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Die Unternehmensnachfolge richtig planen und umsetzen

In den nächsten Jahren stehen in Sachsen rund 22.000 Unternehmen zur Nachfolge an. Nur die wenigsten dürften bereits Erfahrungen mit der Abgabe oder Übernahme einer Firma gemacht haben. Dabei gibt es viel zu beachten. Wir sprachen mit Annette Bellan, sie leitete 18 Jahre eine Cateringfirma, Sternekoch Stefan Hermann, der die Villa Sorgenfrei übernommen hat und SAX-Finanz Geschäftsführer Ralf Riedel, der regelmäßig mit den Problemen der Unternehmensnachfolge beschäftigt ist.
„Ich habe alles selbst aus dem Boden gestampft, doch irgendwann hat es gereicht. Es dauerte ein paar Jahre, bis ich zu diesem Entschluss kam. Aber ich wollte eine Auszeit.“
Annette Bellan
Über 18 Jahre leitete Annette Bellan ihre Cateringfirma. Sie und ihr Team bereiteten das Essen der niederländischen Königin, kochten für die sächsische Staatskanzlei und bewirteten 1000 Personen am Tag der deutschen Einheit – in London. „Ich habe alles selbst aus dem Boden gestampft, doch irgendwann hat es gereicht“, sagt sie. „Es dauerte ein paar Jahre, bis ich zu diesem Entschluss kam. Aber ich wollte eine Auszeit.“ Jetzt nimmt sich jemand anders der Wochenendarbeit an.

„Ein Nachfolger muss das Potenzial einer Firma kennen, muss sich mit den Werten und Ideen identifizieren. Und natürlich müssen im Vorfeld Fragen geklärt werden: Was will ich mit meiner Firma erreichen? Was will mein Nachfolger erreichen? Was passiert mit meinen Mitarbeitern? Auf welche familiären Probleme kann ich stoßen?“
Ralf Riedel
Doch die Abgabe einer Firma kann sich ebenso schwer gestalten, wie der Aufbau selbiger. Es gilt, sich schon im Vorfeld über viele Dinge klar zu werden. „Zunächst muss ein Unternehmen einen Wert haben und dieser muss erkennbar und nachhaltig sein“, erklärt Ralf Riedel, Geschäftsführer der SAX Finanz. Ein Nachfolger muss das Potenzial einer Firma kennen, muss sich mit den Werten und Ideen identifizieren. Und natürlich müssen im Vorfeld Fragen geklärt werden: Was will ich mit meiner Firma erreichen? Was will man mein Nachfolger erreichen? Was passiert mit meinen Mitarbeitern? Auf welche familiären Probleme kann ich stoßen? „Ein Unternehmer sollte einen Plan erarbeiten, in dem so viele Themen wie möglich geklärt sind“, sagt Riedel. Erst wenn der Unternehmer sich darüber im Klaren ist, hat die Suche nach einem Nachfolger Sinn.
Manchmal gestaltet sich diese einfach. „Ich wurde von den Besitzern angesprochen“, erzählt Sternekoch Stefan Hermann, der kürzlich die Leitung der Villa Sorgenfrei übernommen hat. Er kannte die Villa schon lange: „Sie gehört zu den schönsten Orten in der Weinbauregion Radebeul.“ Von alleine wäre er nicht auf die Idee gekommen, das Gasthaus zu betreiben. Erst als die Eigentümer Dr. Birgit und Dr. Max Kann Anfang 2015 auf den Koch zu kamen, beschäftigte er sich mit der Idee – und sagte dann schnell zu.
Hermann war sich der Aufgabe bewusst: „Ich habe mit der Villa Sorgenfrei Verantwortung für ein ganz besonderes Kleinod übernommen, an dessen Philosophie ich definitiv festhalten werde.“ Und auch Annett Bellan musste sich keine Sorgen machen, dass ihre Cateringfirma jetzt zu einer Fast-Food-Kette wird. Bellan Catering wurde vom langjährigen Chefkoch Jens Budde und seiner Frau übernommen. „Er war seit 15 Jahren im Unternehmen und genießt mein vollstes Vertrauen“, sagt sie. „Ich könnte die Zügel ruhigen Gewissens aus der Hand geben.“ Leider verläuft die Aufgabe bzw. Abgabe nicht immer so reibungslos. Soll das Unternehmen in der Familie bleiben, muss der Nachwuchs selbstverständlich mitspielen. „Manchmal möchten die Kinder gar nicht im Unternehmen tätig sein. Dann fängt die Suche von vorne an“, erzählt Riedel. Denn der Wunsch vieler Geschäftsführer ist, dass das Unternehmen, das man aufgebaut hat, im eigenen Sinne fortgeführt wird. Vielen fällt es zudem schwer, sich vom alten Unternehmen zu lösen. Es kann sein, dass der neue Besitzer gar nicht möchte, dass der alte weiterhin aktiv ist – andererseits kann es auch sinnvoll sein, wenn der Betrieb weiterhin von der Erfahrung und dem Wissen profitiert. Riedel weiß, dass „man dem Neuen auch den Platz lassen muss, damit er sich entwickeln kann.“ Die Abgabe bereut Annett Bellan nicht. Im Gegenteil: „Endlich kann ich zu Veranstaltungen am Wochenende gehen. Das machen, wofür ich bisher keine Zeit hatte, darauf freue ich mich.“ Und auch Hermann bereut sei- ne Entscheidung nicht. „Natürlich bin ich kein Hotelier und muss mich in verschiedene Themen eindenken. Aber viele Dinge kann man mit gesunden Menschenverstand, Erfahrung in der Gastronomie und persönlichem Geschmack entscheiden“, erzählt er. Nur der Gedanke, sein Unternehmen einmal abzugeben, bereitet ihm noch Magenschmerzen. „Ich habe mit dem bean&beluga noch viel vor und das geht nur, wenn ich – zumindest mittelfristig – persönlich vor Ort bin. Mein Herz hängt besonders an diesem Ort, denn es ist der Beginn von allem.“

„Ich habe mit der Villa Sorgenfrei Verantwortung für ein ganz besonderes Kleinod übernommen, an dessen Philosophie ich definitiv festhalten werde.“
Stefan Hermann
Bilder: FOTOGRAFISCH, Juliane Mostertz/ Sven Claus, PR Restaurant Villa Sorgenfrei, David Kyei - skyB, PR Ralf Riedel, MEDIENKONTOR