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Nicole Heesters: "Es ist nicht leicht, das Leben..."

Disy-Chefredakteurin Anja K. Fließbach interviewte Schauspielerin Nicole Heesters in Neuseeland

Sie wirken sehr ruhig, beobachtend und so, als ob Sie über den Dingen stehen. Ist das so? Frau Heesters: Ich habe mir antrainiert, kontrolliert aufzutreten. Ich gelte als harsch und streng. Das mag oft stimmen. Ich stelle hohe Ansprüche an mich selbst.

Auch an die anderen? Ich bin sehr ungeduldig mit dummen Menschen. Da ziehe ich mich zurück. Man soll nicht erst versuchen, Menschen zu ändern. Man kann es nicht.

Haben Sie viele Freunde? Mein Wesen ist für andere Menschen nicht immer angenehm. Ich habe sehr wenig Freunde und bin sehr wählerisch, wen ich in meinen engeren Bezugskreis aufnehme.

Wie hat es Ihr Mann geschafft, darin aufgenommen zu werden? Ich habe ihn im Theater kennen gelernt und bin als erstes mit ihm aneinander geraten. Nach dem Streit sind wir uns näher gekommen und haben vor 41 Jahren geheiratet.

Wie haben Sie ihre Ehe so lange am Leben gehalten? Man muss immer wieder von vorn anfangen. Man braucht Toleranz, Klugheit und auch Glück. Er ist so, wie er ist und jetzt, wo ich hier ohne ihn in Neuseeland bin, vermisse ich ihn mehr denn je. Wir ergänzen uns hervorragend. Er legt den Schlüssel immer an die gleiche Stelle, ich dagegen suche meinen ständig.

Ihre Kinder Saskia Fischer (38) und Johannes (40) sind offensichtlich auch glücklich und erfolgreich. Haben Sie als Mutter also alles richtig gemacht? Ich habe wunderbare Kinder, die sich in der Welt sehr gut zurecht finden. Also muss ich ganz gut gewesen sein. Saskia ist auch Schauspielerin und Johannes ist Eventdesigner. Kinder müssen behütet und begleitet werden. Aber sie müssen nicht alles gut finden, was ich gut finde.

Hat das Ihr Vater Johannes Heesters mit ihnen auch so gemacht? Ja, genauso bin ich auch erzogen worden. Meine Eltern haben immer darauf geachtet, mich aus der Öffentlichkeit rauszuhalten. Aber die heutige Elterngeneration hat es schwerer.

Warum? Die heutige Jugend ist oberflächlich. Durch das Internet geht alles sehr schnell. Ein Kopfdruck und das Ergebnis ist da. Ich lehre meine Enkelin, mit der Hand Briefe zu schreiben. Man muss die Kinder heute zum Lesen verführen, zu den schönen Dingen und zur Arbeit.

Die Kinder zum Arbeiten verführen? Arbeit ist schön. Das muss man den Kindern lehren. Wenn man sich den richtigen Beruf aussucht, erfüllt einen die Arbeit und macht das Leben reicher. Arbeit ist nicht nur Arbeit.

Aber Sie selbst arbeiten heute weniger als früher? Ich bin sehr anspruchsvoll und halte nicht viel von der lustigen Gaudiwelt im Fernsehen. Das ist der Grund, warum ich nicht mehr viel mache. Ich liebe kleine Lesungen, in denen ich den Stoff selbst auswählen kann.

Mit denen Sie auch manchmal in meine Heimatstadt Dresden kommen. Oh ja. Ich bin sehr oft in Dresden. Schon mit meinem Vater, Johannes Heesters, war ich früher oft da. Ich erinnere mich, dass ich mit ihm oft an den Elbauen spazieren war und viele Mückenstiche hatte. Ich liebe die Weiße Flotte und das Blaue Wunder.

Sie haben mir auch erzählt, dass Sie auf Klemperers Spuren gewandelt sind. Stimmt. Ich habe das Tagebuch von Victor Klemperer gelesen und habe die Straßen aufgesucht, die im Buch erwähnt waren. Ich bin in der Neustadt Klemperers Wurzeln nachgegangen.

Was halten Sie von den Dresdnern? Sie sind meiner Meinung nach nicht sehr gesellig. Die Leute haben es schwer mit sich und die Mentalität ist gedrückt.

Haben Sie es auch manchmal schwer mit sich? Man lernt immer dazu, wie man sich verhalten sollte. Ob man selbst Wehwehchen hat, interessiert doch keinen. Das sollte man einfach niemandem zeigen und erst recht nicht darüber reden. Ich fühle, dass ich angekommen bin. Mit meinem Mann und in meiner Hamburger Wohnung fühle ich mich sehr wohl zwischen den Dingen, die ich im Laufe meines Lebens gesammelt habe.

Stimmt es, dass Sie auch eine Wohnung in Italien haben? Ja, in Venedig. Am Markusplatz sitzen, Spagettis essen und die Menschen beobachten. Oh mein Gott, ist das herrlich.

Oh mein Gott? Sind Sie religiös? Ich bin aus der Kirche ausgetreten. Aber ich glaube, dass ich persönlich einen Gott habe und einen guten Draht zu ihm. Ich kann mich auf mich selbst verlassen und auf ihn. Ich beschäftige mich jeden Tag ein paar Minuten mit ihm. Nennen Sie es beten oder wie Sie wollen. Ich glaube, wenn ich gottlos leben würde, ginge es mir nicht gut.

Wie leben Sie denn? Ich bin fasziniert von der Schönheit der Natur. Ich genieße ganz bewusst Blumen, Tiere, beobachte Vögel und den Himmel. Das ist mir wichtig. Ich habe nur das eine Leben und jeden Tag versuche ich, es mir bewusst zu machen und verantwortlich zu leben.

Sie erfreuen sich auch an den kleinen Dingen … Genau. Das ist unsagbar wichtig. Es ist nicht leicht, das Leben. Ich hoffe nicht mehr, dass ich die Welt verbessern kann. Das kann ich nicht. Aber ich kann mich verbessern.

Vielen Dank für das Gespräch!

(Interview: Anja Fließbach; Disy Herbst 2005)