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Ursula Friedsam: Ich bin rasend gerne Frau
Ursula Friedsam, Geschäftsführerin der Heinrich-Schütz-Residenz Dresden im Interview
Sie ist attraktiv, temperamentvoll und geschaftstuchtig, bezeichnet sich selbst als ehrgeizig und zielstrebig. Kein Wunder, dass die in Wien geborene Ursula Friedsam auf ihrem Lebensweg oft beneidet wurde. Lesen Sie ein Interview uber die Hohen und Tiefen als Frau und wie schwierig der Einklang zwischen Karriere und Familie sein kann.
Sie wurden und werden von vielen beneidet. Wie gehen Sie damit um? Friedsam: Früher war das gelegentlich der Fall. Naiv wie ich am Anfang meiner Laufbahn war, hatte ich mit Neid überhaupt nicht gerechnet. Ich habe meine Jobs immer mit viel Freude, Enthusiasmus und Elan gemacht. Ich habe nicht darüber nachgedacht, ob ich dadurch Neid erzeuge. Ansonsten bin ich nicht unbedingt ein Mensch, der sich in den Vordergrund drängt.
Das finde ich überhaupt nicht. Sie sind attraktiv und kennen Ihre Wirkung auf Männer. Sind da nicht die Ehefrauen auch manchmal neidisch?
Friedsam: Das würde ich nicht als Neid bezeichnen. Vielleicht ist es die Sorge, dass man gefährlich werden könnte. Ich selber empfinde es nicht so. Ich habe meine Prinzipien und weiß, dass die Frau keine Sorge haben muss. Deswegen werde ich mich nicht in Schutt und Asche kleiden. Ich fühle mich wohl, wie ich mich anziehe und bin. Ich wüsste nicht, warum ich mich in irgendeiner Weise verstellen sollte.
Wie wichtig ist Ihnen Mode und Aussehen?
Friedsam: In meiner Familie standen die schönen Dinge immer sehr im Vordergrund. Schön angezogen zu sein ist für mich ein Hobby. Ich bin rasend gerne Frau.
Haben Sie es in Geschäftsverhandlungen mit Männern leichter oder schwerer als mit weiblichen Partnern?
Friedsam: Ich denke, dass man als Frau eher einen kleinen Vorteil hat. Ein Gespräch macht natürlich mehr Spaß, wenn man Komplimente bekommt. Aber das hat nichts zu bedeuten.
Sie haben bei den Stationen in Ihrem Leben, im Hotel "Vier Jahreszeiten" in München und später bei Tiffany, viele hochkarätige Prominente getroffen. Wie wichtig war das für Sie?
Friedsam: Ins "Vier Jahreszeiten" kam Lady Di. Es war für uns alle aufregend, sie aus dieser Nähe zu erleben. Ich fand sie in natura wesentlich hübscher, wirklich eine tolle Erscheinung. Dadurch, dass mein Vater am Theater gearbeitet hat, hat er immer sehr darauf geachtet, dass ich am Boden bleibe. Das ist mir nach wie vor sehr wichtig. Er war auch jemand, der mir von Anfang an beigebracht hat, dass Promis auch nur Menschen sind. Im Prinzip sollte jeder Kunde gleich wichtig sein. Gerade während meiner Zeit bei Tiffany hat sich bewahrheitet, dass du niemals nach dem Aussehen gehen darfst, danach, wie bekannt jemand ist oder nicht. Interessant ist immer der Mensch, der vor dir steht.
Sie haben auch ein Jahr in Boston gearbeitet. Wie kam das?
Friedsam: Mein damals zukünftiger Mann hatte das Angebot, nach Boston zu gehen. Wir waren uns einig, dass ich ihn nach Möglichkeit begleite. Also hatte ich mir aus Reisebürokatalogen - Internet gab es ja damals noch nicht - die zehn schönsten Hotels rausgesucht und mich beworben. Acht Absagen kamen. Aber bei den zwei Zusagen waren genau die beiden Hotels dabei, die ich mir vorher als Favoriten ausgesucht hatte. Das war natürlich ganz wunderbar! Ich habe dann für Ritz Carlton gearbeitet.
Sie schwärmen über die Mitarbeiterbindung im Ritz Carlton. Was ist deren Geheimnis?
