- Januar 18, 2022
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Mein erster Ausbildungsvertrag
Rechtsanwalt Dr. Klemens Rasel, Dresden
Mit dem Abschluss des Ausbildungsvertrages beginnt für viele der Start in das Berufsleben. Er ist also so etwas wie die Eintrittskarte in die berufliche Laufbahn. Oft werden im Ausbildungsverhältnis die Weichen für den beruflichen Erfolg oder – leider - auch Misserfolg gestellt. Es ist daher besonders wichtig, dass Sie sich genau ansehen, wo und zu welchen Konditionen Sie Ihren Werdegang starten möchten. Ein paar wichtige Punkte, die Sie unbedingte beachten sollten, will ich Ihnen hier vorstellen.
1. Wichtige gesetzliche Vorschriften
Das Ausbildungsverhältnis ist schwerpunktmäßig im Berufsbildungsgesetz (BBiG) geregelt; daneben finden Sie wichtige Vorschriften über die Arbeitszeit und den Urlaub im Jugendarbeitsschutzgesetz (JArbSchG bei minderjährigen Auszubildenden) bzw. bei volljährigen Auszubildenden in dem Arbeitszeitgesetz (AZG) und dem Bundesurlaubsgesetz (BUrlG).
2. Der Ausbildungsvertrag
Die Spielregeln für das einzelne Ausbildungsverhältnis werden im Ausbildungsvertrag festgehalten. In ihm sollten Sie alle wichtigen Angaben über das Ausbildungsziel, Ausbildungsbeginn und –dauer sowie die sonstigen Rahmenbedingungen (u.a. konkreter Ausbildungsplan, Vergütung, Arbeitszeit, Überstunden, Urlaub, Probezeit und Kündigung) finden. Wichtig: in § 12 BBiG finden Sie eine Liste von Punkten, die in einem Ausbildungsvertrag selbst dann nicht wirksam vereinbart werden können, wenn er von allen Beteiligten unterschrieben ist.
Der Ausbildungsvertrag muss von dem Ausbildungsbetrieb und Ihnen als Auszubildendem unterzeichnet sein; wenn Sie noch minderjährig sind, müssen auch Ihre Erziehungsberechtigten unterschreiben. Alles Weitere übernimmt dann Ihr Ausbildungsbetrieb. Er reicht den Vertrag bei der zuständigen Kammer ein, lässt ihn überprüfen und schickt Ihnen danach den geprüften und abgestempelten Vertrag zurück. Erst damit haben Sie die Sicherheit, dass auch alles seine Richtigkeit hat. Bei Zweifeln können Sie auch selbst nochmals bei der zuständigen Kammer nachfragen.
3. Eignungsuntersuchung
Bei minderjährigen Auszubildenden verlangt das Gesetz eine ärztliche Erstuntersuchung, damit sichergestellt ist, dass die Ausbildungstätigkeit zu keiner gesundheitlichen Beeinträchtigung führt. In den letzten 3 Monaten vor Ablauf des ersten Ausbildungsjahres heißt es dann für den minderjährigen Azubi nochmals: „Ab zum Arzt!“, um zu kontrollieren, ob der Job wirklich keine gesundheitlichen Schäden hinterlassen hat. Die Auswahl des Arztes bleibt dabei jeweils Ihnen überlassen.
4. Arbeitszeit
Die Regelung der Arbeitszeit hängt davon ab, ob Sie als Auszubildender minderjährig oder volljährig sind:
Minderjähriger Azubi
• erlaubt: max. 40 Wochenarbeitsstunden, davon max. 8 Stunden an max. 5 Wochentagen ohne Samstage, Sonntage und Feiertage
• ausnahmsweise: 8 ½ Stunden pro Tag und Arbeit an Samstagen, Sonntagen und Feiertagen, falls am nächsten Tag bzw. in der nächsten Woche Freizeitausgleich gewährt wird
• Pausen: bei Arbeit von 4 ½ bis 6 Stunden mindestens 30 Minuten, darüber mindestens 60 Minuten. Erste Pause von 15 Minuten spätestens nach 4 ½ Stunden.
• Schultage (mehr als 5 Unterrichtsstunden á 45 Minuten/Tag) zählen als Arbeitstage. Schulwochen (mindestens 5 Schultage) zählen als eine Arbeitswoche.
