• März 18, 2022
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Spielhallen und Wettbüros genießen in der Öffentlichkeit keinen allzu guten Ruf. Sie gelten als verruchte Einrichtungen, in denen sich ausschließlich dubiose Gestalten aufhalten. Die Wahrheit sieht zwar oft anders aus, dennoch werten Spielhallen und Co. in den Augen der Bevölkerung und der Politik den urbanen Raum massiv ab. Da in vielen Städten in Deutschland die Glücksspieleinrichtungen in der Regel relativ zentral liegen, dominieren sie nicht selten das Stadtbild. Dieser Dominanz soll durch das Abstandsgebot nach und nach Einhalt geboten werden.

Mindestabstände für Spielhallen

Das Abstandsgebot für die terrestrischen Spielhallen im Land geht auf den Glücksspielstaatsvertrag (GlüStV) zurück, der am 01. Juli 2021 in Kraft getreten ist und eine neue Gesetzgebung installiert hat. Diese bezieht sich zwar überwiegend auf die Legalisierung des Online-Glücksspiels, dennoch gab es auch einige Maßnahmen für den analogen Glücksspielmarkt. Ein vieldiskutiertes Thema in den 16 Landtagen war dabei der Mindestabstand für Spielhallen und Wettbüros.

Der GlüStV empfiehlt, dass Glücksspieleinrichtungen untereinander sowie zu Kinder- und Jugendeinrichtungen einen Mindestabstand von 500 Metern einhalten sollen. Dadurch soll der Spieler- und Jugendschutz gestärkt werden. Die letztendliche Umsetzung obliegt jedoch den jeweiligen Bundesländern, die den GlüStV individuell in die Landesgesetze implementieren können.

Die meisten Länder haben die Idee des Mindestabstandes adaptiert und ins Landesrecht eingebaut. Der Spielerschutz hat zwar dabei die primäre Rolle gespielt, doch auch eine natürliche Ausdünnung der Spielhallen- und Wettbüro-Dichte war und ist von großem Interesse. Viele Kommunen im Land haben im Laufe der vergangenen Jahre ein Zuwachs an Glücksspieleinrichtungen erlebt, der in den Augen der jeweiligen Kommunalpolitik die Stadtattraktivität in Mitleidenschaft zieht. Da oftmals die einzelnen Einrichtungen in direkter Nähe zueinander liegen, sollen die Mindestabstände viele Spielhallen und Wettbüros aus den urbanen Räumen tilgen.

Kritik der Spielautomatenwirtschaft

Bis heute ist die Handhabung der Mindestabstände ein sehr kontrovers diskutiertes Thema. Die Glücksspielbranche stemmt sich nach wie vor in allen Bundesländern gegen ein pauschales Abstandsgebot. Verbände, Betreiber und die größten Hersteller (hier nachzulesen) sind seit der Ausarbeitung des GlüStV im regen Austausch mit der Politik.

Sie kritisieren die blinde Installation der Mindestabstände, da diese viele Schließungen mit sich bringen werden. Dadurch seien zahlreiche Arbeitsplätze in Gefahr. Jobs bei Herstellern von Glücksspielgeräten sowie in Spielhallen selbst würden einfach zerstört werden. Darüber hinaus könne das landesbasierte Glücksspielangebot im Zuge der Schließungen nicht mehr den Kanalisierungsauftrag erfüllen. Aus diesem Grund müsse es eine neue Regelung geben.

Als Wortführer hat sich im Zuge der Diskussionen die Deutsche Automatenwirtschaft (DAW) hervorgetan. Der Branchenverband erklärte zuletzt, dass die Glücksspielbranche im Jahr 2021 einen Verlust von rund drei Milliarden Euro hinnehmen musste. Insbesondere die verschärften Regulierungsauflagen seien für den Geschäftseinbruch verantwortlich gewesen. Der neue GlüStV und die zugehörigen Umsetzungsgesetze hätten zu einem quantitativen Abbau von Spielgeräten geführt.

Laut Georg Stecker, DAW-Sprecher, würden mittlerweile in vielen Städten so strikte Abstandregelungen zwischen Spielhallen gelten, dass ein wirtschaftlicher Betrieb für seriöse Unternehmen nahezu unmöglich geworden sei. Diese Handhabung diene nicht dem Spielerschutz, sondern spiele vor allem illegalen Angeboten in die Karten.