Friedsam: Man hat es geschafft, dass sich die Mitarbeiter extrem mit dem Betrieb identifizieren und wirklich stolz darauf sind, für dieses Unternehmen zu arbeiten. Man musste alles über das Haus wissen. Es gab regelmäßig Trainings. Der Service am Gast war das A und O und den Leitsatz' "ladies and gentlemen are serving ladies and gentlemen" finde ich nach wie vor absolut genial. Bringt er doch zum Ausdruck, dass man mit Top Service und perfektem Benehmen automatisch zu einer Lady oder einem Gentlemen wird. Ich finde das für Mitarbeiter ausgesprochen motivierend. Ritz Carlton hat damit seine Mitarbeiter automatisch auf ein anderes Niveau gehoben. Mit perfektem Dienen erarbeitet man sich gleichzeitig auch den Respekt des Gastes.
Und dann kamen die Kinder...
Friedsam: Genau. Ich habe dann schnell zwei Jungen bekommen. Wir waren beim ersten Kind gerade aus Boston zurückgekommen und wussten nicht so genau, wo wir hingehen.
Sie blieben dann in München und mit dem ersten Kind zu Hause.
Friedsam: Das "Zu-Hause-Sitzen" ist mir ausgesprochen schwergefallen. Mein Mann hat extrem viel gearbeitet und war dadurch kaum präsent. Ich saß ganz alleine außerhalb von München mit dem Baby in der Peripherie. Bei einer Urlaubsreise nach Frankreich wurde ich dann kurz darauf erneut schwanger. Ich habe also einen Sohn Made in USA und einen Made in France. Das finde ich schön!
Was war ihre Lösung?
Friedsam: Ich hatte bereits während meiner zweiten Schwangerschaft wieder angefangen, Zeitungsanzeigen zu studieren und Bewerbungen für uns geschrieben. Wir haben dann eine Direktorenstelle für ein Vier-Sterne-Hotel in Osttirol bekommen. Ich war im 5. Monat, als wir zum Vorstellungsgespräch fuhren. Ich glaube, wir haben die Stelle nur bekommen, weil sich der Eigentümer gedacht hat, die Frau und die zwei Kinder seien nettes Zierwerk. Wir sind mit Sack und Pack umgezogen und haben dann ein 160-Betten- Hotel geleitet. Mein Jüngster war gerade mal vier Wochen alt.
Sie haben für sich und ihren Mann Bewerbungen geschrieben? Klingt, als ob Sie der dominierende Part waren?
Friedsam: Vielleicht war ich das zu dem Zeitpunkt in gewisser Form. Es war für mich einfach schwierig, die Kinder fast alleine aufzuziehen und sonst keine weitere besondere Aufgabe und Ansprache zu haben. Nach ein paar Jahren sind wir zurück nach München. Mir ist es unheimlich schwer gefallen, aus Osttirol wegzugehen. Das Hotel gemeinsam mit meinem Mann zu leiten, hatte mir große Freude bereitet. Ich habe dann vorerst einen Halbtagsjob angenommen, der nicht sonderlich spannend aber praktisch war, weil er direkt neben dem Kindergarten lag. Aber das war eben auch nicht sonderlich erfüllend und man ärgert sich, als Mutter von zwei kleinen Kindern, dann doch nur sehr limitierte Möglichkeiten zu haben und sehr eingeschränkt zu sein.
Denken Sie, Ihre Kinder haben das zu spüren bekommen?
Friedsam: Da bin ich sicher. Ein Kind spürt, wenn die Mutter nicht mit sich im Reinen ist. Das ist keine Frage.
Ihre Ehe scheiterte dann.
Friedsam: Ja leider. Wie in so vielen anderen Ehen auch, gingen ab einem gewissen Punkt unsere Blickwinkel und Ziele zu weit auseinander.
Dann hat sie der Job bei Tiffany gerettet.
Friedsam: Ja, ich hab da in Vollzeit als Sekretärin angefangen, was zwar sozusagen vorerst ein Rückschritt war, aber ich hatte einen wunderbaren Chef, nette Kollegen und unheimlich viel Spaß und wurde dann auch in relativ kurzer Zeit zum Assistant Manager befördert. Wir haben viele abwechslungsreiche Events und Ausstellungen für und mit der Münchner Society und Presse veranstaltet. Die Arbeit hat mich immer über sämtliche Krisen hinweg getragen. Ich war insgesamt neun Jahre dort - in der Zeit sind meine Kinder quasi groß geworden.
