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Drei Uhren braucht ein Mann

Vom Reiz mechanischer Uhren

Erst kürzlich hat ein großer Elektronik-Konzern eine Uhr mit allerlei Zusatzfunktionen vorgestellt. Trotz vieler Extras, präziser Zeitanzeige und modernster Technik wissen echte Uhrenliebhaber weiterhin nur eine Art zu schätzen: Mechanische Uhren. Wir trafen uns mit Daniel Gehm, Inhaber des Uhren Ateliers in Dresden und sprachen mit Ihm über den Reiz alter Uhren, die "Uhrenhauptstadt" Glashütte und seine persönliche Lieblingsuhr.

"Nur ein Prozent der Bevölkerung hat eine Affinität für mechanische Uhren", erklärt Daniel Gehm, Inhaber des Uhren Ateliers in Dresden. "Und nur die Hälfte davon kann sie sich leisten." Der Experte sitzt in seinem kleinen Laden ganz in der Nähe der Frauenkirche. Vor rund zehn Jahren hat der Uhrenfan seine Leidenschaft zum Beruf gemacht. Als Quereinsteiger fing er nebenberuflich mit einem kleinen Laden in der Münzgasse an. Seit April 2012 betreibt er sein Atelier in der Schössergasse. Das Atelier hat sich auf den Verkauf, Ankauf und auch Reparaturen von hochwertigen, mechanischen Uhren spezialisiert. "Viele Uhren können wir weit unter dem Wert des Neupreises verkaufen, zum Beispiel, weil wir sie aus einer Geschäftsauflösung oder gebraucht bekommen. Häufig bieten wir auch Vorjahresmodelle an, die nichts an ihrer Schönheit verloren haben, aber eben günstiger sind", erklärt Gehm. Zum Klientel gehören Sammler und Uhrenliebhaber aber auch Laufkundschaft. Dank des Online-Shops hat er auch Kunden in Asien und dem nahen Osten. Neben Taschen- und Armbanduhren hat Gehm auch ein paar exotische Zeitmesser im Repertoire. Dazu zählt zum Beispiel die Atmos von Jaeger-LeCoultre. Diese Standuhr muss nicht aufgezogen werden und besitzt auch keine elektrischen Komponenten. Ihre Antriebsenergie erhält sie von Temperaturschwankungen im Raum, die sich auf eine Druckkammer im Inneren der Uhr auswirken. Ein Grad unterschied reicht so für zwei Tage Laufzeit. Laut Hersteller soll die Uhr bis zu 1000 Jahre halten. Im Atelier findet sich auch eine Flugzeuguhr, die ihre Dienste in der russischen MIG-21 verrichtete. "Noch bis in die 70er Jahre nutzte man in der Schifffahrt mechanische Uhren zur Navigation. Diese mussten sehr präzise sein", erklärt Gehm und zeigt eine Schiffsuhr mit kardanischer Aufhängung. "Im Grunde braucht man mechanische Uhren heute nicht mehr. Zumal die technische Entwicklung abgeschlossen ist", so Gehm. Umso faszinierender ist für ihn, mit welcher Genauigkeit bereits vor über 100 Jahren Uhren gefertigt wurden. "Damals wurden Zahnräder ausgestanzt und anschließend so lange gefeilt, bis sie präzise genug waren." Mechanische Uhren haben in Sachsen eine lange Tradition. "Weltweit gibt es überhaupt nur zwei traditionelle Standorte für mechanische Uhren. Die Schweiz und eben Deutschland." Uhren aus Glashütte sind weltweit bekannt. Früher stellten die Bauern in den kalten Jahreszeiten Uhren her, um auch im Winter Geld zu haben. Im Erzgebirge engagierte Ferdinand Adolph Lange um 1840 erstmals alte Bergleute, die unter Tage keine Arbeit mehr fanden, und machte aus ihnen Uhrmacher. Ein Mann, so erzählt Gehm, braucht drei Uhren. Eine für die Freizeit, eine für den täglichen Gebrauch und eine, die nur zu besonderen Anlässen getragen wird. "Es gibt Uhren, die kauft man nicht nur für sich selbst, sondern auch für seine Nachkommen." Gehm selbst trägt übrigens eine Rolex Prince. "Man kann auf ihr zwar die Uhrzeit schlecht ablesen, aber ich finde sie wunderschön", schwärmt er von der Uhr aus Weißgold. Das tägliche, notwendige Aufziehen der Uhr ist für ihn ein unverzichtbares Ritual: "Ich muss die Uhr dabei jeden Tag in die Hand nehmen und anschauen. Und jedes Mal freue ich mich darüber." Das ist ein Gefühl, dass er mit einem Prozent der Bevölkerung teilt.