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Ein Leben für den Fußball - Eine Begegnung mit Stephanie Jones

Ist Spielfreude die Voraussetzung, um sich über Jahre in der Weltspitze zu halten?
Jones: Man muss einen Traum vor Augen haben. Ich verbinde Traum immer mit realistischen Zielen - dass man sagt: "Da möchte ich hin!" Dann geht man diesem Ziel nach mit viel Disziplin, viel Ehrgeiz, viel Engagement, natürlich auch mit Talent. Dann eifert man dem nach. Wenn man es geschafft hat, kann man sich nicht darauf ausruhen, sondern muss sich immer wieder beweisen.

Wie im Geschäftsleben...
Jones: Das sind die Parallelen, die man immer hat - im Beruf oder im Leistungssport. Man muss immer wieder daran arbeitet, sich da halten und auch etablieren zu können. Wenn man im Mannschaftssport die Weltspitze erreicht hat, wenn man wie wir kontinuierlich Titel gewinnt, was sehr erfreulich ist, muss immer wieder schauen, wo die anderen Nationen stehen, wo wir weiter dranbleiben müssen. Es ist wichtig, guten Nachwuchs zu haben.

Gibt es da auch Parallelen?
Jones: Klar! In der Wirtschaft und im Sport muss man die jungen Leute individuell fördern und schulische Ausbildung und Beruf parallel vor Augen haben. Hoch zu kommen ist schon schwer, aber sich dann dort zu halten ist schwieriger, weil man immer wieder gejagt wird, weil immer wieder Konkurrenz kommt, die da hin möchte. Das macht es sehr schwer.

Woran erinnern Sie sich am liebsten, wenn Sie an Ihre Arbeit als Präsidentin des Organisationskomitees für die Frauenfußball- WM 2011 denken?
Jones: An das Eröffnungsspiel, weil wir dreieinhalb Jahre daraufhin gearbeitet hatten. Wir hatten alle sehr viel investiert, waren mit sehr viel Herzblut dabei und wollten gute Gastgeber sein. Dann kam dieses Auftaktspiel in Berlin. Das war der Beginn einer tollen Geschichte. Wir haben an den Austragungsorten, zu denen auch Dresden zählte, tolle Spiele gesehen und als Gastgeber unsere tollen Städte präsentiert. Wir hatten sehr viele Touristen da, die gesehen haben, dass Deutschland ein tolles Land, ein toller Gastgeber ist. Das macht mich sehr stolz. Das war wirklich ein tolles Sommermärchen.

Was machen Sie gegenwärtig?
Jones: Seit 2011 bin ich im DFB Direktorin. Nach der WM 2011 haben wir eine eigenständige Frauen- und Mädchendirektion gegründet. Das ist ein Meilenstein für den Frauenfußball. Vom Breitenfußball über die Frauenbundesligen bis hin zu den Frauennationalmannschaften, Talentförderung, Schule - alles spielt da mit rein. Das ist meine jetzige Aufgabe. Nebenbei habe ich diese Botschafterrolle, dass ich für den Frauenfußball und für den Fußball generell werbe - international und national.

Welche Träume und Visionen haben Sie?
Jones: Ich wünsche mir, dass der Frauenfußball weiter diese Entwicklung nimmt, dass wir weiterhin unsere Anerkennung bekommen und dass man uns aufgrund unserer Leistungen Beachtung schenkt. Ich träume davon, dass wir mit der U20-Nationalmannschaft in Kanada Weltmeisterin werden und im Jahr drauf mit der Frauennationalmannschaft auch. Das ist immer schön, wenn wir mit unseren Frauennationalmannschaften Titel gewinnen.

Woraus schöpfen Sie dabei die meiste Kraft?
Jones: Die meiste Kraft schöpfe ich aus der Unterstützung, die ich kriege, aus der Politik, aus der Wirtschaft, aus unserem Verband, den 21 Landesverbänden. Man schafft es immer nur gemeinsam.

Worin unterscheidet sich Frauenfußball von Männerfußball?
Jones: Rein aus biologischer Sicht kann man das nicht miteinander vergleichen. Was das Spiel selber angeht, ist es so, dass die Technik, die Taktik und das System immer gleich sind - abhängig von den Trainern und den Trainerinnen, die ihre Philosophie haben. Das männliche Spiel ist schneller, weil ein Mann eben stärker und schneller ist.

Wieso gibt es keine gemischten Mannschaften?
Jones: Bis 13 können die Mädchen mit den Jungs mithalten, da gibt es auch gemischte Mannschaften. Mädchen dürfen bei Jungs spielen und Jungs dürften theoretisch auch bei Mädchen spielen. Es gab aber, glaube ich, noch keinen Jungen, der in einer Mädchenmannschaft gespielt hat, weil es sehr viele Jungenmannschaften gibt. Aber wenn ein Mädchen keinen naheliegenden Verein findet, kann sie bei den Jungs spielen.

Ärgern Sie sich über die geringe Anerkennung im Vergleich zum Männerfußball?
Jones: Wir haben im Frauenfußball wirklich immer den Vergleich zu den Männern. Das stört mich. Sie haben das in keiner anderen Sportart, ob das Tennis, Basketball, Handball oder Hockey ist. Leute, erkennt doch einfach mal nur unsere Leistung an, dass wir so und so häufig Europameisterin geworden sind! Wir haben Bronze geholt bei Olympia. Wir sind Weltmeisterin geworden. Zieht nicht immer den Vergleich zu den Männern!

Die Nachwuchsförderung liegt Ihnen am Herzen. Sie hatten selbst eine schwere Kindheit...
Jones: Leider ja. Mein älterer Bruder war viele Jahre drogensüchtig, mein jüngerer Bruder hat bei der US-Army im Irak-Krieg bei einem Anschlag beide Beine verloren. Aufgrund meiner Hautfarbe bin ich als Kind immer mal diskriminiert worden. Der Fußball hat mir wahnsinnig geholfen, mein Selbstwertgefühl zu stärken. Ich habe eine Persönlichkeitsentwicklung erlebt, die mir auch in meinem Job und in meinem täglichen Leben unwahrscheinlich geholfen hat. Das ist auch das, was ich immer wieder sage, wenn ich in Schulen und Kindergärten gehe oder wenn ich mit jungen Menschen spreche: Egal, was ihr macht, ob es Fußball ist, ob es andere Sportarten sind, ob es Musik oder Tanzen ist - es gibt immer etwas, was ihr gerne macht. Das solltet ihr mit ganz viel Hingabe und Spaß ausüben. Das ist das, was ich ihnen immer weitergeben will.

Es geht nicht um Titel?
Jones: Titel sind schön, aber die machen mich nicht zu einem besseren Menschen, sondern das, was man innerhalb dieser Mannschaften oder dieser Leidenschaften zurückbekommt, ist viel, viel mehr. Das ist meine Botschaft, dieser Optimismus und dieses positive Denken, das ist etwas, was man daraus ziehen kann.