Wie war das Leben als alleinerziehende Mutter?
Friedsam: Hart. In Bayern war für mich die Kinderbetreuung ein großes Problem. Man arbeitet ganztags, hetzt dann nach Hause, versorgt die Kinder, wäscht, kocht, organisiert und muss knapp haushalten, um dann vielleicht auch mal mit den Kindern in Urlaub fahren zu können. Das bedeutet automatisch Einschränkungen. Du trägst immer für alles die alleinige Verantwortung und fragst dich natürlich, habe ich hier jetzt die richtige Entscheidung getroffen? Vieles hatte ich als ungerecht empfunden. Man wundert sich, dass man in der Ferienzeit wo sowieso schon alles teurer ist, als alleinerziehende Mutter, für zwei Erwachsene und 1 Kind bezahlen muss, wenn man alleine mit zwei Kindern anreist. So etwas macht mich heute noch wütend.
Haben Sie aus der Wut auch manchmal Energie geschöpft?
Friedsam: Das ist eher Stolz. Die Kinder sind zwei wunderbare Menschen geworden und mittlerweile beide über zwanzig. Aber es war kein leichter Weg dahin. Diese Phase hat mich veranlasst neue Wege zu suchen und sie auch zu gehen.
Was haben Sie aus dieser schwierigen Zeit gelernt?
Friedsam: Es ist für mich heute wesentlich leichter, Dinge nicht mehr so persönlich zu nehmen. Man fühlt sich vielleicht immer wieder mal ungerecht behandelt. Das dann von der anderen Seite zu sehen und zu erkennen, dass Wahrnehmungen nur Wahrnehmungen sind und nicht unbedingt richtig sein müssen, musste ich erst lernen. Kurz hinsetzen und reflektieren, statt sofort zu reagieren, hilft.
War diese Zeit prägend?
Friedsam: Es war über viele Jahre sehr schwierig und ich habe das durchgestanden. Das macht dich natürlich unheimlich stark. Es geht mir heute so gut wie nie zuvor und ich fühle mich sehr wohl in meiner Haut.
Nach Tiffany's haben Sie in München als Geschäftsführerin der Pro Health Complete Care Service GmbH für das Rinecker Proton Therapy Center, einem der modernsten Tumorbestrahlungszentren in Europa, gearbeitet und sind dann nach Dresden gekommen. Wie kam das?
Friedsam: Ich glaube, dass der Weg vorbestimmt ist. Es kam ein Anruf von einer Personalberatungsfirma, die mir diesen Job angeboten hat. Ich bin vom Bahnhof mit der Tram hergefahren, am Pirnaischen Platz ausgestiegen, über die Wilsdruffer Straße gegangen und zur Kleinen Kirchgasse rein. Dann stand ich auf dem Neumarkt, habe das Haus gesehen und dann war es Liebe auf den ersten Blick: Ich wusste sofort, dass ich das mache.
Haben Sie in der Heinrich-Schütz-Residenz viel verändert?
Friedsam: Das Wichtigste war für mich, das Haus zu öffnen und zu einem Ort der Begegnung zu machen. Ich bin überzeugt, dass es hier irgendwann Wartelisten geben wird. Das Konzept ist wahrscheinlich einzigartig in ganz Deutschland. Sie haben zum einen ein unheimlich schönes Gebäude mit 47 wunderschönen barrierefreien Wohnungen für Senioren. Durch das Öffnen der Restauration, des Spas und der Einrichtung einiger sehr schöner möblierter Wohnungen sind die Mieter automatisch in das öffentliche Leben integriert. Hier ist niemand abgeschottet von der Außenwelt, sondern wirklich mitten im Leben.
Was lernen Sie von den älteren Menschen?
Friedsam: Man macht immer wieder sehr interessante Erfahrungen. Als ich mit der Ausstellung mit Porträts von Hundertjährigen ankam, fanden das einige Mieter sehr empörend, dass man ihnen Bilder von alten Leuten präsentiert. Mit so einer Reaktion hatte ich ehrlich gesagt überhaupt nicht gerechnet. Ich selber fand die Portraits ausgesprochen schön und so ging es auch vielen anderen. In der Öffentlichkeit kam die Ausstellung sehr gut an.
