses Engagement. 

 

Sind Sie politisch immer noch aktiv?
Lohmeyer:
Ich bin zur Zeit ein einfaches Vorstandsmitglied der FDP. Von 2009 bis 2013 war ich Kreisvorsitzender, in der Zeit habe ich zwei Mal für den Bundestag kandidiert. Seit 2014 bin ich Vorstandsvorsitzender des Tourismusverbandes Dresden und habe mich daher aus der Politik zurückgezogen. 

 

„Die Leute regen sich auf und beschweren sich, was die „bösen Politiker“ alles machen, aber keiner traut sich, selber anzutreten.“

 

Wofür treten Sie politisch ein?
Lohmeyer:
Politisch trete ich dafür ein, dass wir in einer Zeit, in der wir jetzt leben und uns die Politik immer mehr in Richtung Sozialismus und Reglementierungen treibt, ein Gegengewicht zu setzen. Wir leben in einer Gesellschaft, in der wir immer überreglementierter und gegängelter werden, in jeder Beziehung. Das betrifft mich als Unternehmer genauso wie als Privatperson im gesellschaftlichen Diskurs. Gerade in letzter Zeit haben sich weitgehende Meinungsverbote über bestimmte Dinge erhoben. Man hat Angst, bestimmte Dinge auszusprechen, ohne in eine bestimmte Ecke eingeordnet zu werden. Ich setze mich dafür ein, die Diskursfreiheit wieder zu stärken. Es muss möglich sein, eine lockere, offene Diskurskultur zu führen. Das finde ich jetzt wirklich schlimm.

 

Ist denn eine offene Debatte überhaupt möglich?
Lohmeyer:
Zur Zeit ist es in Deutschland nicht möglich, einen offenen Dialog zu führen. Deswegen bin ich sehr besorgt. Ich fürchte, dass die Leute irgendwann aufeinander los gehen könnten und gar nicht in der Lage sein werden, Argumente auszutauschen. Die Situation zur Zeit polarisiert, entweder dafür oder radikal dagegen zu sein. Gewisse Dinge muss man mit einem gewissen Augenmaß oder Mittelmaß betrachten. Diese Haltung vermisse ich sehr. Dabei geht es mir nicht nur um den Flüchtlingsdiskurs. Die selbe Problematik habe ich gesehen bei der Bankenkrise, der Griechenland-Krise, bei den Themen Atomkraft und Gentechnik. Jedes Thema, welches uns wirklich in den letzten drei Jahren bewegt hat, wurde sofort zu einer vergifteten Diskussion. Einige Menschen bleiben politisch korrekt, die anderen werden sofort stigmatisiert. So was kenne ich, wenn ich zum Beispiel in Amerika bin, überhaupt nicht. Dort herrscht eine völlige Meinungsfreiheit und eine gewünschte Offenheit in der Diskussion. 

 

 

Wie schätzen Sie die Außenwirkung Dresdens zur Zeit ein?
Lohmeyer:
Die ist durchweg verheerend! Das hat weniger mit den PEGIDA-Demonstrationen an sich zu tun, sondern mit der völlig aus dem Ruder gelaufenen Berichterstattung darüber. Diese Meinung vertreten auch Kommunikationswissenschaftler.Zur größten PEGIDA-Demonstration sind dieses Jahr 25000 Teilnehmer gekommen. Davon waren, laut einer Studie der TU Dresden, nur 40 Prozent Dresdner, das sind weniger als 2 Prozent der Stadtbevölkerung. Wenn dieses Thema wochenlang jede Talk-Show, jede Fernsehsendung zur Prime-Time dominiert, dann ist das für mich deutlich aus dem Ruder gelaufen, denn 98 Prozent der Dresdner machen da nicht mit. Gerade diese Menschen machen die Stadt aus. Es ist eine Aufgabe, da die Deutungshoheit zurück zu gewinnen. 

 

Wie könnte man es schaffen?
Lohmeyer:
Es wird nicht möglich sein mit Gegendemos, welche Krawall nach sich ziehen. Ich sehe eine Möglichkeit über die sozialen Netzwerke dagegen vorzugehen. Ich würde mir wünschen, dass Dresdner jeden Tag zwei Bilder bei Facebook hochladen würden und der Welt da draußen zeigen, wie schön diese Stadt doch ist. Dresden ist weltoffen und friedlich. Die Menschen kommen mittlerweile mit einer völlig anderen Erwartungshaltung in die Stadt und sind dann überrascht, dass es doch gar nicht so ist. Uns fragen jeden Abend Reisende, wohin man in der Stadt noch hin kann, wo nicht demonstriert wird und sind daraufhin fast „enttäuscht“, dass die Demonstrationen nicht täglich stattfinden. 