Luft für Spielhallen wird dünner

Die DAW und Georg Stecker sind in vielen Bundesländern in beratender Funktion tätig und halten weiterhin an der Forderung fest, die Regulierung der Spielhallen ausschließlich an qualitativen Kriterien fest zu machen. Die einzelnen Einrichtungen sollen entsprechend bestimmte Auflagen erfüllen und beweisen, dass sie den Spielerschutz befolgen und ernst nehmen.

Die meisten Landesregierungen halten jedoch weiterhin am Abstandsgebot fest und tilgen somit Spielhallen und Wettbüros aus den Innenstädten. Die Luft für viele Betreiber wird entsprechend immer dünner. Viele, die bereits schließen mussten, haben derweil Klage gegen die Entscheidung eingereicht. Nicht selten gab das Gericht den geprellten Spielhallen dabei Recht.

Nichtsdestotrotz sitzt der analoge Glücksspielmarkt am kleineren Hebel. Sowohl die Förderung des Spielerschutzes als auch die Verschönerung des Stadtbildes sorgen fast bundesweit dafür, dass das Abstandsgebot viele Spielhallen zur Schließung zwingt.

Handhabung in Nordrhein-Westfalen

In Nordrhein-Westfalen wurde die Einbettung des GlüStV ins Landesrecht besonders heiß diskutiert. Der Mindestabstand nahm dabei eine prominente Rolle ein. Zunächst einigte sich die Landesregierung darauf, dass Spielhallen untereinander sowie zu Kinder- und Jugendeinrichtungen einen Abstand von 350 Meter einhalten müssen. Die Glücksspielbranche intervenierte jedoch und schaffte es die Politik von qualitativen Kriterien zu überzeugen. So darf der Mindestabstand unter bestimmten Bedingungen auf 100 Meter reduziert werden.

Der 350-Meter-Abstand zu öffentlichen Schulen sowie zu Kinder- und Jugendeinrichtung hat jedoch bis heute Bestand. Für ältere Spielhallen wurden dagegen eine Bestandsschutzregel eingeführt. Dennoch gilt für sämtliche Betriebe, dass sie zusätzliche Voraussetzungen zum Spielerschutz einhalten müssen.

Mit der Handhabung hat die NRW-Landesregierung zwar auf die Empfehlung der hiesigen Glücksspielbranche vertraut, nichtsdestotrotz sollen Mindestabstände die Verfügbarkeit und Wahrnehmbarkeit des Glücksspiels in Spielhallen reduzieren. Der Abstand zwischen Spielhallen ermögliche laut Gesetz eine Abkühlphase, bis Spieler an der nächsten Einrichtung vorbeigehen. In der damaligen Debatte war die Attraktivität der NRW-Städte zwar kein primäres Thema, dennoch wurden und werden Spielhallen und Wettbüros aus dem urbanen Raum getilgt.

Berlin als Extrembeispiel

Die strengste Umsetzung des Abstandsgebots hat Berlin im Sommer 2021 vorgenommen. Das kam zum damaligen Zeitpunkt nicht sonderlich überraschend, da rund 600 Spielhallen in der Hauptstadt existieren. In den Augen der Kommune war diese hohe Anzahl nicht nur eine Gefährdung, sondern verunstaltete auch das Stadtbild.

Vorangetrieben von SPD-Politiker Daniel Buchholz wurde das sogenannte Mindestabstandsumsetzungsgesetz beschlossen. Es definiert ein mehrstufiges, an Qualitätskriterien orientiertes Auswahlverfahren. Neben Zuverlässigkeit, Sachkundennachweis und Sozialkonzept sind harte Abstandskriterien festgeschrieben: Nur noch eine Spielhalle pro Gebäude, Mindestabstand von 500 Metern zur nächsten Halle und 200 Metern zu Oberschulen. Heute sind von den 600 Spielhallen nur noch 120 übrig. Rund 80 Prozent mussten schließen. Das Abstandsgebot war dabei in 100 Fällen für die Schließung verantwortlich.

In Berlin bleibt die Politik trotz der strengen Gesetzgebung weiterhin auf der Hut. Es werden regelmäßig Schwerpunkt-Razzien durch Polizei, Steuerfahndung und Ordnungsämter durchgeführt. Laut offiziellen Berichten würden dabei massenhaft Verstöße festgestellt werden, die Bußgelder nach sich ziehen. Diese wurden mittlerweile von 50.000 auf bis zu 500.000 Euro erhöht.