• Sonderregelungen bei Schichtarbeit: Bergbau/Untertage: maximal 8 Stunden/Tag, Landwirschaft, Tierhaltung, Gastronomie, Bau/Montage: maximal 11 Stunden/Tag, Sonstige: maximal 10 Stunden/Tag
Volljähriger Azubi
• erlaubt max. 48 Wochenarbeitsstunden, davon max. 8 Stunden an max. 6 Wochentagen ohne Sonntage und Feiertage
• ausnahmsweise: 10 Stunden pro Tag bzw. 60 Stunden pro Woche, falls innerhalb der nächsten 6 Monate Freizeitausgleich gewährt wird
• Pausen: bei Arbeit von 6 Stunden bis 9 Stunden mindestens 30 Minuten, danach mindestens 45 Minuten. Erste Pause nach 6 Stunden.
• Schultage (mehr als 5 Unterrichtsstunden á 45 Minuten/Tag) zählen als Arbeitstage. Schulwochen (mindestens 5 Schultage) zählen als eine Arbeitswoche.
• Sonderregelungen bei Schichtarbeit: Bergbau/Untertage: maximal 8 Stunden/Tag, Landwirschaft, Tierhaltung, Gastronomie, Bau/Montage: maximal 11 Stunden/Tag, Sonstige: maximal 10 Stunden/Tag
5. Vergütung
Für Auszubildende gilt das Mindestlohngesetz – leider – nicht. Wenigstens ist der Ausbildungsbetrieb nach § 17 BBiG verpflichtet, Ihnen „eine angemessene Vergütung“ zu gewähren. Diese Ausbildungsvergütung soll nach der Vorstellung des Gesetzgebers aber weniger Arbeitsvergütung, sondern eher eine Unterhaltsbeihilfe sein, weil beim Ausbildungsverhältnis nun einmal die Erlangung einer Ausbildung und nicht so sehr die Erbringung einer Arbeitsleistung im Vordergrund steht. Wundern Sie sich also nicht, wenn in Ihrem Arbeitsvertrag eine Vergütung steht, die den aktuellen gesetzlichen Mindestlohn unterschreitet. Auskunft über die branchenübliche Ausbildungsvergütung erhalten Sie in der Regel von der zuständigen Kammer; weicht Ihr Ausbildungsvertrag davon um mindestens 20 % zu Ihrem Nachteil ab, stellt sie wahrscheinlich keine „angemessene Vergütung“ mehr dar. Sie können dann vom Ausbildungsbetrieb die volle angemessene Vergütung einfordern. Wird die Ausbildung jedoch teilweise oder vollständig durch öffentliche Gelder oder Spenden zur Schaffung zusätzlicher Ausbildungsplätze finanziert, kann eine Ausbildungsvergütung auch bei deutlichem Unterschreiten dieser Grenze noch angemessen sein.
6. Urlaub
Auch der gesetzliche Mindesturlaub hängt vom Alter des Auszubildenden ab:*)
• jünger als 16 Jahre = mindestens 25 Arbeitstage
• 16 Jahre bis 17 Jahre = mindestens 23 Arbeitstage
• 17 Jahre bis 18 Jahre = mindestens 21 Arbeitstage
• 18 Jahre und älter = mindestens 20 Arbeitstage
*) Angaben gehen jeweils von einer 5-Tage-Woche aus
Der Urlaub muss vom Ausbildungsbetrieb gewährt werden; Sie dürfen also nicht eigenmächtig den Urlaub antreten, ohne dass der Ausbilder Ihnen das gestattet hat.
Der Urlaub soll Berufsschülern in der Zeit der Berufsschulferien gegeben werden. Soweit er nicht in den Berufsschulferien gegeben wird, hat zumindest der minderjährige Berufsschüler für jeden Berufsschultag, an dem die Berufsschule während des Urlaubs besucht wird, Anspruch auf einen weiteren Urlaubstag.
7. Zeugnis
Mit der Beendigung des Ausbildungsverhältnisses haben Sie gegen den Ausbildungsbetrieb einen Rechtsanspruch auf Erteilung eines wohlwollenden, berufsfördernden Zeugnisses, in dem Ihnen die Art der wahrgenommenen Aufgaben, die von Ihnen erbrachten Leistungen und Ihre persönliche Führung bescheinigt und beurteilt werden. Während der Ausbildungszeit können Sie ein Zwischenzeugnis nur in Ausnahmefällen verlangen, beispielsweise weil Ihr persönlicher Ausbilder wechselt oder Sie eine neue Ausbildungsstelle suchen.