 
„Zur Zeit ist es in Deutschland nicht möglich, einen offenen Dialog zu führen. Deswegen bin ich sehr besorgt. Ich fürchte, dass die Leute irgendwann aufeinander los gehen könnten und gar nicht in der Lage sein werden, Argumente auszutauschen. Die Situation zur Zeit polarisiert, entweder dafür oder radikal dagegen zu sein.“ 

 

Ist das Phänomen neu?
Lohmeyer:
Diese Art von Außenwirkung habe ich zuletzt erlebt, als es um die Waldschlösschen-Brücke ging. Es war eine völlig vergiftete Diskussion, welche die Stadt sehr gespaltet hat. Zu der Zeit hat jeder zweite Gast gefragt, wohin denn diese Monsterbrücke gebaut wird. Die Gäste waren dann völlig überrascht, dass die Brücke nicht über den Neumarkt gespannt wird, sondern etwas außerhalb des Zentrums. Jetzt, wo sie da steht, herrscht relative Ruhe. So ähnlich ist zur Zeit die Wahrnehmung Dresdens bezüglich der Demonstrationen. Zur Zeit wird man auch wirklich, egal wohin man kommt, immer auf PEGIDA angesprochen, jedenfalls im Inland. Im Ausland ist die Problematik den Menschen relativ egal. In der Hotellerie verzeichnen wir einen Zuwachs an Anfragen, die aus dem Ausland kommen. Nur innerhalb Deutschlands sind die Anfragen zurückgegangen. Das Thema dominiert die Stadt in einer Art und Weise, die ich nicht angemessen halte. 

  

Hängt Ihnen die Berichterstattung schon zum Halse raus?
Lohmeyer:
Definitiv! Ich möchte mich nicht ständig mit der Thematik auseinander setzen. Auch wenn ich die Zeitung schon weggelegt habe, kommt es dennoch übers Radio oder TV. Die größte Währung in der Politik ist Aufmerksamkeit. Solange man so eine Aufmerksamkeit genießt, wird es auch nicht nachlassen. Damit möchte ich den Medien nicht vorschreiben, über was sie berichten sollen, denn dafür hat man die Pressefreiheit. Dennoch sollte ein Maß gefunden werden, welches dem Umfang angemessen ist. 

 

„Die selbe Problematik habe ich gesehen bei der Bankenkrise, der Griechenland-Krise, bei den Themen Atomkraft und Gentechnik. Jedes Thema, welches uns wirklich in den letzten drei Jahren bewegt hatte, wurde sofort zu einer vergifteten Diskussion.“ 

 

Ist die Berichterstattung objektiv?
Lohmeyer:
Sowohl auf der Demonstration gegen TTIP in Berlin, als auch der PEGIDA-Demonstration in Dresden sind gegen Politiker Symbole wie der Galgen oder die Guillotine gezeigt worden. Seltsamerweise ist der Galgen in Dresden wesentlich öfter durch die Medien gegangen. Ich finde solche Symbole absolut geschmacklos und widerlich. Es sagt sehr viel darüber aus, wie unsere Gesellschaft mit Politikern umgeht. Es ist gerade dermaßen überzogen und überspannt. Was wir erleben, ist echter Kampagnen-Journalismus, welcher gegen die Stadt läuft.

 

Gibt es genaue Zahlen, wie viel Schaden insgesamt bisher entstanden ist?
Lohmeyer:
Genaue Zahlen gibt es nicht. Wir wissen, das im ersten Halbjahr einen leichten Rückgang von knappen vier Prozent zu verzeichnen haben. Im zweiten Halbjahr hatten wir phasenweise im August an die 6 Prozent Rückgang. Da gibt es verschiedenste Faktoren. Die erste Ursache ist das völlig unterfinanzierte Stadtmarketing. Wir sind das Schlusslicht unter vergleichbaren Städten in ganz Deutschland, was das Marketing angeht. Im Vergleich zu Hamburg haben wir nur ein Sechstel des Budgets der Hansestadt. Wenn man kein Geld für Werbung hat, rächt sich das irgendwann. 

 

„Ich würde mir wünschen, dass Dresdner jeden Tag zwei Bilder bei Facebook hochladen würden und der Welt da draußen zeigen, wie schön diese Stadt doch ist. Dresden ist weltoffen und friedlich. Die Menschen kommen mittlerweile mit einer völlig anderen Erwartungshaltung in die Stadt und sind dann überrascht, dass es doch gar nicht so ist.“ 

 

Macht die Stadtverwaltung da einen Fehler?
Lohmeyer:
Für mich ist es die größte Kurzsichtigkeit der Politik. Es ist ja kein verlorener Zuschuss, welcher da ausgegeben wird, sondern Geld, welches durch den Tourismus in Form von Steuergeldern wieder rein kommt. Das hat man in der Politik noch nicht erkannt. Der zweite Einflussfaktor ist das Russland-Geschäft, welches uns weggebrochen ist. Wir hatten vor den Sanktionen einige große Kongresse, welche jetzt nicht mehr stattfinden. Zu guter Letzt ist die Berichterstattung und das Demonstrationsgeschehen der dritte Einflussfaktor. 

 

Ist der Schaden noch reversibel?
Lohmeyer:
Die Berichterstattung kann man ja nicht abstellen. Es gab eine Phase im Sommer, in der die Berichterstattung deutlich nachgelassen hatte. Jetzt ist diese durch die Flüchtlingproblematik wieder aufgeflammt. Natürlich bekommt PEGIDA durch das, was gerade in Deutschland passiert immer mehr Zulauf. Solange es Zulauf für PEGIDA gibt, wird die Berichterstattung sich nicht ändern. Selbstverständlich könnte man durch eine höheres Budget beim Stadtmarketing etwas erreichen. Es könnten Kongresse initiiert werden und Kunden auf eine neue und andere Art gewonnen werden. Wir hätten die Möglichkeit auch im Ausland für uns zu werben. Es würde sich deutlich für die Stadt positiv auswirken. Wir haben hier ein hervorragendes Produkt. Jeder Hersteller wirbt für ein gutes Produkt entsprechend. Dresden ist ein Qualitätsprodukt, daher müssten wir dies ähnlich tun.