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Ein Dresdner und der beste Trainer der Welt

Warum sich Matthias Sammer und Pep Guardiola brauchen

Es war nicht immer einfach zwischen den Beiden. Auf der einen Seite der Heißsporn von der Elbe, der kein Blatt vor den Mund nimmt. Auf der anderen Seite der stille Motivator, der seine Spieler mit kluger Taktik und viel Einfühlungsvermögen zu Höchstleistungen anspornt. Im Sommer kamen Beide zu einem Benefizspiel an Sammers alte Wirkungsstädte. Wir blicken zurück auf eine Hass-Liebe par excellence.

Es war das erhoffte Fußballfest zwischen der SG Dynamo Dresden und dem FC Bayern München. Zwar verloren die Elbestädter das Spiel mit 3:1, gewannen aber in ganz Deutschland Sympathien. Nicht zuletzt dem gebürtigen Dresdner und heutigem Sportvorstand Matthias Sammer hatte es Dynamo zu verdanken, dass sich der FCB die Ehre gab. Am Ende besangen die Bayern-Fans sogar die Dresdner Mannschaft: „Ihr seid besser als der HSV!“ hallte es durch das Rund. Am Ende dürfte nicht nur Sammer, sondern auch der Trainer der Münchner mit der Reise an die Elbe zufrieden gewesen sein. Niemand verletzte sich und es war ein angenehmer Härtetest. Dabei war das Verhältnis zwischen Sammer und Guardiola nicht immer so harmonisch.

Alles begann 2013 als Pep Guardiola sich zum ersten Mal in München vorstellte. Der erste spanische Trainer beim FC Bayern München trat seinen Job an. Dazu noch der beste und smarteste Trainer der Welt! Charmant verführte er die Journalisten bei seiner Vorstellung, glänzte mit seinen Deutschkenntnissen und umgarnte die letzten Zweifler. „Dass ich hier sein kann, ist für mich ein Geschenk, für das ich mich bedanke.“ Ein Geschenk, dass er mit seiner Frau und seiner Tochter teilte. Auch die Bayernbosse freuten sich auf eine neue Ära: „Es ist für Bayern München eine wunderbare Geschichte, dass Guardiola hier ist. Ausländische Trainer haben den deutschen Fußball immer befruchtet.“ Ein Coup. Denn die Konkurrenz war groß – Manchester United, Manchester City, der FC Chelsea, Paris St. Germain – alle wollten sie Guardiola. „Er hat sich für Bayern entschieden, weil der Klub unter allen Interessierten das beste Projekt war“, sagte Berater José Maria Orobitg. Freilich lockten den Erfolgstrainer aber nicht nur die Erfolgsaussichten und Münchens Golfplätze zum FC Bayern. Auch wenn er auf der Insel oder bei den Scheichs von Paris hätte mehr verdienen können, wird er mit den 15 Millionen Euro brutto im Jahr gut klarkommen.

Matthias Sammer ist seit 2012 Vorstand für Lizenzspielerangelegenheiten der FC Bayern München AG sowie verantwortlich für Nachwuchskoordination und Talentförderung. Nach zwei titellosen Spielzeiten wollte man beim FC Bayern frischen Wind in den Katakomben wehen lassen. Christian Nerlinger musste weichen und Sammer übernahm seinen Posten – damals ein Paukenschlag, war Sammer doch Sportdirektor beim DFB. Wolfgang Niersbach, DFB-Präsident, sagte, man ließe Sammer nur schweren Herzens gehen. Doch sein Wechsel sollte sich für den FC Bayern bezahlt machen.

Aufgewachsen ist Pep Guardiola als Straßenfußballer in seinem Geburtsort Santpedor in Katalonien. Täglich kickte er mit seinen Kumpels. Frühzeitig wurde der introvertierte und ruhige Junge von den Spähern des großen FC Barcelona entdeckt, doch seine Mutter wollte sich ihren „kleinen Engel“ Pep zunächst nicht wegnehmen lassen. Mit 13 Jahren folgte er dennoch dem Ruf in die legendäre Fußballschule La Masia. Auch wenn Pep Guardiola immer als schmächtig und unauffällig daher kam, sahen alle Trainer in ihm ebenfalls mehr – Genialität!

