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GEBANNTE UNRUHE - Für Wilhelm Rieber muss es ein Tourbillon sein

Pünktlich, wie bei einem Uhrmachermeister üblich, begann das Gespräch mit Wilhelm Rieber und seiner Frau Marlene. Rieber baut seit Jahrzehnten unter der Marke Wilhelm Rieber Tourbillons, komplexe Uhren nach Wunsch. 

 

War dieses Handwerk Ihr Kindheitstraum?

Wilhelm: Meine Familie ist seit über 200 Jahren im Uhrmachergeschäft. Ich war als Junge oft bei meinem Vater in der Werkstatt und habe Wecker zerlegt. Mit acht Jahren hatte ich die erste Armbanduhr in den Händen. Da war klar, dass ich auch Uhrmacher werden will. Während meiner Lehre habe ich dann von den Tourbillons gelesen.

 

Was ist ein Tourbillon?
Wilhelm:
Es ist die Königsklasse der Uhrmacherei. Quasi die gebannte Unruhe, ein Drehgestell, das sich einmal in der Minute um sich selbst dreht. Es ist schwer zu bauen, weil es leicht, aber stabil sein muss und die Uhr nicht beein ussen darf. Normale Uhren sind langweilig. Wenn, dann muss es ein Tourbillon sein!

 

Haben Sie eine Bauvorlage?
Wilhelm:
Ich habe ein Buch von Alfred Helwig mit Fotos und Beschreibungen gelesen und darin den iegenden Tourbillon gefunden, eine noch komplexere, aber ästhetischere Form. Das, noch verbunden mit einem Chronometer, ist das Höchste.

 

Bauen Sie auch andere Uhren?
Wilhelm:
Ich baue nur Tourbillons. Jede meiner Uhren ist ein Einzelstück. Ich fertige fast jedes Bauteil selbst an.

Marlene: Wenn mein Mann einen Auftrag hat, dann steht er manch- mal schon um vier Uhr auf und geht in die Werkstatt. Ich lasse ihn in Ruhe, denn er soll sich konzentrieren können. Er ist wie besessen von seinem Auftrag und der Uhr, richtig unbeugsam.

 

Das klingt nach Leidenschaft?
Wilhelm:
Ich gehe in die Werkstatt und schaue, was passiert. Dazu höre ich laut Pink Floyd, manchmal auch Queen, selten Klassik.

 

Wie entstehen Ihre Uhren?
Wilhelm:
Der Kunde kommt mit seinen Wünschen zu mir. Ich entwerfe die Uhr ohne Baupläne am Reißbrett. Dann fange ich an. Ich fertige fast alles selbst.

 

Da müssen Sie aber gute Augen haben...
Wilhelm:
Ich arbeite viel mit der Lupe. Man muss konzentriert sein. So eine Uhr baue ich bis zu 30 Mal zusammen und auseinander. Bei einer Unvorsichtigkeit gehen die empfindlichen Teile kaputt und ich muss von vorn anfangen.

 

Setzt Sie das unter Druck?
Wilhelm:
Natürlich fallen die Sachen auch mal runter. Es gibt ein Buch mit dem Titel „Uhrmacher unter der Werkbank“. Aber ich finde die Teile schnell wieder. Angst darf man nicht haben. Ich weiß, dass die Uhr am Ende läuft. Der Kunde bekommt seine Uhr nach sechs Monaten und zieht sie auf. Das ist wie eine Geburt. Ein sehr emotionaler Moment.

 

Sie laden zu offenen Seminaren in Ihre Werkstatt ein. Haben Sie keine Sorge, dass Ihre Machart kopiert wird?
Wilhelm:
Das sollen sie versuchen! Ich habe kein Betriebsgeheimnis, die Leute können kommen, alles anschauen und Fragen stellen. Zu jeder Uhr gibt es ein Buch über alle Details und die Herstellung.

Marlene: Ich schreibe die Bücher von Hand. Sie werden gebunden und geprägt, mein Mann fotogrfiert und ich setze mit der Feder die Bildunterschriften darunter. Wenn ich mich nur einmal verschreibe, ist das Buch verloren.

 

Sie tragen selbst auch einen Tourbillon?
Marlene:
Das ist eine Renaissance mit einem Einkaräter von Schaffrath und eine der weltweit einzigen Damenumhängeuhren.

Wilhelm: Das war auch eine Geschichte. Der Chef von Schaffrath wollte mit mir zusammenarbeiten und ich sollte einen Brillanten im Drehgestell verankern. Meine Idee war, das Drehgestell mit einem Brillanten auszuwuchten. Die Auswuchtung ist wichtig, damit es richtig funktioniert. So konnte ich den Stein gut einbauen. Es gibt nichts, was nicht geht!

 

Sie haben einen Tourbillon für Michael Schumacher gebaut. Wie kam das?
Wilhelm:
Über Maybach lernten wir Willy Weber kennen. Der wollte Schumacher einen Tourbillon schenken. Michael Schuhmacher selbst habe ich leider nicht getroffen.

 

Was waren Ihre außergewöhnlichsten Kundenwünsche?

Wilhelm: Ich sollte für einen Chinesen in Singapur eine Platinuhr mit Tourbillon bauen. Das ist das edelste Metall der Welt, aber am schwersten zu verarbeiten. Er hatte verschiedene Wünsche, die ich alle umgesetzt bekam. Als ich ihm die Uhr brachte, war er begeistert. Er trägt die Uhr jeden Tag, dabei wiegt sie fast 500 Gramm. Nun möchte er eine Skelettuhr mit sichtbaren Bauteilen, aber seine Haut soll man nicht durchsehen. Also setze ich ihm einen Spiegel ein. Da sieht er die Bauteile der Uhr und sich selbst.

 

Wie viel kostet so eine Uhr?
Wilhelm:
Für eine simple Armbanduhr zahlt man rund 162.000 Euro. Danach kommt es darauf an, was der Kunde möchte - spezielle Steine, ein besonderes Zierblatt, ein bestimmtes Material...