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Kaviar im Haar

Interview mit Vorher/Nachher-Friseur Alexander Seidel: Trends, Neues und Böses über das Haar der Dresdner 

Kann man aus jedem Menschen etwas „Besonderes“ machen?
Nicht immer, nur wenn die richtige Haarlänge und Haardichte vorhanden ist. Wenn inoptimale Bedingungen bestehen, ist man machtlos. Zumindest kleine Veränderungen sind aber immer möglich. 

Haben die Dresdner Mut zur Veränderung?
Es gibt zwei Arten von Menschen. Manche kommen alle sechs Wochen und möchten etwas radikal Neues, Fetziges und Trendiges. Das sind aber nur fünf bis zehn Prozent der Kunden. Andere bleiben bei ihrem Look, wenn sie ihn einmal gefunden haben. Wichtig ist, dass die Frisur zum Typ passt und dass sich der Kunde wohlfühlt. Das Individuum spürt, wie es aussehen möchte. Der Friseur muss dieses Bedürfnis aufgreifen. Da sind Trends eher sekundär.  

Geht der Trend auch bei den Frisuren mehr zum Legeren?
Viele, die man auf der Straße beobachten kann, haben gar keine Frisur. Einen losen Zopf oder wilde offene Haare kann man nicht als Frisur bezeichnen. Auch ein legerer Stil muss gemacht sein. Wenn man sich einmal mit einer Strichliste ins Schaufenster setzen würde, wäre man erstaunt, wie wenig Leute wirklich gepflegt aus dem Haus gehen.

Der Zopf ist also out?
Man kann schon einen Zopf tragen, wenn man der Typ dafür ist. Er sollte aber mit einer schönen Spange befestigt sein. Er muss die richtige Höhe haben und mit dem Outfit korrespondieren.

Gehen die Dresdner oft zum Friseur?
Zu DDR-Zeiten waren die Leute noch gut frisiert, da standen freitags Schlangen vor den Geschäften. Heute gehen 65 Prozent der Leute nicht zum Friseur, und die Besuchsabstände steigen: früher drei bis vier Wochen, heute sechs bis acht Wochen. Dieser Abstand dehnt sich langsam auf zehn bis zwölf Wochen aus. Das liegt am Geld und an der Zeit. Wenn Leute genug Geld haben, haben sie keine Zeit mehr, zum Friseur zu gehen, oder keine Lust. Faulheit spielt da auch eine Rolle.

Es gibt das Gerücht, dass Färben Krankheiten wie zum Beispiel Krebs verursacht. Ist da etwas dran?
Es wäre schlimm, wenn es so wäre. Aber es gibt keinen eindeutigen Beweis. Verschiedene Stoffgruppen stehen ab und zu im Verdacht. Die EU ist da sehr hinterher. Sobald es einen Hinweis gibt, wird die betroffene Stoffgruppe ausgetauscht. Dass sich Chemikalien in der Farbe befinden, ist klar. Aber ich bin Friseur, ich würde nicht deshalb mit dem Färben aufhören. Genauso gut könnte ich beim Überqueren der Straße von einem Auto überfahren werden.

Wie viel Abstand sollte zwischen dem Färben liegen?
Haare wachsen im Monat einen Zentimeter. Nach sechs bis acht Wochen wird es notwendig, die Ansätze nachzufärben. Ein guter Friseur färbt nicht das ganze Haar nach, um es nicht unnötig zu strapazieren.

Sind Wellen und Locken immer noch im Trend?
Ja, die Dauerwellen-Industrie möchte Absatz machen und pusht deshalb ihre Produkte. Lockeneisen sind aber heute mehr eine Ergänzung zum eigentlichen Look für Partys oder zum Weggehen. Glatte Haare sind zeitlos schön, aber manchmal wollen die Leute etwas Abwechslung.

Also sind glatte Haare immer noch in. Gibt es ein Revival des Glätteisens?
Das war nie weg. Aber wir setzen es wieder mehr ein. Heute heißt es „Forming Eisen“, weil damit nicht nur geglättet wird. Ein Hitzeschutzspray bewahrt die Haare vor Zerstörung durch die hohen Temperaturen.

Was sagen Sie zu einer Kaltwelle?
Kaltwelle ist der Überbegriff von Zerstörung und hässlich aussehen. Sie ist eine Zwischenstufe der chemischen Umformung. Die Dauerwelle ist eine tolle Sache, wenn sie zum Typ passt. Sie ist aber pflegeintensiver. Nur ein bis fünf Prozent der Kundinnen wünschen eine Dauerwelle.

Welche Farben liegen zurzeit im Trend?
Blond- und Brauntöne sind für den natürlichen Look immer noch modern. Etwas verrückter geht es zu mit geometrischen Mustern im Haar. Bei langen Haaren kann man verschiedene Schichten flächig färben. In Verbindung mit dem richtigen Haarschnitt und dem richtigen Outfit wirkt das toll.

Sie meinen zum Beispiel blond mit roten Streifen?
Das hört sich an wie ein Zebra, aber theoretisch ist es möglich.

Wie steht es mit den Haarlängen?
Von den kurzen Haaren sind wir zurzeit erstaunlich weit weg. Heute dominiert mit dem Bob die Länge von der Nasenspitze bis zur Schulter. In keiner anderen Zeit seit den 20er-Jahren hatten so viele Frauen lange Haare. Rund 60 bis 70 Prozent der Kunden tragen das Haar halblang, 20 Prozent lang. Bei kürzeren Schnitten muss es heute mindestens lange Nacken- oder Schulterpartien geben. Nur kurz geht nicht: Es muss eine Idee dahinterstecken.

Wie oft sollte man sich die Haare waschen?
Das kommt auf den Haartyp und die Kopfhaut an. Mit der richtigen Pflege kann man sich die Haare jeden Tag waschen.

Klingt wie gute Produktwerbung. Bedeutet teurer eigentlich auch besser bei den Pflegeprodukten?
Nicht unbedingt. Ergiebigkeit und Hautverträglichkeit sind bei den teuren Produkten besser. Den Preis eines Luxus-Shampoos kann man aber nicht jedem Kunden erklären. Manche haben aber auch sonst schon von allem das Beste. Wenn sie sich etwas gönnen wollen, dann tun sie das. Für diese Klientel verkaufen wir Trüffelshampoo für 66 Euro, Kaviarshampoo ist etwas billiger.

Noch ein Haartipp zum Schluss?
Wir empfehlen unseren Kunden pflanzliche Nahrungsergänzungsmittel. Unsere Mitarbeiter testen auch selbst gerade welche. Zwei Kapseln Borretschöl am Tag sind gut für volles und gesundes Haar.

Das Inerview führten Anja K. Fließbach und Marita Lau