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Mist, jetzt kann mich Henning May nicht sehen!

Henning May, Frontsänger der Band AnnenMayKantereit und seine drei Bandkollegen Christopher Annen, Severin Kantereit und Malte Huck, begeisterte trotz kühler Temperaturen in der Jungen Garde 10.000 begeisterte Fans. Seit Frühjahr tourte die Band (2011 gegründet) nach der Veröffentlichung ihres ersten richtigen Albums „Alles Nix Konkretes“ und feierte den Abschluss mit Freunden der Band in Dresden. Eine der Freundinnen ist DisyYouth-Redakteurin Louisa Fließbach. Sie war beim Dresdner Konzert dabei. Lest mal!

In Stimmung brachte uns zwei Vorbans: die „Goldroger“ (ein junger Sänger aus Dortmund, der 2016 sein Album „Avrakadavra“ veröffentlichte) und die französische Musikgruppe „Her“, die seit 2015 Musik macht und sich mit der kraftvollen Soul-Stimme des Fronsängers Victor Solf in die Herzen des Publikums spielte. Vor allem die kurze Rede Solfs, in der er den Auftritt seinem Freund und dem zweiten Frontsänger der Band, Simon Carpentier, widmete, der vor kurzem an Krebs verstarb, berührte uns alle.

Nach der emotionalen Eröffnung betrat nun endlich der Haupact des Abends die Bühne und die Menge tobte. Die Fans, die sich direkt vor der Bühne versammelt hatten, schubsten und drängelten,um einen Blick auf Henning May zu erhaschen, der sich noch entspannt mit seinen Bandkollegen unterhielt und gelassen in die Menge grinste. Ich versuchte, so weit wie möglich nach vorne zu kommen, doch ein Vordrängeln wurde nicht zugelassen. Jeder verteidigte seinen Platz und man erntete gereizte Antworten. Zwei große Mädchen stellten sich direkt vor mich und mein trotziger Gedanke war: „Mist, jetzt kann mich Henning May in der Masse ja gar nicht mehr sehen.“ Links neben mir versammelte sich eine Gruppe leicht angetrunkener junger Frauen mit roten Haaren, die ausgelassen grölten und die umstehenden Menschen beim Tanzen anrempelten.

Es wurde einen kurzen Moment still als der erste Ton erklang und Mays markante, raue Stimme die Freilichtbühne erfüllte: „Wohin du gehst, sagst du nicht mehr, wenn wir uns sehen, fällt dir das Fragen schwer…“ - Und die Masse tobte wieder. Man hatte das Gefühl, Jeder könnte die Texte der Lieder auswendig und die rund 5.500 Fans sangen beinahe so laut wie Henning May selbst. Als Ehrengast holten die Vier kurze Zeit später Ferdinand Schwarz auf die Bühne, mit dem die Band sehr gerne gemeinsam Musik macht. Henning May zwinkerte ihm zu, machte sich kurz scherzend über ihn lustig und sie spielten „What he wanted the most“ mit Schwarz an der Trompete. Die vier Freunde aus Köln überzeugten mit einer entspannten, lustigen und offenen Art. Man sah ihnen an, dass sie Musik machen, weil ihnen das gemeinsame Musizieren Spaß macht und Musik zu ihrem Leben gehört. Sie sind bodenständig und spielen eben das, was sie spielen wollen. Entweder den Leuten gefällt es oder eben nicht. „Manchmal finde ich es auch gut, wenn Leute Kritik äußern“, so Henning May in einem Interview. Die vier fühlten die Musik, die sie spielten und die Texte, die sie sangen. Henning May tanzte und bewegte cool-süß seine Hüfte. Das Gefühl sprang auf das sowieso schon begeisterte Publikum über und wir tanzten noch weiter. Henning May sang ins Mikrofon: „Bitte bleib nicht wie du bist“, ein Lied welches er als „Racheliebeslied“ bezeichnet, und von rechts aus der Menge ertönte ein lautes „NÖ!“. Der Mann, zehn Meter entfernt von mir, schrie ein Duett mit AnnenMayKantereit, was uns, inklusive der Band, zum Lachen brachte. Dass die vier Köllner musizieren, um Spaß zu haben, wurde erneut deutlich, indem sie „Du bist überall“ spielten und May sang: „Ich will eure Gesichter sehen und nicht eure Handyhüllen. Man kann das Handy auch ausmachen.“ Einige Menschen um mich herum schauten verlegen und nur kurze Zeit später steckten alle Handys in den Taschen. Diese Bodenständigkeit macht die junge Band noch sympathischer. Nachdem ein Mensch in Krokodil-Kostüm über die Bühne gelaufen war und eines der berühmtesten Lieder der Band, „Pocahontas“, gespielt worden war, ging das Licht aus und die Band ab. Kurz darauf erschien ein Scheinwerfer und beleuchtete Henning May, der alleine auf der Bühne saß, zwar mit Schuhen, aber mit geschlossenen Augen. Er konzentrierte sich auf den Inhalt des Liedes und saß an einem Klavier, ganz wie im Musikvideo, welches 2015 den Deutschen Webvideopreis gewann. Er spielte und sang „Barfuß am Klavier“ und ich hatte Mühe, die Tränen zurück zu halten. So hatte ich ihn entdeckt - vor zwei Jahren auf YouTube. Da, als er noch mir gehörte. Da, als ihn erst wenige kannten.

Das Konzert näherte sich dem Ende mit dem Song „21, 22, 23“, bei dem die Stimmung ihren Höhepunkt erreichte und mittlerweile jeder fast komplett begeistert und euphorisch war.

Als Zugabe holten AnnenMayKantereit die Band „Her“ erneut auf die Bühne. Sie arrangierten sich kurz und coverten „Valerie“ von Amy Winehouse. Die Version überzeugte mit der Kombination aus der Soul Stimme des Franzosen und Henning Mays außergewöhnlicher Stimmfarbe. Sie verabschiedeten sich mit einem ihrer ältesten Lieder „Nur nicht aus Liebe weinen“, brachten damit unzählige Leute zum Weinen, mich eingeschlossen, ernteten eine Menge Applaus und verließen zu meinem tiefsten Bedauern die Bühne mit einem letzten in die Menge lächelnden Blick und einem Winken zum Abschied. Trotz der Zugabe-Rufe kehrten sie nicht ein drittes Mal zurück auf die Bühne. Ich verlor mein Herz an diesem Abend an eine Band, die mit ihren Texten und ihrer Musik die Menschen berührt. Die auf dem Boden geblieben ist und ihren Fans auf Augenhöhe begegnet. Eine weitere eigene Tour für 2018 ist noch nicht geplant, aber falls es eine weitere geben sollte, werden die Tickets mit Sicherheit noch schneller ausverkauft sein, als dieses Jahr.