Viel früher, bereits mit neun Jahren, begann Matthias Sammer in der Kindermannschaft der SG Dynamo Dresden mit dem Fußball spielen. Mit den Junioren wurde er 1985 DDR-Meister und Pokalsieger bevor er mit 18 Jahren in der Saison 1985/86 seinen Einstand bei den Männern gab. Unter Eduard Geyer avancierte er zum Stammspieler und wurde 88/89 und 89/90 DDR-Meister. Einsatz, Wille und Durchsetzungsvermögen waren in dieser Zeit gefragt. Seine Leistungen machten ihn schnell zum Publikumsliebling. Am Ende der DDR-Oberligazeit standen 102 Einsätze für die Schwarz-Gelben zu Buche. Dabei erzielte er 39 Tore. Nach der Wende zog es den Rotschopf nach Stuttgart wo er unter Christoph Daum 1992 Deutscher Meister wurde. Seine erfolgreichste Zeit hatte er mit Borussia Dortmund. Hier gewann er die Champions League und wurde als Trainer Meister und Pokalsieger. Bis auf ein Intermezzi in Italien blieb Sammer dem deutschen Fußball treu. Als der FC Bayern für ein Benefizspiel diesen Sommer nach Dresden kam, war es für Sammer die Rückkehr zu seinen Wurzeln. „Das war etwas so Außergewöhnliches. Ich war da schon aufgeregt. Aber es sollte ja um Dynamo Dresden gehen“, sagte Sammer. Mit dem aktuellen Trainer der SGD, Uwe Neuhaus, arbeitete er sogar bereits zusammen – Sammer als Chefcoach, Neuhaus als sein Assistent. Für Dresden sei Neuhaus ein Glücksfall, lobte er die Entscheidung für den Fußballlehrer. Mit ihm kehre hoffentlich mehr Stabilität und Ruhe ein, hofft Sammer.

Pep Guardiola philosophiert Fußball, er spielt mit den Figuren auf dem grünen Rasen Schach. Das führt mitunter zu vielen verschiedenen Taktiken. Dass das nicht immer auf Gegenliebe stößt, ist auch Matthias Sammer aufgefallen. Dennoch verteidigte er den Kurs des Spaniers vehement. In einem Interview sagte er, man würde in Deutschland noch nicht verstehen, wie Guardiola denke. Man sei froh, einen Trainer wie ihn zu haben und dass er mit seiner Denkweise den deutschen Fußball insgesamt beeinflusse. Kritik gab es auch immer wieder an Sammers Arbeit. Doch genau hier springt Pep Guardiola in die Bresche. Schon häufig betonte der Trainer, wie wichtig Sammer für ihn und allen voran für die Mannschaft sei. Mit seinen Analysen leiste der gebürtige Dresdner unglaubliche Arbeit für den FC Bayern, so der Trainerfuchs. Dessen Art und Weise Fußball zu denken, muss man einfach bewundern. Diese teilt er mit seinem ehemaligen Trainer und Mentor Johan Cruyff. Der forderte die Jugendtrainer des FC Barcelona auf, eine neuartige Position im Zentrum des Spielgeschehens auf dem Fußballplatz zu besetzen. Ein neuer Spielertyp war gefordert, einer wie Pep Guardiola – ein Lenker und Denker, der nicht durch Athletik, sondern durch Technik und Führungsqualität bestach. Um in Spaniens Eliteliga Fuß zu fassen, bedurfte es allerdings deutlich mehr Robustheit und so dauerte es bis zu seinem 20. Lebensjahr, ehe sein Pflichtspieldebut im Trikot des FC Barcelona bevorstand. Dafür schmiss er auch sein Jurastudium. Wie besessen Guardiola vom Fußball ist, zeigte sich vor allem nach seiner Zeit beim FC Barcelona. So schien ihn der Job vor seiner selbst auferlegten Pause „aufzufressen“. Er begann selbst im Schlaf von Fußball zu sprechen. Enthusiasmus und gar Besessenheit sollen für ihn typisch sein. Pep Guardiola ist kein Medienmensch. Auch hier findet sich echte Bescheidenheit. Die Konkurrenz wird dabei gehuldigt und beglückwünscht, anderweitige Auskünfte bleiben allgemein und wertfrei. Sein Hauptmetier bleibt der Fußball! Dort wird er allerdings offensiv: „Nichts ist gefährlicher, als nichts zu riskieren“, sagt er über seine Denkweise. Ganz anders geht Matthias Sammer mit den Medien um. Er ist der offensivere der beiden. Als 2013 das Duell gegen Borussia Dortmund seinen Höhepunkt fand, war es Sammer, der beim Spiel in Dortmund auf Jürgen Klopp los ging. Er demonstrierte Stärke und Kraft – wie er es auch schon auf dem Platz getan hatte. Das kommt auch der Mannschaft zugute, wie Thomas Müller kürzlich verriet. Gerade die Mischung Sammer-Guardiola treibe ihn an.

Und auch wenn einige Medien immer wieder behaupten, die Zeit Sammers beim FCB sei abgelaufen – zum Beispiel nachdem man den ehemaligen Leverkusener Chef-Scout Michael Reschke verpflichtet hatte – so wurde erst im Herbst 2014 der Vertrag verlängert. Bis mindestens 2018 bleibt Sammer also bei den Bayern. Der Vertrag von Pep Guardiola läuft übrigens 2016 aus...