Das Klischee ist, dass die Älteren schwieriger werden.
Friedsam: Es ist interessant zu sehen, dass sich der Mensch im Alter nicht sehr verändert. Wenn er immer ein ausgesprochen liebenswürdiger Mensch war, bleibt er liebenswürdig. Wenn jemand immer schon sehr gerne kritisiert hat, wird er im Alter selten damit aufhören. Im Alter hat man nichts mehr zu verlieren und sagt so eher, was man denkt. Ich denke, das Wichtigste ist, dass man jeden Einzelnen so nimmt in seiner Persönlichkeit wie er ist und sich auch immer wieder ein Stück weit vor Augen hält, was diese Generation teilweise erlebt und mitgemacht hat. Einer unserer Bewohner sagte einmal: "Schlechte Laune ist ein Mangel an Disziplin." Das hat mir sehr gefallen und ich habe mir vorgenommen, mich öfter daran zu erinnern, wenn ich mich wieder einmal ärgern sollte.
Wie schätzen Sie das Miteinander in Dresden auf Chef- bzw. Gesellschaftsebene ein?
Friedsam: Das empfinde ich als sehr angenehm. Man wird schnell aufgenommen und integriert. Man zeigt sich interessiert. Das ist positiv im Gegensatz zu München. Da ist es viel schwieriger, in die Gesellschaft aufgenommen zu werden. Man ist hier wesentlich bodenständiger, das gefällt mir ausgesprochen gut.
Haben Sie schon einen Freundeskreis hier?
Friedsam: Das muss sich erst entwickeln. Ich bin da generell etwas vorsichtiger. Aber es gibt einige Personen, wo ich mir das sehr gut vorstellen kann oder wo sich das auch schon sehr in diese Richtung entwickelt.
Warum sind Sie so vorsichtig?
Friedsam: Ich denke, dass man gerade in leitender Position etwas aufpassen sollte, wem man sich anvertraut. Ich bin auch kein Freund des schnellen Duzens. Prinzipiell habe ich in der Regel aber ein sehr gutes Gespür für solche Dinge.
Sind Sie ein Einzelgänger?
Friedsam: Ich kann das schwer beurteilen. Ich bin sicher jemand, der weiß, was er will und was er nicht will. Ich liebe den Kontakt mit Menschen, sonst hätte ich einen anderen beruflichen Weg einschlagen müssen. Aber ich bin sicher auch jemand, der sich dann sehr gerne in sein privates Schneckenhaus zurückzieht und dem Privatsphäre wichtig ist.
Wenn Sie zurückblicken, würden Sie etwas anders machen?
Friedsam: Ich glaube sehr stark an Bestimmung oder dass du sowieso den Weg gehst, den du gehst. Anders ergibt das Leben für mich keinen Sinn. Ich glaube auch, dass man sich stets ein Stückchen weiterentwickeln kann, wenn man das selber möchte. Ich habe gelernt, dass ich mich viel mehr auf mich selber verlassen kann. Dass ich meiner Intuition und meinen Gefühlen voll vertrauen kann. Oft habe ich Dinge gespürt, aber nicht gut genug hingehört. Da achte ich mittlerweile wesentlich mehr darauf.
Die Disy - Schlussfrage: Was haben Sie vom Leben gelernt?
Friedsam: Dass wir Frauen zwar emanzipiert sind, aber es uns damit nicht unbedingt leichter gemacht haben, sondern die Erwartungshaltung und der Druck dadurch oft noch größer sind. Entscheidet sich heute eine Frau bewusst dafür, bei den Kindern zu bleiben, kann es ihr passieren, dass sie belächelt oder gar als bequem bezeichnet wird. Da braucht man dann eine gehörige Portion Selbstbewusstsein, derartige Unkenrufe nicht ernst zu nehmen. Ist die Frau berufstätig, ist sie doppelt und dreifach belastet. Sie wird sich, ob bewusst oder unbewusst, fast immer Gedanken machen, ob Ihre Familie darunter leidet. Als Mutter und Frau bist du immer hin- und hergerissen. Eine wirklich freie Wahl haben wir nach wie vor nicht. Wenn man mutig genug ist, kann sich aus jeder Situation in eine andere begeben.
Die Heinrich Schütz Residenz
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